Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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auch nicht genügend, wenn überhaupt, gedüngt 
zu werden. Infolge des Holzmangels wird 
nämlich der (Kuh-) Dünger in den meisten Fällen 
als Brennmaterial benutzt und so dem Lande 
entzogen. 
Die Baumwollpreise waren im Jahre 
1910/11 anormal hoch. „Fine Broach“ wurde 
beispielsweise Anfang Januar 1910 in Liverpool 
mit 7⅝ d gegen 4/ d um die gleiche Zeit des 
Vorjahres quotiert, also nicht viel billiger als 
„Middling American“, welche zur nämlichen Zeit 
mit 8,05 d notiert wurde. Zwar muß gleich- 
zeitig bemerkt werden, daß die Durchschnittspreise 
für das ganze Jahr 1910/11 sich von 6,7 annas 
pro lb Good Broach in Bombay zu 7,96 d für 
Middling Upland in Liverpool verglichen. Immer- 
hin nur ein verhältnismäßig kleiner Unterschied 
gegen ehedem. 
Die Ausfuhr stellte sich während der letzten 
drei Jahre folgendermaßen: 1908/09: 1903440 
Ballen im Werte von 266 874750 .77, 1909/10: 
2 496 456 Ballen im Werte von 422 240 000% 
und 1910/11: 2716 200 Ballen im Werte von 
473 886 450 .7. 
Hiervon wurden in 1000 Ballen verladen nach: 
Deutschland Belgien England JZtalien Japan 
1908/09 330 254 100 238 624 
1909/10 375 299 144 262 918 
1910/11 388. 302 162 299 758. 
Deutschland zahlte für seine Abnahmen in 
direkter Verschiffung in diesem Jahre die be- 
deutende Summe von annähernd 72 Millionen 
Mark gegen 55 im Vorjahre. Dieser Betrag 
dürfte in Wirklichkeit selbst noch bedeutend höher 
sein, denn manche Verschiffung, die nach Belgien 
(Antwerpen) verladen wird, dürfte wohl end- 
gültig in den nordwestdeutschen Industriebezirken 
ihre Verarbeitung finden. 
Wie bereits angedeutet, wird die Ausfuhr von 
Baumwolle vornehmlich über Bombay geleitet. 
Die Bedeutung dieses Hafens in dieser Beziehung 
läßt sich aus der folgenden Aufstellung, die die 
ungefähren, zur Ausfuhr gelangten Quantitäten 
wiedergibt, erkennen: Es wurden verladen (Ballen 
zu 400 lbs): von Bombay 1732 900, Madras 
272 200, Karachi 269 500, Calcutta 71 800, 
Rangoon 16 900. 
Die Ernte, welche von der Aussaat des 
Herbstes 1910 hereinkommen wird, wurde im 
Februar 1911 bei einem Areal von annähernd 
22 Millionen Acres auf ungefähr 4 385 000 
Ballen geschätzt, die jedoch erst im Rechnungsjahre 
1911/12 für den Ausfuhrhandel greifbar sein 
werden. 
(Aus einem Berichte des Handelssachverständigen 
bei dem Kaiserl. Generalkonsulat in Caleutta.) 
  
Tientsiner Baumwolle. 
In früheren Jahren wurde in Tientsin Baumwolle 
nur in geringen Mengen gehandelt. Das starke Steigen 
der amerikanischen Baumwollpreise Ende 1908 lenkte 
dann das Interesse in höherem Maße anderen Baum- 
wollbe zugsquellen zu. Auf dem chinesischen Markte 
waren derzeit Schanghai und Hankau die Haupt- 
lieferanten. Die dortige Ware, soweit sie nicht von 
Schanghaier Spinnereien konsumiert wurde, ging aber 
größtenteils nach Japan. Ihre Preislage war außer- 
dem für den Export im allgemeinen zu hoch, um so mehr 
als sich die Qualität andauernd verschlechterte. Allein 
der Wassergehalt stieg auf durchschnittlich 20 bis 25 v. H. 
Demgegenüber hatte sich in Tientsin die Qualität 
allmählich im ganzen gebessert. Die Baumwolle wurde 
von den Bauern besser gepflegt und mit Maschinen 
japanischen Modells besser als früher gereinigt. Das 
sich nach dort wendende Interesse begegnete 1909 gerade 
einer ausnehmend reichen und guten Ernte, welche die 
Hauptvorzüge des Tientsiner Produkts, geringen Wasser- 
gehalt, weiße Farbe und gleichmäßigen Ausfall, be- 
sonders hervortreten ließ. Damit war der Ware eine 
gute Aufnahme gesichert, nachdem sich besonders die 
Spinnereien zu Hause auch auf die Verarbeitung eines 
kurzstapeligen Produkts eingerichtet hatten. Die Aus- 
fuhr nahm einen rapiden Aufschwung, wiec die nach- 
stehenden Zahlen zeigen: 
1905 1906 1907 1908 190909 1910 
Pikuls 11640 10634 7933 3824 25128 125246 
Taels 189 887 212680 150 727 68832 439 740 2849346 
Die in Tientsin gehandelte Baumwolle kommt 
vornehmlich aus der Gegend von Paoting und Chengting 
(Südwest-Chihli) bis nach der Grenze von Honan hin. 
Ein weiteres Produktionsgebiet ist die Gegend von 
Töchon und Lienchen an der Tientsin — Pukow-Bahn 
nahe der Schantung—Chihli-Grenze gelegen. Im Ver- 
gleich zu der Paotingwarc ist die dort gezogene Baum- 
wolle besser in der Farbe sowie weicher und seidiger. 
Ein bedeutend kleineres Produktionsgebiet, und erst im 
Jahre 1911 für den Erport hervorgetreten, ist die 
Gegend von Tongshan. Diec dortige Baumwolle wird 
scheinbar in der Pflanze sehr gut behandelt, ist von 
sehr schöner weißer Farbe, seidigem „touch"“ und Aus- 
sehen, sowie lüngerem, aber etwas „mosigem“ Stapel. 
Die Baumwolle wird aus einheimischen Samen 
gezogen. Die in der Techou-Gegend, wie überhaupt 
in der Schantung-Provinz gemachten Versuche mit 
amerikanischer Saat haben sich nicht bewährt. Die 
amerikanische Pflanze verliert durch Akklimatisierung 
schon nach wenigen Saisons ihre charakteristischen 
Eigenschaften, besonders ihren langen Stapel. 
Sehr förderlich sind dem Erport die für die Pro- 
duktionsgebiete günstigen Eisenbahnverbindungen ge- 
wesen. Hervorzuheben ist besonders die Tientsin— 
Pukow-Bahn, die dem bisherigen Wasserverkehr auf 
dem Kaiserkanal einen nennenswerten Teil der Baum- 
wolltrausporte bereits entzogen hat. Der Wettbewerb 
von Tsingtau ist für den Handel Tsientsins noch 
wenig fühlbar gewesen, wenn auch die Bahnverbindung 
an sich einen solchen Wettbewerb nur natürlich er- 
scheinen ließe. Tsingtau bleibt aber zunächst noch da- 
durch benachteiligt, daß dort keine Pressen eristieren 
und deshalb die höheren Frachten nach Schau#hal ins 
Gewicht fallen. 
Von der Tientsiner Produktion wird ein ver- 
hältnismäßig geringer Teil im Großbetriebe ver- 
arbeitet. Die einzige Fabrik der nördlichen Provinzen 
ist die Kmang yih-Spinnerei in Chang # fu (Honan). 
Sie arbeitet mit einem nominellen Kapital von
	        
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