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Kaum tritt man in die Urwaldparzelle ein,
so neigt sich der Pfad plötzlich und steil in die
Tiefe, in eine Art Kessel oder richtiger „Trichter“;
zuerst sieht man nur üppigen wirren Busch, aus
dem Baumriesen von etwa 30 m Höhe kerzen-
gerade emporragen. Kommt man bis etwa zur
Hälfte dieses Bergtrichters hinab, so starrt einem
von Süden her, aus dem Grün und der Wildnis
auftauchend, eine senkrechte Felswand entgegen,
deren Anblick um so mächtiger wirkt, als über
ihr der Trichter sich in steilem Aufstieg mit den-
selben Baumriesen fortsetzt. Gegen die Sohle
hin öffnet diese senkrechte, halbrunde Felswand
plötzlich einen Schlund von gigantischer Größe,
in einer Weite von 43 m, in einer Höhe von
21 m, wie wir nachher durch Messung feststellten.
Die Schwelle dieses Schlundes und auch die erste
Hälfte der „Vorhalle“ ist nicht eine Gerade,
sondern gegen die Mitte hin durch das Wasser
ausgebuchtet, während die Seitenwände dieses
Schlundes von an= und eingeschwemmten Erd-
massen und Steintrümmern verschüttet sind, so
daß der Schlund ehemals weit größere Dimensionen
gehabt haben dürfte. Daß die Grundschwelle
ehedem viel breiter als heute nach mächtigen
Verschüttungen gewesen sein muß, beweist die
Innenweite der „Vorhalle“", welche 65 m beträgt,
sowie eine kleine, fast völlig durch Steintrümmer
und Erden verschüttete Lichtöffnung in der linken
Ausbuchtung vom Eingang ans, woselbst man
auch auf eine Art Brunnen mit trinkbarem Wasser
von ziemlicher Tiefe stößt.
Sobald man unter diesem monumentalen
Portale steht, ist man unwillkürlich überwältigt
von dem ersten Eindruck, der übrigens die ge-
waltigen Dimensionen noch gar nicht zum Be-
wußtsein kommen läßt, dagegen bedeutend ver-
stärkt wird durch die eigenartige hellgrüne Dämmer--
beleuchtung, hervorgerufen durch das einfallende
Tageslicht und die zarte Algenvegetation, welche
das ganze Gestein überdeckt.
Die „Vorhalle“ ist nach ihrem Gewölbe einem
ungeheuren Backofen zu vergleichen, dessen Vorder-
wand fehlt, dessen Gewölbe nach rückwärts —
von der Mündung aus gesehen — in dunkle
Tiefen, in einen gewaltigen Schlauch, die Fort-
setzung der Höhle, deren Mittelstück, verläuft.
Die Höhle insgesamt, wie sich besonders in ihrer
„Vorhalle“ und in ihrem Ausgange nach Süd-
osten gut beobachten läßt, zeigt durchweg hori-
zontale Schichtung des Gesteins, anscheinend fein-
körnigen Sandsteins. Der schichtenweise Aufbau
dieses an sich einheitlichen Gesteins zeigt sich
besonders an den Erosionsspuren der Höhle: das
Gewölbe verläuft nicht in glattem Halbrundbogen,
sondern in schmalen, aber öfters ziemlich breiten
Stufen; man wird selten, wenn überhaupt, halb-
runde Ausschleifung konstatieren können. Der
Gesamteindruck natürlich, der die Einzelheiten
verschwinden läßt, ist der eines ungeheuren Ge-
wölbes, dessen Ausdehnung man sich vergegen-
wärtige an den Maßen: 21 m Höhe im Scheitel
— wobei eigentlich die ganze eingeschwemmte
Erd= und Steinmasse von der Höhlensohle aus
zu berechnen und zu den 21 m zu addieren wäre —,
65 m Breite und etwa 140 m Tiefe. Für die
Tiefe der „Vorhalle“ können wir kein festes Maß
angeben, weil die „Vorhalle“ nach rückwärts in
die Mittelpartie unvermerkt übergeht, wir sonach
nur die Gesamtlänge der ganzen Höhle (329m)
gemessen haben. Von dieser Gesamtlänge schätzen
wir etwa 50 m auf die Mündungshöhle im Süd-
osten, während die Mittelpartie und die „Vorhalle“
ziemlich gleich, also je 140 m, lang sein dürften.
Die „Vorhalle“ weist vom Eingang her gegen
die Mittelpartie hin ein ziemlich starkes Gefälle
aus, hervorgerufen durch die eingeschwemmten
Erd= und Steinmassen, welche die Regenzeiten
im Laufe der Jahrtausende aus dem Trichter in
das Innere der Höhle transportiert und ab-
gelagert haben. Auf gleiche Herkunft dürfen wir
auch die mehr oder weniger großen Steintrümmer
zurückführen, welche zerstreut herumliegen, aus
den Erden aufragen und ganz besonders den
Zugang zur ersten Strecke der Mittelpartie er-
heblich erschweren. Die ganze Höhlensohle ist
mit seit Jahrtausenden angesammeltem Guano
zahlloser Fledermäuse bedeckt, dessen eigenartiger
Geruch sich besonders in der Mittelpartie be-
merkbar macht.
Folgen wir dem vom „Trichter“ her ein-
tretenden Wasserriß in die Tiefe gegen den Hinter-
grund der Höhle zu, so werden wir nach rechts
hingewiesen, wo die sich ehedem stauenden und
aufwirbelnden Wasser seltsame Gebilde aus dem
festen Gestein herausgearbeitet haben. Man glaubt
plötzlich vor einem Portal zu stehen, dessen untere
Hälfte verbarrikadiert ist von einem stehengeblie-
benen Stein, dessen Hinterseite in den Augen der
Eingeborenen einer ngoma (Negertrommel) gleicht.
Vielleicht hat von dieser den Neger besonders
interessierenden Eigenheit die ganze Höhle mit
ihrem Berge bzw. der ganze Berg mit seiner
Höhle den Namen nangoma erhalten.
Soweit ich urteilen kann, ist dieses „Portal“
gebilde nicht gleichzeitig mit der Erosion der
unteren Höhlenhälfte entstanden, sondern — an
Tropfstein ist hier gar nicht zu denken — erst
viel später durch Einwirkung der Alluvialwasser;
wären diese in dauerndem Fluß und in alter
Gewalt geblieben, so würden sie zweifelsohne
hier in der Höhle fortgearbeitet und eine Neben-
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