Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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die minderwertigen Erstlingsfrüchte unreifer Weiber 
auszuschalten und so im Interesse einer tüchtigen Nach- 
kommenschaft ein Korrektiv ihres zu frühen Geschlechts- 
verkehrs zu schaffen. Weiter ergibt sich aus der Ta- 
belle die enorm hohe Kindersterblichkeit von 47 v. H. 
im Durchschnitt, wobei ich noch hinzufügen muß, daß 
fast alle Todesfälle nach Angabe der Mütter in die 
früheste Kindheit fielen. Um die Fruchtbarkeit der 
Weiber an sich zu veranschlagen, darf man natürlich 
nur die jenseits ihrer Menstrnation angelangten ins 
Auge fassen. Da 27 von ihnen 163 Kinder geboren 
haiten, so würde das die hohe Durchschnittsgahl von 
6 Kindern für eine Frau bedeuten. Die höchste Einzel- 
leistung, die vorlag, waren 12 Kinder. Ulberraschend 
groß ist für ein Naturvolk die Zahl der sterilen Frauen. 
Betrachten wir diejenigen als wirklich unfruchtbar, die 
jenseits des 30. Jahres noch kein Kind haben, so 
würden es 6 auf 73 = 8v. H. sein. Auch hierfür 
müssen wir wohl das künstliche Abortieren mit seinen 
oft gesundheitsschädigenden Folgen als Ursache an- 
schuldigen. Was unn den Kinderreichtum anbetrifft, 
so stehen die von mir zu einer nüheren Probe ge- 
wählten Etuüms sehr günstig da im Vergleich zu den 
meisien anderen Nachbarstämmen. Während bei ihnen 
das Verhältnis der Frauen zu den Kindern 203:273 
(--100: 135) ist, hat sich bei den Volkszgählungen 
anderer meist eine bedeutend ungünstigere Verhältnis- 
zahl ergeben, wobei gerade die am längsten kultivierten 
am schlechtesten abschneiden, so daß bei ihnen oft auf 
100 Frauen noch nicht 100 KRinder entfallen. Die eben 
erst unterworsenen Malkas weisen trotz ihrer jämmer- 
lichen äußeren Lebensbedingungen die hochste Kinder- 
zahl (100: 150) auf! Bei näherem Zusehen liegen 
allerdings die Verhältnisse für einen direkten Vergleich 
deshalb nicht gang einsach, weil selbst bei dicht be- 
nachbarten Stämmen völlig verschiedene Sitten hin- 
sichtlich der Kinderernährung und der geschlechtlichen 
Abstinenz herrschen, die bei den einen nur kurze Zeit, 
bei anderen hingegen während der gangen Dauer der 
oft bis ins vierte Lebensjahr des Kindes ausgedehnten 
Laktation befolgt wird. 
Etwa zu gleicher Zeit hat Oberarzt Dr. Pei- 
per im XIV. Band, 1910, des „Archivs für 
Schiffs= und Tropenhygiene“ eine Abhandlung 
„Uber Säuglingssterblichkeit und Säug- 
lingsernährung im Bezirk Kilwa (Deutsch- 
Ostafrika)“ veröffentlicht. Er macht hierbei eine 
statistische Zusammenstellung über 472 Frauen 
auf und führt bei jeder einzelnen den Stamm, 
das geschätzte Alter, die lebenden und verstorbenen 
Kinder je nach Alter und Geschlecht und endlich 
die Todesursache der verstorbenen Kinder an. 
Dazu teilt er noch folgendes mit: 
Die Bevölkerung an der nüste ist naturgemäß sehr 
gemischt. Neben den Einheimischen finden sich viele 
Hörige, die oft von weither, z3. B. vom Njassasee, 
stammen, sowie viele Zugewanderte. Nach dem 
Inneren zu folgt dann, entlang der Reiseronte, die 
Bevölkerung der Matumbi-Berge, die sich bisher, wie 
vielsach die Bergvölker, in Sprache, Sitte und Aus- 
sehen ziemlich rein erhalten hat. Im Gegensatz zu 
den schlanker gebauten, hellfarbigeren, mit Araberblut 
vielfach vermischten, dem Jslam zumeist angehörenden 
Küftenbewohnern, den Wasuaheli, sind sic breite, stäm- 
mige. untersetzte schwar ze Gestalten, die abgesondert 
in ihren Bergen leben und dem FZetischglauben 
huldigen. Weiter nach Mesten zu, in der weiten 
Cbene des Lugonju-Flusses, folgt dann wieder eine 
  
gemischte, meist aber schon aus Wangindos bestebende 
Bevölkerung. die in der Gegend von Madaba und 
weiter nach Süden sich rein erhalten hat. Eiwa bei 
dem Dorfe Kaprimas beginnt nach der Küste zu die 
Bevölkerung wieder eine gemischtiere zu werden. 
Weas das Alter der Frauen anbelangt, so komme 
dieses naturgemäß nur schätzungsweise angegeben 
werden, und diese Schätzungen sind bei Negern außer- 
ordentlich schwer. Hervorheben möchte ich übrigens, 
daß in der Statistik nur verheiralete bzw. in riner 
Art Eheverhälmis stehende Weiber Aufnahme ge- 
funden haben. Bemerkenswert ist, ein wie geringes 
Alter die Frauen erreichen, 45 Jahre alte sind nicht 
allzu häufig, 50 Jahre alte schon selten, und diese 
Frauen sehen schon recht gebrechlich aus. Weißhaarige 
alte Frauen, wie man sie in Küftenstädten wie Rilwa, 
wenn auch nicht häufig, so doch ab und zu zu sehen 
bekommt, habe ich auf der Reise überhaupt nicht be- 
merkt, trotzdem ich behaupten darf, wohl alle Frauen 
der bereisten Ortschaften gesehen zu haben. Das 
Durchschnittsalter aller in der Liste aufgeführten 
Weiber beträgt 28,15 Jahre. 
Aus der Zusammenstellung der lebenden und ver- 
storbenen Kinder und der Todesursachen ergibt sich 
nun folgendes: 
Von den lebenden Kindern waren: m. 
Sa. 432. 
Im zZustande der Schwangerschaft waren: 22 Weiber. 
Von den verstorbenen Kindern waren: m. 291, w. 251, 
Sa. 542. 
Bei den stattgehabten Aborten waren: m. 21, w. 13, 
Geschlecht nicht festzustellen: 14, Sa. 48. 
Von den Zwillingsgeburten waren: 
2 Pärchen m. + w. (lebend), 
1 Pärchen w. —+ w. (tot). 
Es starben: 
im Aufstande 1905/06 
211, w. 221. 
56 Kinder 
an Bronchialkatarrh 8 - 
-Blutharnen. .. 6e6D 
Darmkatarrh. . . . . . . .165 - 
Frambösien. . . . . 26 - 
- Uleuts tropieunn. . 9 
-Krämpfen 4 
Lebeneschwäche . . . 55 
-WMalaria.. . . 341 - 
- Nahrungsmangel . . . . .. 36 - 
= den Pocken 27 - 
-Rheumatismus.. . . . 5 - 
-Brandwunden ......1 - 
- Anchylostomiasis. .. . . 22 
es ertrank 1 - 
wurde als Aufständischer (Er— 
wachsener) gehängt 
wurden von Löwen zerrissen 
wurden von Wangonis erschlagen 2 
starben aus den Müttern un- 
bekannter Ursache 50 
an Kopsschmerzen 38 - 
vn 
S Vt — 
A 
Unter den Todesursachen figuriert an erfter Stelle 
der Darmkatarrh mit 165 Toten. Ach bin aber 
über zeugt, daß er als Todesursache noch höher be- 
wertet werden muß. Es gehört unter seine Rubrik 
sicher eine ganze Anzahl der „im Aufstande“ sowie 
„an Nahrungsmangel“ verstorbenen Kinder, ferner 
auch wohl viele der aus unbekannter Ursache Ver- 
storbenen, Fälle, in denen die Mütter sich nicht mehr 
der Todesursache erinnern konnten. Die große Zabl 
der Todesfälle an Darmkatarrh wird durch die m 
einem der folgenden Absätze geschilderte Säuglinge-
	        
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