Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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scheint ihnen das gestattet gewesen zu sein, und 
mun betrachten sie es als ihr gutes Recht. Die 
chirurgische Tätigkeit des Arztes ist für die Leute 
eine Art Theater, in dem sie die Sensation finden, 
le ihrem einförmigen Leben sonst abgeht. Al- 
Fishü gedenke ich indessen diesen Brauch abzu- 
en 
Das wichtigste Heilmittel der Eingeborenen, 
gewissermaßen ein Universalmittel, ist die Massage. 
Diese wird sowohl trocken als in Verbindung mit 
Anreibung von Kokosöl angewandt. Sie wird 
ost stundenlang fortgesetzt, wobei sich die An- 
gehörigen des Patienten ablösen. Ich habe mich 
Havon überzeugen können, daß in einem Falle 
schwerster Lungenentzündung mit Atemnot die 
stundenlange Massage beider Brusthälften dem 
atienten Erleichterung zu verschaffen schien. 
enn die Massage auch oft — namentlich bei rheu- 
matischen Leiden, die hier ja meist die Ursache 
er Schmerzen sind, gegen die die Massage als 
eilmittel angewandt wird — als durchaus 
wweckmäßig anzusehen ist, so kann ihre kritiklose 
inwendung bei Schmerzen im Unterleibe doch 
die schlimmsten Folgen haben. Und zweifellos 
ist in einigen mir bekannten Fällen der Tod durch 
Massage eingetreten. Bei der nämlich nicht allzu 
leltenen Blinddarmentzündung, die namentlich bei 
rauen vorkommt und hier eine Folge der oft 
lagelangen willkürlichen Zurückhaltung des Stuhl- 
ganges ist, kann durch die Massage leicht ein 
Durchbruch des Abszesses durch den Wurmfortsatz 
zn die Bauchhöhle und damit tödliche Bauchfell- 
entzündung hervorgerufen werden. Auch zur 
Behandlung seelischer Leiden wird die Massage 
verwandt. Ist jemand traurig über den Verlust 
oder die Trennung von einem geliebten Wesen, 
so läßt er sich von einer alten Frau die Kehle 
S— 
  
mit einem Kräutersaft massieren. Die Kehle ist 
bei den Eingeborenen der Sitz der Freude und 
der Traurigkeit, was übrigens seine Parallele im 
deutschen Volkssprachgebrauch findet. 
Die Massage führt in der Marschall-Sprache 
den Namen: äangor, auch man. Gebräuchlicher 
ist in der vulgären Sprache die Bezeichnung: 
kabit, was ganz allgemein Einreibung heißt. 
Eine ebenso wichtige Rolle wie die Massage 
spielt in der Eingeborenenmedizin das Wasser. 
Fast bei jeder Krankheit wird ren ebuil, heißes 
Wasser, getrunken. Bei fieberhaften Krankheiten, 
Erkältungen, ist diese Medikation ganz zweckmäßig. 
Sie bewirkt oft das, was wir mit den modernsten 
Erzeugnissen der chemischen Industrie bezwecken, 
Schweißerzeugung, Resorption von Ergüssen, Stei- 
gerung der Urinsekretion. 
Wenn man bedenkt, daß — abgesehen von 
der durch die „Zivilisation“ bedingten „Syphili- 
sation“ — die hauptsächlichsten Krankheiten der 
Marshallaner eben solche klimatischer Natur, wie 
Rheumatismus und Erkältungskrankheiten, be- 
sonders der Luftorgane, sind, so entsprechen die 
von den Eingeborenen dagegen angewandten 
Methoden, Massage und Schwitzkuren, relativ 
auch unseren Anschauungen. 
Neben dem innerlichen Gebrauche von heißem 
Wasser wird solches auch äußerlich als Füllung 
von Wärmflaschen verwandt. Hier ist das thera- 
peutische Prinzip die Hitze und der Zweck die 
Erzeugung von Blutzufluß zur Haut, wie bei 
unserer modernen Heißluftbehandlung. In Er- 
mangelung von Flaschen werden Steine heiß ge- 
macht und um den Kranken herumgepackt. Diese 
Behandlungsmethode findet bei schweren fieber- 
haften Krankheiten Anwendung. 
Aus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten. 
Die Ugandabahn in den Betriebsjahren 1904 bls 1909. 
(Mit einer Skizze und einer Tafel.) 
Die Ugandabahn, die in einer Länge von 
"40 km Britisch-Ostafrika durchzieht und den 
Atoriasee mit dem Indischen Ozean verbindet, 
bietet in ihrer bisherigen Entwicklung, wie sie sich 
in den Berichten der Bahnverwaltung vom ersten 
normalen, durch Transporte für den Ausbau der 
einie nicht mehr sonderlich gestörten Betriebs- 
mhre 1904 bis zum letzten zur Zeit abgeschlossenen 
etriebsjahre 1909 darstellt, eine solche Fülle des 
nuregenden und Belehrenden, daß wir es uns 
nicht versagen möchten, das Hauptsächliche hier 
viederzugeben und zu würdigen. Zur Erzielung 
  
eines möglichst mühelosen und schnellen Überblicks 
über die Entwicklungsreihen wollen wir uns in 
weitem Maße des zeichnerischen Verfahrens be- 
dienen; den Schaubildern werden die Zahlen in 
einer Weise beigeschrieben, daß sie die Gewinnung 
des Gesamteindrucks, für die sie entbehrlich sind, 
nicht stören, aber zur Einzelprüfung, die ihrer 
nicht entraten kann, leicht aufzufinden sind. 
Die Betriebsjahre laufen wie unsere Rechnungs- 
jahre vom 1. April des einen bis zum 31. März 
des anderen Jahres. Die Ziffern der Jahres- 
berichte sind in deutsche Münzen, Maße und Ge- 
wichte umgerechnet worden, und zwar nach fol- 
gendem Schlüssel:
	        
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