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bereits der Einfluß des Kuiseb-Kanons auf die
Dünenbildung bemerkbar macht.
Nach Westen hin kamen wir in ein Gebiet
ganz regelmäßig geformter, parallel zueinander
verlaufender Dünen, die stetig an Höhe zu-
nahmen. Die höchste von mir erstiegene Düne
hatte eine relative Höhe von nicht ganz 160 m,
einige andere Dünen waren nicht unbeträchtlich
höher. Der Abstand von Dünenkamm zu Dünen-
kamm beträgt durchschnittlich 1000 m. Die Ost-
seiten der Dünen steigen allmählich an, der Sand
liegt hier fest, und es macht keine besonderen
Schwierigkeiten, bis in die Nähe des Dünen-
kammes zu kommen. Diesem war stets, wie
schon erwähnt, durch die letzten Ostwinde eine
neue kleine Düne aufgesetzt, an deren Lurpseite
sich tiefe Trichter mit sehr steilen Wänden von
losem Sande befanden. Die Kamele um diese
Trichter herum auf den neuen Dünenkamm
heraufzubekommen, bereitete uns große Schwierig-
keiten. Die Tiere sanken bis weit über die Kuie
und Sprunggelenke in den losen Sand ein,
rutschten in ihm dauernd aus und strebten in
ihrer Dummheit stets dem Trichter zu; wäre ein
Tier in einen solchen hineingeraten, so wäre es
sicher nicht wieder herausgekommen und verloren
gewesen.
Nach Westen zu fallen die Dünen sehr steil
ab. Die Dünentäler sind mit Sand gefüllt, der
meist ziemlich festliegt und dann für die Kamele
einen guten Marschboden abgibt. Der allen
Dünen gemeinsame Querschnitt — allmählicher
Anstieg von Osten, steiler Abfall nach Westen —
scheint mir darauf hinzudeuten, daß hier trotz
der Nähe des Meeres der Ostwind vorherrscht.
Die Dünen sind von einer schwarzen Käferart
und zahlreichen Wanzen, die eine vorzügliche
Farbenanpassung zeigen, belebt. Das sind, außer
einer seewärts streichenden Krähe und einem
Chamäleon, die einzigen Lebewesen gewesen, die
wir in sechs Tagen gesehen haben. Die zahl-
reichen Wildfährten aber und eine große Zahl
von Gemsbockskeletten, die in den Dünentälern
liegen, sind ein Beweis dafür, daß in guten
Regenjahren (das diesjährige war für Awabes
nicht gut) die Dünentäler Weide haben und dem
Wilde in diesen heuer so unwirtlichen Regionen
gesicherte Weideplätze geben.
In der Nacht vom 19. zum 20. Juni, die
wir auf einer hohen Düne verbrachten, auf der
uns die Dunkelheit festgehalten hatte, steigerte
sich der Ostwind zu schwerem Sturm, der die
Sandmassen in Bewegung brachte und uns und
den Tieren stark zusetzte. Man träumte, daß
sich das Kamel, an dessen Leeseite man sich
niedergelegt hatte, auf einen gelegt habe und —
fand sich morgens vom Sande völlig zugeweht.
Leider gingen mir in diesem Sandsturm wichtige
Ausrüstungsgegenstände verloren. Sie waren
verweht und nicht mehr auffindbar. Bemerkens-
wert war es, daß am nächsten Frühmorgen, als
wir aufsattelten, unsere Decken, besonders die
während der Nacht vom Winde gepeitschten Ka-
melhaardecken so mit Elektrizität geladen waren,
daß sie beim Ausschwingen Tausende von Funken
ausstrahlten.
Ich kann nicht umhin, hier den außerordent-
lichen Eindruck hervorzuheben, den diese groß-
artige Natur mit ihrem Schweigen und ihrer
Einsamkeit, mit der ewigen Gleichmäßigkeit ihrer
unabsehbar langen, parallel laufenden Riesen-
dünen, mit der starken Wucht ihrer schneidenden
Sandstürme gemacht hat. Mir fiel die Strophe
aus Freiligraths Gedicht „Die Wüste“ ein: „Wer
sie durchritten hat, den graust!“
Am Vormittage des 21. Juni befanden wir
uns nach meiner Routenaufnahme noch etwa
20 km vom Meere entfernt und auf der Länge
der gesuchten Wasserstellen. Da wir nach den
bisherigen Erfahrungen täglich nur 7 bis 8
Dünen bewältigen konnten, brauchten wir zum
Meer und zurück noch etwa fünf Tage. Als
mir mein Sergeant auf die Frage, ob die Ka-
mele das noch leisten könnten, mit einem ent-
schiedenen „Nein“ antwortete, befahl ich den
Rückmarsch, nachdem ich noch die nächste hohe
Düne erstiegen, von dort nach Westen zu aber
noch immer neue und noch immer höhere Dünen
gesehen hatte.
Die auf der Karte verzeichneten „Wasser-
stellen, von Nama bewohnt“, liegen ganz sicher
nicht auf dem angegebenen Fleck, über den ich
hinwegmarschiert bin. Wenn sie überhaupt vor-
handen sind, dann liegen sie wohl unweit der
Küste.
Am 25. erreichten wir den Tsondab wieder
in der Nähe seines Endes.
Ich habe bei diesem Vorstoß in die Küsten-
wüste den — allerdings durch die Laufänderung
des Tsondab hervorgerufenen — Fehler gemacht,
mich zu weit nördlich zu halten. Augenscheinlich
haben sich im Winkel zwischen Kuiseb und Küste
die Dünen besonders zusammengedrängt und sie
sind hier auch besonders hoch und steil. Schon
auf dem Rückwege konnte ich bemerken, daß die
Dünen weiter nach Süden zu nicht allein nie-
driger, sondern auch sanfter geböscht sind. Ich
bin anscheinend gerade in die schwierigste Ecke
hineingeraten, denn bei Sandwichhafen sind die
Dünen wieder weniger schlimm.
Von Awabes ritt ich über Büllsport zur
Naukluft. In Johann-Albrechtsauelle,