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gleitkommandos, die mit ihren Weibern und Boys
eine noch höhere Kopfzahl erreichten, erhielten
täglich das zuständige Verpflegungsgeld (Poscho)
in Perlen (ushanga) verabfolgt, der einzigen in
Nord-Ruanda gängigen Münze. Die Einge-
borenen kamen zu den Lagerplätzen der Expedition
und verkauften die gebrachten Lebensmittel,
Bohnen, Erbsen, auch Bananen und Brennholz,
zuweilen Schafe, Ziegen und Hühner gegen Perlen
und weißes Tuch (americano). Trotz der noch
billigen landesüblichen Preise hatten die Ein-
geborenen bei dem erheblichen Umsatz einen guten
Verdienst. Die Träger der englischen Expedition
wurden in kostspieliger Weise aus Magazinen
verpflegt, die durch Nachschub aus Ankole gefüllt
wurden. Hierbei war die Möglichkeit, mit den
Eingeborenen beruhigend wirkende Handelsbe-
ziehungen anzuknüpfen, auf ein Minimum redu-
ziert. Gegen Schluß der Grenzarbeiten flüchtete
die Sultanin Mumusa, eine Mhima, die einst das
Wahntu-Gebiet in der Grenzzone und einen Teil
von Mpororo beherrscht hatte und wegen ver-
schiedener Gewalttätigkeiten von der deutschen
Verwaltung nach Bukoba deportiert worden war,
aus Bukoba und begab sich in den nördlich der
neuen Grenze in Rukigga liegenden Teil ihres
ehemaligen Landes. Ihr großer Einfluß auf die
Wahutu zeigte sich bald. In großen Horden
wanderten die Wahutu nach ihrem versteckten,
öfters gewechselten Wohnsitz, um ihr zu huldigen.
Es begann in den Bergen zu gären, und tage-
lang waren die Täler vom wüsten Geschrei der
anfgeregten Eingeborenen erfüllt. Feindseligkeiten
gegen die Leute beider Expeditionen begannen
und nahmen zu, als die englische Verwaltung
versuchte, der Mumusa habhaft zu werden. Vor-
übergehend war die Situation ernst. Am 29. Sep-
tember mußte die in den Bergen arbeitende
deutsch-englische Abteilung (Major Schlobach,
Unteroffizier Schlimme, Captain Prittie) die
im Tale befindliche Wasserstelle gegen die mit
Schild, Speer, Pfeil und Bogen attackierenden
Rukigga-Leute verteidigen. Wider Erwarten ge-
lang es den Engländern, der Mumusa habhaft
zu werden, worauf sofort Ruhe eintrat. Die
Anhänger der Sultanin planten hierauf eine
Aktion größeren Stils, um sie aus Kigezi, am
Bugiani-See (Ngezi-See), wohin sie von den
Engländern gebracht worden war, zu befreien.
Dies wurde rechtzeitig bekannt und vereitelt
durch schleunigen Transport der Mumusa nach
dem weiter nördlich gelegenen Mbarara. Hier-
auf konnten die Arbeiten der gemischten Grenz-
kommission ungestört zu Ende geführt werden.
Die vertragsmäßige Grenzlinie ist durch
38 Hauptpfeiler und 46 Nebenpfeiler vermarkt
worden. Alle Pfeiler sind mit Ausnahme von
1 Hauptpfeiler und 4 Nebenpfeilern aus Stein
hergestellt und im Zentrum der Basis und auf
der Außenseite mit Zementnummern versehen.
Geologisch ist das Gebiet der Grenzzone nicht
besonders interessant. Es handelt sich um Granite,
Quarzite und Gneise, die aber selten in kompakten
Formationen zutage treten. Stellenweise herrscht
großer Steinmangel, und die Arbeiter hatten
äußerst anstrengende Transporte auszuführen,
um das für den Pfeilerbau erforderliche Stein-
material herbeizuschaffen.
Bezüglich der Flora sind die für die feuchten
Talniederungen charakteristischen Papyrusbestände
zu erwähnen, die ein vorzügliches Material zur
Herstellung von Ubergängen über stehende und
fließende Gewässer liefern.
Neuerdings werden angeblich Briketts aus
dem Papyrus fabriziert und bei der Dampfschiff-
fahrt auf dem Nil als Heizmaterial verwendet.
Der Mangel an Bau= und Brennholz ist in
Nord-Ruanda infolge der Bevölkerungsdichtigkeit
und der ausgebreiteten Bodenkultur groß. Nur
auf den Gipfeln einzelner Berge finden sich noch
Bäume, einzeln und in Gruppen, die als Geister-
bäume bzw. als ehemalige Wohnsitze der Herrscher
auf deren Befehl bei Todesstrafe heilig gehalten
und so vor Aernichtung bewahrt werden.
Einzelne Teile von Mpororo sind sogar völlig
baumlos.
Die Höhenlage des Landes (2000 bis 2500 m),
die bedeutende Luftfeuchtigkeit und die fast über
das ganze Jahr gleichmäßig verteilten Nieder-
schläge lassen die mit dem geringen Vorhanden-
sein an Baumbeständen verbundenen nachteiligen
Folgen weniger zur Geltung kommen, als es
z. B. im Muansa-Bezirk östlich vom Viktoria-See
der Fall ist, wo bald durch Aufforstung wird
vorgebeugt werden müssen.
Das Klima ist als gesund zu bezeichnen.
Im Gegensatz zu der oft hohen Temperatur
im sonnigen Klima des tiefer gelegenen Kiwu-
Seegebietes (1500 m), kommt im Gebirge östlich
davon die Sonne wenig zur Geltung. Der
Himmel ist meist bewölkt, das Klima ist rauh,
und der Europäer braucht hier warme Kleidung,
ja, nachts 3 bis 4 wollene Decken. Morgens
fand sich in einigen Tälern der Wugamba-Kette
Eis und Reif. Die Täler sind morgens mit
Nebel gefüllt. Vom Juni an war die vorher
sehr klare Luft mit dichtem Dunst geschwängert.
Dieser Zustand dauerte bis Ende September und
erschwerte die Arbeit sehr.
Die Europäer beider Expeditionen erfreuten
sich ständig trotz der bedeutenden Strapazen,
einer guten Gesundheit. Die Vorbedingungen
für europäische Besiedlung sind gegeben, ob aber
das Land für eine solche im größeren Stile in
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