Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Das Osthüstenfleber. 
Eine der verderblichsten Rinderseuchen ist das 
Sstküstenfieber; in seiner verheerenden Wirkung 
ist es für ganze Landstriche gefährlicher als die 
Rinderpest. Über 90 v. H. der ergriffenen Tiere 
gehen daran zugrunde. Ein Mittel, die Krank- 
heit zu heilen oder Rinder unempfänglich zu 
machen, ist noch nicht gefunden. Für unsere 
Schutzgebiete hat die Seuche große wirtschaft- 
liche Bedeutung. In Ostafrika ist sie endemisch; 
dort wird ein harter Kampf gegen sie gedührt. 
Bei ihrem Zuge nach dem Süden, namentlich 
seit dem Einbruch in die Kapkolonie, bedroht sie 
auch Südwestafrika. Es erscheint deshalb von 
erheblichem Wert, daß die Krankheit in Ursache 
und Art der Verbreitung von Züchtern und In- 
teressenten allgemein erkannt ist — muß doch ge- 
rade bei dieser Seuche der einzelne Viehbesitzer 
zu ihrer erfolgreichen Bekämpfung verständnisvoll 
eitragen. 
WVir veröffentlichen daher nachstehend die Über- 
letzung einer gemeinfaßlichen Darstellung, die der 
bekannte tierärztliche Forscher Dr. Theiler in 
Pretoria gegeben hat.“) 
Der Krankheitserreger. 
Das Ostküstenfieber ist eine Piroplasmosis, 
d. h.eine Krankheit, die durcheinen Blutkörper-Para- 
siten, das „kleine Piroplasma“ (P. parvum) 
verursacht wird. Außer diesem Parasiten in den 
Blutkörperchen fanden die ersten wissenschaftlichen 
orscher (Koch und seine Schule) in der Milz 
und den Lymphdrüsen erkrankter Tiere Gebilde, 
die sie Plasmakugeln oder Blaukörperchen nannten. 
ie vermuteten mit Recht, daß diese Plasma- 
geln, die man nur bei an Ostküstenfieber er- 
krankten Tieren findet, zu den als Küstenfieber- 
Ereger angesprochenen Piroplasmen in Blut in 
Beziehung ständen. Neuerdings hat Dr. Gonder 
aus Hamburg in dem G ts-Laboratori 
in Onderstepoort den Zusammenhang beider Er- 
einungen sicher nachgewiesen, nämlich, daß die 
Ulasmakugeln (auch Kochsche Kugeln genannt) 
m Lymphgefäßsystem und der Milz eine Ent- 
wicklungsperiode innerhalb der Lebenzgeschichte 
es Ostküstenfieber-Parasiten (Pioplasma parvum) 
reichtiger der zoologische Ntme Babesia 
Darva- — bilden. Das entspricht in gewissem 
  
  
  
  
vun., ranskaul department ol agriculture Farmers 
* etin Nr. 129: The prevention uand eradication of 
vernist korer= von Dr. A. Theiler. C. M. G. Go- 
4 cllment. Veterinary Bacteriologist und J. M. Christy, 
ühr## Prineipal Veterinn# Surgeon Trnunsvanl. Aus- 
Dr. iches Referat, fast wörtliche Übersetzung von 
e, Landwirtschaftlichem Sachverständigen 
oͤc Guradz 
eim Generalkonsulat in Kapstadt. 
  
Grade einer ähnlichen Erscheinung in der Ent- 
wicklung anderer Blut-Parasiten, besonders der 
Erreger des Malariafiebers (Plasmodium vivax) 
im Menschen. Die Blaukörperchen (Plasma- 
kugeln") sind für die Diagnose des Ostküstenfiebers 
von größtem praktischen Wert, da die bloße 
Gegenwart von Piroplasmen allein keine sichere 
Diagnose ermöglicht. Es gibt nämlich einen in 
der Regel ganz harmlosen Blutparasiten, Piro- 
Pplasma mutans, der morphologisch vom Piro- 
plasma parvum sehr schwer zu unterscheiden ist. 
Der Ausdruck Piroplasmosis ist wissenschaftlich 
nicht ganz korrekt, aber gebräuchlich. Das Piro- 
plasma, ein lebendes Wesen mit eigenartigem 
Entwicklungsgang, ist in jedem Falle der Erreger 
des Ostküstenfiebers. Es tritt in den tierischen 
Körper durch den Biß von Zecken ein, entwickelt 
sich im Lymphgefäßsystem und wird im Zustand 
der Reife dann in den Blutkörperchen dem Blut- 
strom zugeführt. Während das Piroplasma sich 
im Blute der Rinder befindet, nehmen Zecken, die 
an dembetreffenden Tiere saugen, den Infektionsstoff 
in sich auf. Die Zecken fallen, wenn sie sich mit 
Blut vollgesogen haben, zur Erde. Im Körper 
der Zecke setzt sich der Lebensgang des Piro- 
plasmas fort und es ist wahrscheinlich, daß analog 
den Entwicklungsvorgängen bei anderen Blut- 
parasiten hier die geschlechtliche Entwicklung vor 
sich geht und junge Parasiten gebildet werden, 
die dann wiederum durch den Biß der Zecke in 
das Lymphgefäßsystem eines anderen Tieres über- 
geführt werden. Ist dieses Tier ein Rind, so 
entwickeln sich die Piroplasmen weiter und nach 
der gewöhnlichen Inkubationszeit bricht die Krank- 
heit aus. # 
Inkubationszeit. 
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 
12 Tage und die Dauer der Krankheit 13 Tage; 
es kommen in Ausnahmefällen auch Inkubations= 
zeiten von 18 Tagen vor. Nur während der 
Krankheitszeit, nicht während der Inkubationszeit, 
nehmen Zecken, welche das Rind beißen, den 
Infektionsstoff auf. 
Krankheitsüberträger. 
Es ist natürlich von größtem praktischen Wert, 
zu wissen, welche Zeckenarten die Rolle des Ver- 
breiters des Ostküstenfiebers und zeitweiligen Gast- 
tieres für das Piroplasma spielen. Der Gouver= 
nements-Entomologist Launsbury in Kapstadt 
und der Gov. Sect. Bact. Dr. Theiler in Pre- 
toria haben festgestellt, daß die gewöhnliche blaue 
Zecke (Boophilus decoloratus), welche bekanntlich 
der Überträger des Piroplasma bigeminum, des 
)Sie sind erst nach Giemsafärbung blau.
	        
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