Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Togo ist der Aussatz kaum weniger stark verbreitet. 
Die Zahl der Neger, bei denen er zur wirklichen, 
unmittelbaren Todesursache wird, halte ich nicht 
für sehr groß. Aber doch ist er volkswirtschaftlich 
von größter Bedeutung. Das im Laufe der Jahre 
immer mehr zunehmende Siechtum macht die 
Aussätzigen arbeitsunfähig, und ihre Lebensdauer 
wird zweifellos verkürzt; denn wenn auch nicht die 
Lepra selbst, so bereiten andere hinzutretende 
Krankheiten, denen ihr hinfälliger Organismus 
keinen genügenden Widerstand mehr entgegenzu- 
setzen vermag, ihnen ein vorzeitiges Ende. Zu- 
dem birgt jeder vorgeschrittene Aussätzige die 
dauernde große Gefahr der Ansteckung für seine 
nächste Umgebung. Nennenswerte Maßregeln zur 
CEindämmung dieser Seuche haben noch nicht ge- 
troffen werden können. Sie würden in der Ab- 
sonderung mindestens der schweren Fälle zu be- 
stehen haben. Von ähnlich weittragender Bedeu- 
lung wie die eben genannten beiden Volkskrank- 
heiten scheint neuerdings eine dritte fürchterliche 
Seuche, die Schlafkrankheit, zu werden. In Ost- 
afrika, in Togo, in Kamerun hat sie ihren Einzug 
gehalten; in letzterer Kolonie selbst im Weichbilde 
Dualas, des Europäerhauptplatzes. In Togo und 
Ostafrika ist der Kampf gegen sie mit großem Nach- 
druck aufgenommen, für Kamerun steht er zu er- 
hoffen. Außer diesen drei angeführten will ich als 
vallswirtschaftlich besonders wichtige endemische 
Krankheiten unserer Kolonien nur noch neunen die 
Doyxenterie, die Malaria der Negerkinder und die 
Syphilis; letztere in Kamerun und Togo in zu- 
nehmender Ausbreitung über das Land begriffen 
und bekanntlich zu jenen Seuchen gehörig, die nicht 
nur das davon befallene Einzelwesen treffen, son- 
dern durch ihre Vererbbarkeit auch den kommen- 
den Nachwuchs im Keime bedrohen und so die 
ohnehin schon geringe Nachkommenschaft der Ein- 
geborenen noch weiter zu verringern angetan sind. 
Damit sind indessen nur die allerschlimmsten 
Feinde des kolonialen Volkshygienikers genannt; 
weniger gefährliche oder weniger verbreitete ließen 
sich leicht noch in großer Zahl aufführen, ganz zu 
schweigen von denen, deren Einschleppung von 
außen her uns jederzeit droht, wie die Ein- 
schleppung der Pest. Diese kurzen Hinweise wer- 
den aber bereits genügen, um zu zeigen, welche 
großen Werte auf dem Spiele stehen, welche Güter 
zu schützen und zu erhalten die Aufgabe der Kolo- 
nialhygiene ist; Riesenwerte gilt es zu schützen! 
Die wirtschaftliche Entwicklung einer Kolonie 
steht indessen auch noch nach einer anderen Rich- 
lung hin mit der kolonialen Volkshygiene in 
innigem Zusammenhange, einem Zusammenhange, 
der nicht so unmittelbar und drastisch in die Er— 
scheinung tritt wie der eben geschilderte, und der 
deshalb weniger betont zu werden pflegt, obwohl 
  
er ebenfalls von großer Wichtigkeit ist. Durch die 
Besserung der Lebens- und Wirtschaftshaltung der 
Eingeborenen, dadurch, daß wir mit dem Ein— 
setzen unserer Herrschaft die früheren, verlust— 
reichen Kriegszüge der einzelnen Stämme unter- 
einander zum Aufhören brachten, durch Unter- 
bindung der Sklavenausfuhr, kurz durch Vermitt- 
lung eines Teiles unserer Kultur sind die äußeren 
Existenzbedingungen der Eingeborenen durch die 
kolonisierenden Mächte zweifellos gehoben wor- 
den. Auf der anderen Seite werden wir aber bei 
näherem Zusehen nicht verkennen, daß gerade die 
Volksgesundheit durch gar manche unserer koloni- 
satorischen Maßnahmen nicht nur nicht gefördert, 
sondern bedroht oder sogar beeinträchtigt wird. 
Sehen wir uns nach diesen von mir behaupteten 
Schädigungen auf dem uns hier interessierenden 
wirtschaftlichen Gebiete um. Seit dem Beginn 
unserer Kolonisation ist der Verkehr der Ein- 
geborenen untereinander ganz gewaltig vermehrt 
worden. Viele Völker, die voneinander nicht viel 
erfuhren, außer wenn sie sich in der Fehde begeg- 
neten, tauschen friedlich ihre Produkte aus; große 
Handelsstraßen, mit Tausenden von Karawanen- 
trägern belebt, durchziehen das Land, und da, wo 
bereits Bahnen im Betriebe sind, fördern diese die 
Berührung der einzelnen Stämme untereinander 
in früher nie gekannter Weise. Massenansamm- 
lungen von Schwarzen als Arbeiter auf den 
Pflanzungen, bei Wege= und Bahnbauten, bei 
friedlichen und kriegerischen Expeditionen der 
Europäer, all dies bewirkt eine dauernde Fluktua- 
tion, die ungleich stärker ist als vor dem Beginne 
unserer Verwaltung, und die in ihrer Stärke von 
Jahr zu Jahr zunehmen wird. Die früheren 
Schranken zwischen den einzelnen Volksstämmen 
sind gefallen. An sich gewiß eine erfreuliche Er- 
scheinung. Aber je größer und inniger die Be- 
rührungsflächen, um so zahlreicher auch die Mög- 
lichkeiten zur Verbreitung infektiöser Krankheiten 
von Stamm zu Stamm, um so günstiger die Be- 
dingungen zum Entstehen einer Epidemie. Wir 
sahen schon, daß gerade die Pocken den großen 
Verkehrsstraßen folgen; wir wissen, um ein wei- 
teres Beispiel anzuführen, daß die Schlafkrankheit 
nach Duala kam durch Farbige, die als Händler 
oder Arbeiter nach der spanischen Insel Fernando 
Po gegangen waren und sich dort infizierten; wir 
sehen, daß die Dysenterie bei allen Massen- 
ansammlungen farbiger Arbeiter und in Gefäng- 
nissen die schwersten Verluste verursacht. Ja es 
kann sogar zu der paradoren Erscheinung kommen, 
daß wirtschaftlich wichtige und verheißungsvolle 
Unternehmungen nicht ohne wirtschaftlich große 
Verluste zu erzielen sind. Greifen wir als ein in 
dieser Richtung besonders lehrreiches Beispiel den 
Bahnbau in unseren Kolonien heraus. Tausende
	        
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