Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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gleitkommandos, die mit ihren Weibern und Boys 
eine noch höhere Kopfzahl erreichten, erhielten 
täglich das zuständige Verpflegungsgeld (Poscho) 
in Perlen (ushanga) verabfolgt, der einzigen in 
Nord-Ruanda gängigen Münze. Die Einge- 
borenen kamen zu den Lagerplätzen der Expedition 
und verkauften die gebrachten Lebensmittel, 
Bohnen, Erbsen, auch Bananen und Brennholz, 
zuweilen Schafe, Ziegen und Hühner gegen Perlen 
und weißes Tuch (americano). Trotz der noch 
billigen landesüblichen Preise hatten die Ein- 
geborenen bei dem erheblichen Umsatz einen guten 
Verdienst. Die Träger der englischen Expedition 
wurden in kostspieliger Weise aus Magazinen 
verpflegt, die durch Nachschub aus Ankole gefüllt 
wurden. Hierbei war die Möglichkeit, mit den 
Eingeborenen beruhigend wirkende Handelsbe- 
ziehungen anzuknüpfen, auf ein Minimum redu- 
ziert. Gegen Schluß der Grenzarbeiten flüchtete 
die Sultanin Mumusa, eine Mhima, die einst das 
Wahntu-Gebiet in der Grenzzone und einen Teil 
von Mpororo beherrscht hatte und wegen ver- 
schiedener Gewalttätigkeiten von der deutschen 
Verwaltung nach Bukoba deportiert worden war, 
aus Bukoba und begab sich in den nördlich der 
neuen Grenze in Rukigga liegenden Teil ihres 
ehemaligen Landes. Ihr großer Einfluß auf die 
Wahutu zeigte sich bald. In großen Horden 
wanderten die Wahutu nach ihrem versteckten, 
öfters gewechselten Wohnsitz, um ihr zu huldigen. 
Es begann in den Bergen zu gären, und tage- 
lang waren die Täler vom wüsten Geschrei der 
anfgeregten Eingeborenen erfüllt. Feindseligkeiten 
gegen die Leute beider Expeditionen begannen 
und nahmen zu, als die englische Verwaltung 
versuchte, der Mumusa habhaft zu werden. Vor- 
übergehend war die Situation ernst. Am 29. Sep- 
tember mußte die in den Bergen arbeitende 
deutsch-englische Abteilung (Major Schlobach, 
Unteroffizier Schlimme, Captain Prittie) die 
im Tale befindliche Wasserstelle gegen die mit 
Schild, Speer, Pfeil und Bogen attackierenden 
Rukigga-Leute verteidigen. Wider Erwarten ge- 
lang es den Engländern, der Mumusa habhaft 
zu werden, worauf sofort Ruhe eintrat. Die 
Anhänger der Sultanin planten hierauf eine 
Aktion größeren Stils, um sie aus Kigezi, am 
Bugiani-See (Ngezi-See), wohin sie von den 
Engländern gebracht worden war, zu befreien. 
Dies wurde rechtzeitig bekannt und vereitelt 
durch schleunigen Transport der Mumusa nach 
dem weiter nördlich gelegenen Mbarara. Hier- 
auf konnten die Arbeiten der gemischten Grenz- 
kommission ungestört zu Ende geführt werden. 
Die vertragsmäßige Grenzlinie ist durch 
38 Hauptpfeiler und 46 Nebenpfeiler vermarkt 
worden. Alle Pfeiler sind mit Ausnahme von 
  
1 Hauptpfeiler und 4 Nebenpfeilern aus Stein 
hergestellt und im Zentrum der Basis und auf 
der Außenseite mit Zementnummern versehen. 
Geologisch ist das Gebiet der Grenzzone nicht 
besonders interessant. Es handelt sich um Granite, 
Quarzite und Gneise, die aber selten in kompakten 
Formationen zutage treten. Stellenweise herrscht 
großer Steinmangel, und die Arbeiter hatten 
äußerst anstrengende Transporte auszuführen, 
um das für den Pfeilerbau erforderliche Stein- 
material herbeizuschaffen. 
Bezüglich der Flora sind die für die feuchten 
Talniederungen charakteristischen Papyrusbestände 
zu erwähnen, die ein vorzügliches Material zur 
Herstellung von Ubergängen über stehende und 
fließende Gewässer liefern. 
Neuerdings werden angeblich Briketts aus 
dem Papyrus fabriziert und bei der Dampfschiff- 
fahrt auf dem Nil als Heizmaterial verwendet. 
Der Mangel an Bau= und Brennholz ist in 
Nord-Ruanda infolge der Bevölkerungsdichtigkeit 
und der ausgebreiteten Bodenkultur groß. Nur 
auf den Gipfeln einzelner Berge finden sich noch 
Bäume, einzeln und in Gruppen, die als Geister- 
bäume bzw. als ehemalige Wohnsitze der Herrscher 
auf deren Befehl bei Todesstrafe heilig gehalten 
und so vor Aernichtung bewahrt werden. 
Einzelne Teile von Mpororo sind sogar völlig 
baumlos. 
Die Höhenlage des Landes (2000 bis 2500 m), 
die bedeutende Luftfeuchtigkeit und die fast über 
das ganze Jahr gleichmäßig verteilten Nieder- 
schläge lassen die mit dem geringen Vorhanden- 
sein an Baumbeständen verbundenen nachteiligen 
Folgen weniger zur Geltung kommen, als es 
z. B. im Muansa-Bezirk östlich vom Viktoria-See 
der Fall ist, wo bald durch Aufforstung wird 
vorgebeugt werden müssen. 
Das Klima ist als gesund zu bezeichnen. 
Im Gegensatz zu der oft hohen Temperatur 
im sonnigen Klima des tiefer gelegenen Kiwu- 
Seegebietes (1500 m), kommt im Gebirge östlich 
davon die Sonne wenig zur Geltung. Der 
Himmel ist meist bewölkt, das Klima ist rauh, 
und der Europäer braucht hier warme Kleidung, 
ja, nachts 3 bis 4 wollene Decken. Morgens 
fand sich in einigen Tälern der Wugamba-Kette 
Eis und Reif. Die Täler sind morgens mit 
Nebel gefüllt. Vom Juni an war die vorher 
sehr klare Luft mit dichtem Dunst geschwängert. 
Dieser Zustand dauerte bis Ende September und 
erschwerte die Arbeit sehr. 
Die Europäer beider Expeditionen erfreuten 
sich ständig trotz der bedeutenden Strapazen, 
einer guten Gesundheit. Die Vorbedingungen 
für europäische Besiedlung sind gegeben, ob aber 
das Land für eine solche im größeren Stile in 
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