Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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saft, untersucht selbständig die Präparate und 
meldet dann das Resultat. Ich hatte Gelegen- 
heit, einer Untersuchung der Mannschaft eines 
auf dem oberen Kongo verkehrenden Staats- 
dampfers auf Schlafkrankheit beizuwohnen. Broden 
ist kein Anhänger gefärbter Präparate. Er unter- 
sucht alles in frischem Zustande. Dauerpräparate 
stellt er nach Laverau her, nicht nach Giemsa, 
da erstere sich in den Tropen besser in der Fär- 
bung halten sollen. Broden zeigte mir sehr 
interessante mikroskopische Präparate, z. B. Try- 
panosoma congolense bei Schafen und ein Blut- 
präparat vom Schaf mit zwei verschiedenartigen 
Trypanosomen, welche noch nicht bestimmt sind. 
Unter Führung Brodens besichtigte ich dann die 
Schlafkrankenniederlassung, denn auch in Leopold- 
ville hat man von einer Hospitalbehandlung bei 
diesen Kranken abgesehen. Diese Niederlassung 
besteht aus einer Reihe von Strohhütten und 
wird von etwa zweihundert Kranken bewohnt, 
die ihre Angehörigen mitnehmen können und hier 
verpflegt werden. Große Flächen um die Nieder- 
lassung sind freigeschlagen und mit Maniok und 
anderen Nährpflanzen für die Kranken angebaut. 
In einer Hütte stehen zwei bis drei Betten mit 
Moskitonetz. Die Abteilung für Tobsüchtige ist 
mit Palisaden umschlossen; einige dieser Kranken 
haben lang nachschleppende Ketten am Halse, da 
sie ständig entweichen und Unheil anrichten. Viele 
bieten ein Bild völligen Stumpfsinnes und totaler 
Verwahrlosung. Auch Sterbende sieht man vor 
den Hütten liegen. Ahnlich erschütternde Ein- 
drücke menschlichen Elendes habe ich nur noch 
1896 auf Hawaii, beim Besuche der Lepra-Nieder- 
lassung auf Malokai empfangen. Die ausgedehnte 
Niederlassung ist nicht umzäunt, das Betreten 
durch Weiße und Schwarze ohne Begleitung des 
Arztes streng verboten. Häufiges Entweichen der 
Kranken ist nicht selten; öfters werden Verbrechen 
von ihnen begangen, sie müssen dann mit Ketten- 
haft bestraft werden. Lebhafte Proteste der 
Kranken, oft wegen Kleinigkeiten, werden laut 
beim Besuche des Arztes oder der Aussicht- 
führenden — ähnlich wie in Lepraheimen, ein 
Zeichen dafür, daß selbst diese milde Haft von 
den Kranken schwer empfunden wird und daß die 
geistigen Funktionen dieser Unheilbaren nicht mehr 
intakt sind. Einige der Kranken bilden Aus- 
nahmen von ver großen Masse, die sich lediglich 
füttern und beherbergen läßt; sie verdienen Geld 
durch Bügeln, Waschen und dergleichen. 
Auch eine lepröse Schlafkranke befand sich in 
der Niederlassung. Lepra soll übrigens, soweit 
den Arzten bekannt, nicht so häufig vorkommen 
wie in Kamerun, immerhin kommt sie nach Broden 
häufiger vor, als man annimmt. Die Bekämpfung 
der Schlafkrankheit drängt jedoch im Kongostaate 
  
alle Rücksicht auf die kleiner scheinenden Leiden 
zurück. 
In Matadi hörte ich, daß mit jedem Dampfer 
schlafkranke Europäer nach Hause reisen. Wenn 
das auch übertrieben ist, so kommt doch allem 
Anschein nach die Schlafkrankheit nicht selten bei 
Weißen vor, was auch von Dr. Broden bestätigt 
wurde. Etwa 30 Weiße vom oberen Sangoa sind 
im Institut Pasteur in Paris in Behandlung. 
Dr. Broden führte mich dann noch in die 
Krankenhäuser für Schwarze. Sie liegen in der 
Nähe der Kongo-Schnellen in gut sanierter Gegend. 
Jeder Farbige hat ein Feldbett ohne Matratze, 
aber mit Moskitonetz. Allgemeiner Moskito= und 
Fliegenschutz war nicht vorhanden. Ein sehr 
hübscher, reinlicher und heller Operationssaal liegt 
neben den Krankenhäusern. 
Ein guter Weg führt von Kinshassa in 
13¾ Stunden nach Leopoldville. Am Sonntag, 
den 29. August, machte ich diese Tour zu Fuß, 
da an Sonn= und Feiertagen die Bahn zwischen 
Kinshassa und Leopoldville nicht verkehrt. Meine 
Absicht war, die dortigen Gemüsegärten und vor 
allem die Kamele anzusehen, die von Teneriffa 
hier eingeführt wurden. Es sind noch acht Stück 
vorhanden, die Erdtransporte ausführen und 
andere Lasten tragen. Nur zwei sind in gutem 
Ernährungszustand, die anderen sehr abgemagert. 
Dieser Versuch, Kamele im Kongostaate einzu- 
führen, scheint gescheitert zu sein. 
Am Sonntag Vormittag war in der Nähe 
des Bahnhofes von Leopoldville (in Gabema) ein 
großes Schwarzenfest. Befonders auffallend war 
die lärmende Betrunkenheit, auch unter den 
Weibern, trotz des Verbotes des Whisky= und 
Rumverkaufs. Die Farbigen pflegen sich meistens 
in Bier oder billigem Rotwein zu betrinken. In 
verschiedenen Teilen der Stadt sah ich betrunkene 
Gruppen Farbiger umherziehen. 
Wie die Glossina palpalis trotz aller Sa- 
nierungen ins Innere großer Niederlassungen 
eindringt, ersieht man daraus, daß mein Jaunde- 
junge in Leopoldville vor einer Faktorei gestochen 
wurde. 
Am 1. September kam der erwartete Dampfer 
„Kamerun“ der Gesellschaft Süd-Kamerun in 
Kinshassa an; er begann am 5. September die 
Reise flußaufwärts nach Molundu. Am 4. Sep- 
tember besuchte ich noch einmal die französischen 
Arzte Martin und Ringelbach, die ich am 
25. August bei meinem ersten Besuch des Institut- 
Pasteur in Brazzaville kennen gelernt hatte. 
Die „Kamerun“ ist ein kleiner, alter Dampfer 
von 15 Tonnen. Die Bemannung besteht aus 
25 Farbigen, sog. Bangallas; der einzige Ma- 
schinist stammt aus Sierra Leone. Da der 
Dampfer Holzfeuerung hat, aber ohne Einrich-
	        
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