Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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das Rhodesia-Gebiet bringen dürften, daß aber 
auch Vieh, das von den Barotse vom englischen 
Sambesi-Ufer nach dem deutschen Ufer herüber- 
gebracht werde, nicht mehr in das britische Gebiet 
zurückgebracht werden dürfe. Da die auf dem 
linken (englischen) Sambesi-Ufer wohnenden Barotse 
ihr Vieh bisher während der Trockenzeit regel- 
mäßig über den Sambesi in unser Gebiet auf die 
Weide geschickt hatten, so war die nunmehr ver- 
hängte Viehsperre für die Barotse selbstverständlich 
eine große Unannehmlichkeit. 
Da das meiste Vieh, welches zur Zeit der 
Verhängung der Viehsperre im Caprivi-Zipfel 
stand, dem König Luanika bzw. seinem Sohne 
Letia-Sesheke gehörte, ließen diese es sofort auf 
das britische Gebiet herüberbringen. Zugleich 
befahl Luanika den Barotse und den ihnen unter- 
worfenen Völkern in unserem Gebiete, auf das 
linke Sambesi-Ufer zu übersiedeln. Wer diesem 
Befehle nicht nachkam, wurde durch Letias Leute 
mit Gewalt auf das linke Sambesi-Ufer herüber- 
gebracht. Wo sich die Eingeborenen ihnen ent- 
zogen, da trieben Letias Leute ihnen wenigstens 
möglichst ihr Vieh weg. Was entfliehen konnte, 
zog sich entweder vom Sambesi zurück tiefer ins 
Land hinein, oder siedelte sich am südlichen 
Linjanti-Ufer im Betschuanaland an. Noch im 
November 1908 haben aber Abgesandte Letias 
den am Kwando — so heißt der Linjanti in 
seinem mittleren Lauf — also schon ziemlich tief 
in unserem Lande wohnenden Barotsewerften 
anbefohlen, unser Gebiet zu räumen. 
Drei Induna-Bezirke des Barotse-Reiches 
teilten sich bis zur Ankunft Streitwolfs in unser 
Gebiet; zwei gehörten zur Provinz des Häupt- 
lings Letia-Sesheke, einer zur Provinz des Häupt- 
lings Letia-Njana. Während die beiden ersteren 
Bezirke, deren Vorsteher die Indunas Mamili 
und Djika-Matondo waren, sich völlig inner- 
halb unseres Schutzgebietes befinden, greift der 
dritte Bezirk ziemlich erheblich über unser Schutz- 
gebiet hinaus, so daß nur sein kleinerer Teil 
innerhalb desselben liegt. Sein Vorsteher, der 
Induna Seluka, hat daher auch seinen Sitz 
außerhalb unseres Schutzgebietes. 
Die erste Reise Streitwolfs, der nach den 
bisher vorliegenden Berichten schon fast das ganze 
  
zwischen Sambesi und Linjanti (Kwando) liegende 
Gebiet durchforscht hat, galt dem Besuche des 
einflußreichen Indunas Mamili. Durch ihn ließ 
er die in der Nähe seiner Werft sitzenden Dorf- 
schulzen zum Erscheinen auffordern. Auf diese 
Weise kam eine große politische Versammlung zu- 
stande, die auch von einem Teil der Dorfschulzen, 
welche nicht zu dem Induna-Bezirke Mamilis, 
sondern zu demjenigen Selukas gehörten, besucht 
wurde. In dieser Versammlung erklärte Haupt- 
mann Streitwolf den Eingeborenen, daß das 
Land nicht der Chartered Company, sondern den 
Deutschen unterstehe, und daß es daher nicht 
mehr weiter angehe, daß die Barotse-Häuptlinge 
bei den auf deutschem Gebiet sitzenden Stämmen 
eine Hüttensteuer erhöben, welche der Company 
zufließe. 
Die Versammlung zeigte volles Verständnis 
für die Anderung der politischen Lage. Mamili 
führte in seiner Erwiderungsrede aus, daß Letia- 
Sesheke, um seinem Befehl, das Land auf dem 
rechten Sambesi-Ufer zu räumen, den gehörigen 
Nachdruck zu geben, durch seine Leute das Gerücht 
hatte verbreiten lassen, daß die Deutschen mit 
größerer kriegerischer Macht im Anzuge seien, 
und daß, wenn er seinen Zweck dadurch auch 
nur unvollkommen erreicht habe, dennoch eine 
Folge der von ihm verbreiteten Gerüchte die ge- 
wesen sei, daß ein Teil der Werften über das 
südliche Linjanti-Ufer nach dem Betschuanaland 
geflohen sei. Sie sähen aber jetzt, daß die 
Deutschen ihnen den Frieden und das Gesetz 
bringen wollten, und freuten sich sehr darüber. 
Dann brachte Mamili seine Klagen über Letia 
vor und bat Hauptmann Streitwolf, er möge 
ihnen zur Wiedererlangung ihrer Rinder verhelfen 
und sie immer gut behandeln, da sie jetzt alle 
seine Kinder seien. 
Diese Rede gab Hauptmann Streitwolf will- 
kommenen Anlaß, den Versammelten wiederholt 
den friedlichen Zweck seiner Entsendung aus- 
einanderzusetzen und ihnen zu versprechen, daß 
die Deutschen ihnen helfen wollten, damit sie 
wieder in den Besitz ihres Viehes kämen. Seine 
Ausführungen gewannen ihm sichtlich sofort das 
Vertrauen der Eingeborenen und ermöglichten 
ihm die von ihm erstrebte glatte Ordnung der
	        
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