Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Die Ausführungen fanden den Beifall des 
Parlaments und hatten die Reclamation Act zur 
Folge. Diese besagt, daß alle Mittel, die der 
Verkauf aus öffentlichem Land in den dreizehn 
Weststaaten und den drei Territorien bringt, einem 
Fonds zuzuführen sind, der zum Bau von Be- 
wässerungsanlagen verwendet werden muß. Die 
mit den Mitteln dieses Fonds neu gegründete 
Behörde erhielt den Namen Reelamation Service 
und bildete einen Teil der Geological Survey, 
von der sie später abgetrennt wurde. Sie besteht 
aus einem wissenschaftlichen Direktor, einem Ober- 
ingenieur und einer Anzahl geologischer und 
technischer Beamten. Ihre Aufgaben sind: wissen- 
schaftliche Erforschung und Messung der zum Ab- 
fluß gelangenden Wassermengen und der Grund- 
wasservorräte; Projektierung von Stauanlagen; 
Ausführung der Projekte. 
Die ersten Anlagen aus dem neuen Fonds 
wurden in Arizona, dem trockensten Teile des 
ganzen Landes, geschaffen und sind jetzt nahezu 
vollendet. Es sind dies der Lagunadamm bei 
Yuma und der Rooseveltdamm bei Phoenig. Ich 
hatte Gelegenheit, beide Anlagen zu besuchen. 
Die Gesetzgebung, betr. Bewässerungs- 
wirtschaft, hatte auch in Amerika mit der 
Schwierigkeit zu kämpfen, daß die Richter und 
Gesetzgeber einem Lande entstammten, das Wasser 
in Überfluß hat, und ihre Entscheidungen danach 
einrichteten. Man hat dann durch besondere Ge- 
setze für die trockenen Distrikte diesem Übelstande 
abzuhelfen gesucht, aber dadurch in der Regel 
nur die Materie kompliziert. 
Bei der Neugründung von Gemeinden, die 
ihre Felder bewässerten, haben sich natürlich 
Reibereien betreffs der Nutzung des Wassers er- 
geben. Wo aber schon längere Zeit stabilere 
Verhältnisse erreicht waren, wie in Utah, sind 
diese Reibungsflächen nahezu verschwunden und 
jedenfalls nicht häufiger, als Streitigkeiten des 
übrigen bürgerlichen Rechts. 
Der erste Grundsatz juristischer Entscheidungen 
muß davon ausgehen, daß das Wasser Allge- 
meingut ist, das der einzelne zur Nutzung ver- 
wenden kann. Alles Recht am Wasser ist nach 
diesem Grundsatz auf tatsächliche Nutzung be- 
schränkt; es darf also niemand mehr Wasser be- 
anspruchen, als er wirklich gebraucht. 
Ein prinzipieller Gegensatz zwischen arider 
und humider Region besteht darin, daß in der 
humiden Region (3. B. England) das Wasser in 
den natürlichen Wasserläufen ohne Verminderung 
oder Störung seitens der Anlieger zu verbleiben 
hat. Dieser Grundsatz entspricht den Lebens- 
bedingungen einer ariden Region durchaus nicht. 
Hier ist kein Ackerbau möglich, ohne daß Wasser 
den Flußläufen entnommen wird. 
  
Das Wasserrecht humider Regionen muß also“ 
notgedrungen modifiziert werden insofern, als dem 
Anlieger oder Besitzer des Wasserlaufs die Ent- 
nahme von Wasser zu Bewässerungszwecken ge- 
stattet wird. Dabei ist es gleichgültig, ob der 
Wasserlauf ständig oder zeitweilig Wasser führt 
oder ob die Entnahme aus dem Grundwasser- 
strom erfolgt. 
Dem einzelnen oder einer juristischen Person 
kann das Land, das der Wasserlauf durchfließt, 
oder die Vorrichtung, um Wasser zu leiten, ge- 
hören, das Wasser selbst gehört ihnen aber nicht. 
In den trockenen Gebieten des Westens, wo alles 
Land ursprünglich den United States gehörte und 
wo heute von diesem Lande Teile verkauft sind, 
ist Grundsatz, daß das Wasser als integrierender 
Teil des ursprünglichen Landeigentums auch jetzt 
noch der Regierung gehört. 
Gewöhnlich hat man die Nutzung am Wasser 
nach der Reihenfolge, in der die Entnahme zuerst 
stattfand, geregelt, also nach der Priorität. Theo“ 
retisch ist dies einfach und gerecht, in praxi aber 
schwer durchzuführen. Ein allzu starres Fest= 
halten an der Priorität verleitet auch leicht zur 
Verschwendung von Wasser durch die ersten Ent- 
nehmer. An anderen Orten ist man nach dem 
entgegengesetzten Grundsatz verfahren und hat 
das vorhandene Wasser in gleichen Mengen oder 
proportionell dem Grundbesitz verteilt. 
Gewöhnlich werden in der Praxis beide 
Grundsätze angewandt; so verteilt in Utah eine 
Gruppe von Farmern, die vor 1870 bewässertem 
unter sich das Wasser entsprechend dem Grund- 
besitz, eine andere Gruppe, die nach 1870 be- 
wässerte, gebraucht den Rest in gleicher Weise- 
Die Tendenz der Entwicklung geht dahin, da 
bei zunehmender Besiedlung des Landes die 
strenge Beobachtung der Priorität zugunsten einet 
gleichmäßigen Verteilung fallen gelassen wird. 
Weiter erhebt sich die Frage: Gehört die 
Wassernutzung untrennbar zu dem Land oder 
nicht? Die Praxis der Gerichte geht dahin, daß 
die Nutzung des Wassers ein selbständiges Recht 
ist und nicht untrennbar mit dem Grundeigentu 
zusammenhängt, so daß, falls das ursprünglich- 
Grundstück weggewaschen oder (3. B. durch Allal 
oder Versumpfung) unbrauchbar geworden #i## 
der Inhaber berechtigt ist, mit dem gleich- 
Quantum Wasser ein anderes Stück Land rl 
bewässern. 
Schwierig wird die Frage, wenn eine juristiche 
Person (Kanalgenossenschaft) das Wasser an 4 
einzelnen Personen abgibt. Hier muß das Reckz 
Wasser zu stauen, es in Kanäle zu leiten und-# 
einzelne Personen gegen Entgelt abzugeben, veg 
dem Anspruch, den der einzelne auf Nutzung b#, 
zur Berieselung erforderlichen Wassers hat, ge
	        
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