Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

Interessen entgegenstehen. Dieses letztere Recht ist 
durch den neuen Vertrag mit der Deutschen Kolonial-= 
gesellschaft beseitigt. Wurde also früher von allen 
Seiten der Grundsatz der Schürffreiheit an die Spitze 
gestellt, so ist mit der Entdeckung der Diamanten im 
Jahre 1908 in dieser Anschauung ein Wandel ein- 
getreten. Das in Lüderitzbucht ausgebrochene Grün- 
dungsfieber, die Schwierigkeit der Bewachung der 
Felder, der befürchtete, zum Teil eingetretene Uber- 
gang von Diamantgerechtsamen in ausländische Hände 
und die Notwendigkeit, für eine spätere Einschränkung 
der Produktion rechtgeitig Vorkehrung zu treffen, haben 
es der Regierung angezeigt erscheinen lassen, einen 
erheblichen Teil des Diamanten führenden Bodens, 
nachdem bereits eine Zahl von Gesellschaften gegründet 
war, und Rechte erworben waren, dem öffentlichen 
Verkehr zu entziehen. 
Die Notwendigkeit dieser unter dem Namen 
„Sperre“ bekannten Maßnahme ist sowohl im Schutz- 
gebiet als auch in der Heimat allseitig anerkannt 
worden. Der jetzt bestehende Streit gipfelt in der 
Frage, ob jene Sperre, wie geschehen, zugunsten der 
Deutschen Kolonialgesellschaft hätte ausgesprochen werden 
dürfen, oder ob die Möglichkeit bestand, sie für den 
Fiskus des südwestafrikanischen Schutgebietes vor- 
zunehmen. 
Diese Frage ist eine reine Rechtofrage. Sie kann 
weder aus opportunistischen, lokalpolitischen, noch aus 
fiskalischen Gesichtspunkten entschieden werden. Da die 
Entscheidung von Rechtofragen nirgends zur Kompetenz 
von Körperschaften der Selbstverwaltung gehört, gehört 
sie auch nicht vor das Forum des Landesrats. Der- 
artige Fragen sind im Streitfalle vor die Gerichte zu 
bringen. In solchen Fällen, die zur Kompetenz der 
stnatlichen Verwaltung gehören, sind sic durch die mit 
der Beratung der Verwaltung von Amts wegen be- 
trauten Stellen zu erörtern. Da der letztere Fall 
vorlag, hat die Kolonialverwaltung ein Gutachten des 
Reichsjustizamts eingeholt, welches dahin ging. daß 
nach Lage der zur Prüfung stehenden Rechtsverhältnisse 
zugunsten des Fiskus des südwestafrikanischen Schutz- 
gebietes eine Sperre nicht zulässig wäre. Diese Sach- 
lage nötigte die Kolonialverwaltung, den Weg des 
Vertrages zu beschreiten. 
Konnte demnach für die Entscheidung der Rechts- 
frage durch den Landesrat nichts geleisiet werden, so 
hatte die südwestafrikanische Bevölkerung anderseits 
volle Gelegenheit, sich über die sachliche Gestaltung 
dieses Vertragsverhältnisses zu äußern. Sie hat da- 
von in weitem Umfange Gebrauch gemacht. Im Jahre 
1909 war eine Deputation sämtlicher Lüderitzbuchter 
Mineninteressenten in Berlin anwesend. Die Kolonial-= 
verwaltung war in der Lage, alle vorgebrachten 
Wünsche zu befriedigen. Seitdem haben die Minen- 
interessenten in Telegrammen, Streitschriften und 
Petionen, durch Artikel in ihnen zur Verfügung stehenden 
lokalen und heimischen Blättern ihre Ansichten zum 
Auedruck gebracht. Allerdings haben sie verabsäumt, 
in einer Abordnung selbst an dem Sitz der gentrale 
zu erscheinen. Wenn eine mündliche Erörterung der 
Angelegeuheit mit der gentralverwaltung nicht statt- 
gefunden hat, trägt diese hieran keine Schuld. Da 
der Kolonialverwaltung eine weitere Aufklärung über 
die Wünsche der Interessemen auch aus den Verhand- 
lungen des Landesrats nicht geworden ist, trondem 
der wesentliche Juhalt der fraglichen Verträge durch 
Telegramme der Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung 
dem Schutzgebiete bekannt gegeben war, ist nicht ab- 
zusehen, welche Zwecke mit dem Verlangen auf Vor- 
legung des Vertrages an den Landesrat verfolgt werden 
  
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sollten, es sei denn, ein Präjudiz zu schaffen für zu- 
künftige Fälle, worauf sich die Reichsregierung nicht 
einlassen kann. 
Wenn der Landesrat in dem Abschluß des Vertrages 
mit der Deutschen Kolonialgesellschaft eine Beein- 
trächtigung öffentlicher Interessen zugunsten privater 
Erwerbsgesellschaften erblickt, so darf nicht übersehen 
werden, daß er selbst eine private Erwerbsgesellschaft 
für die Ausbentung der Diamantfelder in Vorschlag 
gebracht hat, und zwar zu Bedingungen, welche die Inter- 
essenten selbst alo „ein für den Unternehmer glänzendes 
Geschäft"“ bezeichnet haben. Dabei wurde aber ver- 
gessen, daß die Reichsregierung, ganz gleichgültig ob 
dadurch ein oder mehrere Individuen, sei es im Schutz- 
gebiet oder in der Heimat, pekuniäre Vorteile erhalten, 
sich von dem Rechtsboden, wie er durch das Reichs- 
justizamt festgestellt worden ist, nicht entfernen darf. 
Der Landedrat erhofft eine Gesundung der süd- 
westafrikanischen Situation von einer Stärkung der 
Selbständigkeit des Gouvernements und des Landes- 
rats. Auch hier ist wieder auf die Rechtslage hinzu- 
weisen. 
Nach dem Schutzgebietsetatgesetz vom Jahre 1892 
sind alle Ausgaben und Einnahmen des Schutzgebiets 
auf den Reichsetat zu bringen. Für ihre gesetzmäßige 
Bewirtschaftung ist der Reichskangler und auf Grund 
des Stellvertretungsgesetzes der Staatssekretär des 
Reichskolonialamts verantwortlich. Er kann demnach 
die Verantwortung, welche sich aus der Bewirtschaftung 
des Etats ergibt, weder auf den Gouverneur, welcher 
lediglich das unter der Verantwortung des Staats- 
sekretärs ausführende Organ ist, noch auf den Landes- 
rat übertragen. Ebensowenig kann nach der bestehenden 
Gesetzgebung das Verordnungsrecht so in das Schutz- 
gebiet verlegt werden, daß Verordnungen vom 
Landesrat oder vom Gonverneur unter Ausschaltung 
der Verantwortlichkeit des Staatssekretärs des Reichs- 
kolonialamts erlassen werden. Das Verordnungsrecht 
ruht zur Zeit lediglich bei dem Kaiser und denjenigen 
Organen, denen es delegiert ist. Verantwortlich für 
die Ausübung des Verordnungsrechts bleibt der Rcichs- 
kanzler bzw. sein Stellvertreter. Diese Verantwortung 
kann er nur übernehmen, solange er die betreffenden 
Materien selbst entscheidet, und er muß sie tragen, bis 
ein Gesetz ihn davon entbindet. Nun hat der Staats- 
sekretär zu wiederholten Malen seiner Ansicht dahin 
Augsdruck gegeben, daß eine Abänderung der bestehenden 
Gesetzgebung in der Richtung der vom Schugebiet 
geäußerten Wünsche mit der Zeit wohl vorgenommen 
werden könne; keineswegs aber früher, als für eine 
sachgemäße und objektive Mitwirkung des Schutzgebiets 
die Gewähr vorhanden sei. Demgegenüber verfolgt 
man im Reichstag eine entgegengesetzte Tendenz, indem 
man eine Einschränkung des kolonialen Verordnunge= 
rechts zugunsten von Bundesrat und Reichstag. eine 
Verstärkung des Etatsrechts des Reichstags und die 
Genehmigung von Konzessionen und Verträgen fur sich 
in Anspruch nimmt. Während man also in Südwest- 
afrika und in gewissem Grade auch im Reichskolonial= 
amt einer Dezentralisation das Wort redet, befinder 
sich allem Anschein nach die Mehrheit des Reichstages 
auf dem entgegengesetzten Boden. 
Der Landesrat glaubt sich schließlich noch bei der 
Budgetkommission des Deutschen Reichstages bedanken 
zu sollen, daß sie die Verantwortung für den fraglichen 
Vertrag mit der Kolonialgesellschaft abgelehut hat. 
Von ciner derartigen Ablehnung kann nicht gesprochen 
werden. Die Andgeikommission hat vielmehr anerkannt, 
daß der Abschluß solcher Verträge nicht zu ihroer Nom- 
petenz gehöre. Ein Beschluß in der fraglichen Ver-
	        
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