Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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und dem Tsondab-Ende noch Anhaltspunkte zur 
Klärung dieser Frage liefert. 
Daß der Tsondab von dort aus, wo er ober- 
irdisch versiegt oder gar noch von einem Punkte 
weiter südwärts seine Grundwasser nach Westen 
entsendet, halte ich für nahezu ausgeschlossen. 
Dem widerspricht die Geländegestaltung zu sehr. 
Auch würde sich das wohl in der Vegetation der 
Dünentäler und der freiliegenden Pfannen irgendwo 
bemerkbar machen. Wie die meisten zum Atlan- 
tischen Ozean fließenden Reviere des Schutzgebietes 
hat auch der Tsondab ein sehr starkes Gefälle. 
Nach barometrischen Messungen liegt die Talsohle 
des Tsondab bei Büllsport (Kilometer 8 unter- 
halb des Tsondab-Anfangs) auf 1414 m, bei 
Awabes (Kilometer 43) auf 1117 m, bei 
Schwarze Kuppe (Kilometer 52) auf 1083 m, 
bei Kilometer 86 auf 82 m, bei Kilometer 115 
auf 720 m, bei Tsondab-Ende (Kilometer 128) 
auf 670 m. 
Das Gefälle beträgt also im Gebirge 8,6 m 
auf 1 km, von Awabes bis zum Eintritt in die 
Dünenregion 7,7 m auf 1 km, im Unterlaufe 
3,6 m auf 1 km. Es ist klar, daß in Erosions- 
rinnen fließende Gewässer von solchem Gefälle 
das Land nicht bewässern, sondern ganz direkt 
eine Drainage bilden. 
Vom Tsondab-Ende führte eine stark betretene 
Wildspur nach Westen in die Dünen hinein. 
Gewiß hätten wir richtig gehandelt, wenn wir 
ihr gefolgt wären. Aber der Wunsch, Einblick in 
die Dünen zu gewinnen, die in der bisherigen 
Tsondab-Richtung lagen, verleitete mich dazu, 
den Dünenrand nach Norden hin zu ersteigen. 
Wir betraten hier eine Region mächtiger, fest- 
liegender, im allgemeinen sanft gewellter und mit 
Stechgras bewachsener Dünen. Es war bei 
einigem Zickzackreiten möglich, zu steile Auf= und 
Abstiege zu vermeiden, und der Marsch wäre 
rasch und leicht vonstatten gegangen, wenn nicht 
auf die festliegende Dünenmasse lange, schmale 
Flugsanddünen von erheblicher Höhe aufgesetzt 
gewesen wären, genau senkrecht zu unserer Marsch- 
richtung lagen. Die Bewältigung dieser steilen, 
losen Dünen bereitete uns erhebliche Schwierig- 
keiten. UÜberhaupt waren die Verhältnisse, unter 
denen wir marschierten, nicht günstig. Schlimm 
war, daß wir nur tags marschieren konnten. 
Denn die Reise sollte ja vornehmlich karto- 
graphischen Zwecken dienen und wir hatten keinen 
Mond. Das Reiten tagsüber beeinträchtigte aber, 
da die Tage ungewöhnlich warm waren, die 
Leistungsfähigkeit der Kamele. Das Böseste war, 
daß seit mehreren Tagen starker Ostwind wehte, 
der auf die großen Dünenrücken nochmals kleine 
2 bis 4 m hohe Kämme losen Flugsandes auf- 
  
gesetzt hatte. Für die Kamele bedeutete die Be- 
wältigung einer solchen kleinen, neu aufgeschütteten 
Düne, in die fie bis zum Bauch einsanken, sehr 
viel mehr Anstrengung, als das Uüberschreiten der 
großen, festliegenden Sandberge. 
An einer kreisrunden, etwa 1 qkm großen 
Pfanne mit ein wenig Brack machten wir die 
erste Mittagspause. Die Kamele schienen müde 
zu sein, denn sie legten sich sofort nach dem Ab- 
satteln hin und rührten das am Pfannenrand 
stehende Stechgras nicht an. 
Wie in der Kalahari, scheinen auch in der 
Namib die Dünen, die sich um eine Pfanne 
lagern, besonders hoch zu sein. Mittags erstieg 
ich eine Düne, die eine Höhe von 110 m über 
der Pfanne hatte. Umliegende Dünen waren 
noch höher. Die Pfanne selbst zeigte reinen, 
staubfreien Namibboden ohne eine Spur von 
Begetation. 
Nachmittags erreichten wir eine Fläche, die 
ich mittags von der Düne aus erblickt hatte. Sie 
führte uns nach Westen, so daß wir an diesem 
Nachmittage und am nächsten Vormittage in der 
gewollten Marschrichtung gut vorwärts kamen. 
Die Fläche hat typischen Namibcharakter. Sie 
ist hart, eben, mit Steingeröll bedeckt, durchaus 
staubfrei und vegetationslos. Die Kiesel waren 
dort in stärkerem Maße, als ich es sonstwo ge- 
funden habe, mit Wüstenlack überzogen — viele 
sahen großen Stücken Schokolade täuschend ähn- 
lich —, so daß die Fläche im Sonnenschein hell 
glänzte. Sie ist in ihrer Längsrichtung und nach 
Westen hin stark geneigt. Einigemale fällt sie in 
10 bis 15 m hohen Terrassen in diesen Richtungen 
ab. Auf diese Fläche sind langgestreckte, von 
Norden nach Süden streichende schmale Flugsand- 
dünen aufgesetzt, die anscheinend rasch wandern. 
Bei einigen kleinen Dünen, die offenbar erst 
unter der Wirkung des letzten starken Ostwindes 
entstanden waren, war während der Dauer einer 
Mittagspause das Wandern festzustellen. 
Am Mittag des vierten Marschtages erreichten 
wir das Ende der Fläche in einer Region un- 
regelmäßig durcheinander liegender, niedriger 
Dünen, die aber aus losem Sande bestanden 
und deshalb den Kamelen wieder viel Mühe 
machten. 
Um einigen, im Westen liegenden, sehr hohen 
Dünen auszuweichen, holte ich nachmittags nach 
Norden aus, kam aber hier in ein böses Gewirr 
sehr steiler Dünen, die durch zahlreiche Querriegel 
miteinander verbunden sind und die für die Ka- 
mele tatsächlich ein unüberwindliches Hindernis 
bildeten, so daß ich wieder westliche Richtung 
einschlagen mußte. Ich nehme an, daß sich hier
	        
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