Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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gung durch Insekten; denn im Durchschnitt der 
letzten drei Jahre war zum Beispiel der Ertrag 
per Acre in Louisiana (schwarzer Betrieb) 197 
Pfund, in Texas (weiße Leitung) 180,5 Pfund. 
Wenn nun innerhalb eines doch immerhin 
für die gegenwärtige Weltwirtschaft erheblichen 
Zeitraums das Baumwolle-Areal nicht gewachsen 
ist, während doch die Vereinigten Staaten sich 
nicht nur in einer dauernden großen Prosperität 
befinden, sondern auch einen außerordentlichen 
Menschenzuwachs erfahren haben, so wird man 
wohl daran tun, die Produktionsbedingungen zu 
untersuchen, auf Grund deren dieses Areal in 
Benutzung genommen ist, weil man, wenn dies 
schon überhaupt sehr schwer ist, nur auf diese 
Weise zu einer Schätzung über die vermutliche 
Weiterentwicklung kommen kann. Dabei wird 
gleichzeitig untersucht werden müssen, welche 
Selbstkostenpreise in der Zukunft für diese ameri- 
kanische Baumwolle angenommen werden müssen, 
weil von ihnen mehr oder weniger bei der do- 
minierenden Stellung der amerikanischen Baum- 
wolle auf dem Weltmarkt und der Zielbewußt- 
heit der dortigen Interessenten auch die Welt- 
marktpreise abhängig sein werden. 
Ich bin bei diesen Untersuchungen zu folgen- 
den Schlüssen gekommen: 
1. Für die Annahme einer sehr großen Ver- 
mehrung der amerikanischen Anbaufläche und Pro- 
duktion in kurzer Frist habe ich hinreichende An- 
haltspunkte nicht gefunden. 
2. Eine wesentliche Verbilligung der Baum- 
wollproduktion durch bessere und intensivere Ar- 
beitsmethoden auf dem gegenwärtigen Areal halte 
ich gleichfalls für die nächste Zeit nicht für wahr- 
scheinlich. 
Gewiß, das in den Vereinigten Staaten zur 
Verfügung stehende, zum Teil noch jungfräuliche 
Arcal ist so groß, daß theoretisch ein Mehrfaches 
der gegenwärtigen Produktion gezogen werden 
könnte. Die Arbeitsmethoden sind außerdem, 
besonders im sogenannten alten Süden, so primi- 
tiv und wenig wirtschaftlich, daß auch eine inten- 
sivere Ausnutzung, etwa wie sie bei der deutschen 
Landwirtschaft üblich ist, sehr erhebliche Mehr- 
erträge ergeben müßte. Es ist weiter durchaus 
anzuerkennen, daß das landwirtschaftliche Ver- 
suchswesen durch eine ausgedehnte Organisation 
nach vielen Richtungen Nützliches wirkt und gute 
Fingerzeige gibt. Aber diese Einwirkung 
ist doch nur sporadisch erkennbar. Haupt- 
sächlich steht entgegen einer intensiveren 
Wirtschaft und stärkeren Ausbreitung der 
Baumwollkultur der überaus starke Einschlag, 
den das Negerelement bei den in der Baum- 
wollkultur beschäftigten Arbeitern abgibt. Es 
hat sich ja eine größere Anzahl von weißen 
Farmer 
Personen, besonders in Texas, mit der Baum- 
wollkultur sozusagen in eigener Regie, im Gegen- 
satz zu dem Pacht= oder Halbscheidsystem, be- 
schäftigt, auch sind ab und zu Südeuropäer als 
Pächter an die Stelle von Negern getreten. Das 
aber darf nicht die Erkenntnis verhindern, daß 
bei weitem der größte Teil der amerikanischen 
Baumwollproduktion Negerarbeit bleibt, daß bei 
den verschiedensten Erntearbeiten der weiße 
ohne geringwertige Hilfe nicht aus- 
kommen kann, und daß besonders im Osten die 
Einwirkung des weißen Besitzers auf seinen 
schwarzen Pächter oder Halbscheidfarmer außer- 
ordentlich gering ist. Zwar werden, besonders 
im südlichen Texas, zu den Erntezeiten vielfach 
Mexikaner, und im nördlichen Leute aus Arkansas 
herangezogen, aber der Grundstock derjenigen, 
die die tatsächliche Hand= und Pflückarbeit tun, 
bleibt zur Zeit der Neger. Ich lege auf die 
Konstatierung dieser Tatsache so besonderen Wert, 
weil die für die Farmarbeit zur Verfügung 
  
stehende Negerbevölkerung sich in den Baum- 
wollstaaten nicht oder nur unwesentlich vermehrt. 
Die dort entstehenden außerordentlich umfang- 
reichen Eisen-, Petroleum= und besonders Baum- 
wollindustrien ziehen einen großen Teil der 
Arbeiter durch bessere Bezahlung an sich, ebenso 
üben das Nichtstun und die großen Städte auf 
den Neger ganz besonders in seiner jetzigen Frei- 
zügigkeit und bei dem Verschwinden der auch 
über die Sklavereizeit hinaus geltend gewesenen 
patriarchalischen Zustände einen immer größeren 
Einfluß aus. Daneben herrscht eine außerordent- 
lich große Kindersterblichkeit, eine Verseuchung 
des zum allergrößten Teil aus Mischblut be- 
stehenden schwarzen Elements durch Tuberkulose 
und andere Krankheiten, so daß der Sterbe- 
koeffizient der Negerbevölkerung ungefähr das 
zweifache des Durchschnitts der Weißen in den 
gleichen Staaten bedeutet. Damit geht Hand in 
Hand eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit, 
eine gewisse Unruhe, welche den Neger beständig 
die Arbeitsstelle wechseln läßt, und eine Ab- 
neigung zu regelmäßiger und planvoller Arbeit, 
die gerade das Pacht= und Halbscheidsystem, von 
dem jetzt die Rede sein wird, herbeigeführt haben. 
Alle Versuche zur Hebung dieser Rasse, so gut 
sie gemeint sind, haben bisher doch nur in- 
differente Erfolge gehabt. Die Zahlen, welche 
der amerikanische Statistiker Walter F. Wilcor 
über die wahrscheinliche Zunahme der Neger gibt, 
zeigen, daß während bis zum Abschluß der Ver- 
einigten Staaten gegen den Negerimport in der 
20 jährigen Periode eine Vermehrung von 
76,8 v. H. stattgefunden hat, in der nächsten 
Doppeldekade diese Vermehrung nur 62),,2, in der 
folgenden 54,6, in der folgenden 48,2 und in
	        
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