Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Dresden, Berlin — Potsdam, Braunschweig— 
Wolfenbüttel; — in unseren Kolonien wachsen die 
Bahnen vom Meer ins Land. 
Zziele. 
Wir werden uns heute fast ausschließlich 
ma den Bahnen der ersten Art, den Kolonial- 
bahnen im engeren Sinne des Wortes, befassen. 
Die Linien in unseren Kolonien sind — 
vielleicht mit einer Ausnahme — noch durchweg 
lolche ersten Bahnen mit dem Hauptzweck, ein 
bestimmtes Gebiet verkehrstechnisch an den Ozean, 
an die Heimat, an den Weltmarkt heranzubringen. 
Dos gilt unbeschadet aller Nebenwirkungen der 
Bahnen, 3.B. solcher auf den Binnenverkehr. Das 
ist der Aare Sinn der Usambara= und der Tangan- 
silabahn in Ostafrika, der Palime= und der Atak- 
bamebahn in Togo, der Soppo-, der Manenguba- 
und der Niongbahn in Kamerun, der Otavi-, der 
Vindhuk= und der Lüderitzbahn in Südwestafrika. 
Tuch in dem weniger durchsichtigen Fall der 
Küstenbahn in Togo herrscht dieses Ziel vor: sie 
bindet den Osten Südtogos an die Landungs- 
brücke und erspart ihm den verlustreichen und 
lestungsschwachen Weg durch die Brandung in 
Anecho. Selbst für die Nordsüdbahn Windhuk—. 
Leetmanshoop ist es wichtige Aufgabe, ihrem 
Durchzugsgebiet eine auf Ausfuhr gestellte Wirt- 
schat zu ermöglichen. Immerhin ist es diese 
Linie, an die ich dachte, als ich eben von einer 
möglichen Ausnahme sprach: den Hauptanlaß 
wenigstens zu ihrem Bau hat das Bedürfnis 
hegeben, den Norden mit dem Süden des Landes 
poltiish, strategisch und wirtschaftlich zusammenzu- 
schwweißen, Bedürfnis und Aufgabe, wie sie 
häusiger erst ein späterer Stand der Entwicklung 
in den Vordergrund schieben wird. Als Regel 
duren wir noch auf lange hinaus für den Bahn- 
bau in unseren Kolonien die Absicht bezeichnen, 
mn erster Linie dem Hinterlande den Weltmarkt 
z erschließen. Daran ändert die Tatsache nichts, 
t die meisten dieser Bahnen auch große po- 
ische und strategische Bedeutung haben, Be- 
deutung für die Berwaltung und Beherrschung 
bes Landes; sind beide doch nur Mittel zum 
der weltwirtschaftlichen Erschließung. 
Um die Jahrhundertwende waren selbst nam- 
bofte deutsche Kolonialfreunde im Zweifel, ob die 
dn die ihr zugedachte Rolle für alle Teile 
unserer Kolonien Übernehmen könne, ob nicht 
venigstens die küstenfernsten Landstriche ewigem 
Schlase verfallen seien. Inzwischen hat die 
teonnbebah den Beweis erbracht, daß sie auch 
# heringwertigen Bodenerzeugnisse der Länder 
Kra Umkreise um den Viktoriasee zu einer 
— nach Mombassa befördern kann, die 
Versender trotz ansehnlicher Vorfracht der 
  
Zubringerwege noch genügenden Nutzen läßt 
Seitdem sind jene Bedenken wohl verschwunden 
Allen nicht ganz ärmlichen und öden Gebieten 
unserer Kolonien kann die Bahn der Weg zum 
Weltmarkt werden, weil sie zehn= bis zwanzigmal 
billiger befördern kann als der Lastträger oder 
der Ochsenwagen. 
Allerdings muß die Kolonialbahn in den 
meisten Fällen anders rechnen, als kauf- 
männische Unternehmungen zu tun gewohnt 
sind. Der unmittelbare Verdienst pflegt auf lange 
hinaus nicht groß zu sein; in der Regel vergehen 
Jahre und Jahre, ehe die Bahn den Verkehr 
so weit geweckt hat, daß die Betriebsflerschüsse 
die Zinsen des Anlagekapitals decken. Von allen 
unseren Kolonialbahnen macht sich in diesem 
Sinne zur Zeit nur die Otavibahn bezahlt. Die 
anderen Linien bringen 2 v. H. Jahresrente und 
weniger. Es ist der volkswirtschaftliche Nutzen, 
der den Bahnbau rechtfertigt, der Nutzen, wie er 
sich in der Hebung von Handel und Wandel, 
von Steuer und Zoll, von Beherrschungs= und 
Verwaltungsmöglichkeit ausdrückt. Darum ist in 
den Kolonien noch mehr als in den Altländern 
der Staat der Regel nach der natürliche Bau- 
herr; nur für ihn steht der volkswirtschaftliche 
Nutzen an erster Stelle, nur er kann sich nötigen 
Falles mit ihm begnügen. 
Angesichts dieser Tatsachen ist auch für die 
koloniale Verkehrspolitik der Gedanke, fremde 
Bahnen in ihrem Besitzstande anzugreifen, ihnen 
durch den Ban eigener Linien die verkehrs- 
technische Bedienung unserer Gebiete zu unter- 
binden, beim heutigen Stande der Dinge 
im allgemeinen so unfruchtbar. Man hat z. B. 
gefordert, die Usambarabahn müsse bis an den 
Viktoriasee verlängert werden, nicht, weil man 
sich von dem zu durchziehenden Gebiet viel ver- 
spricht — es gehört zu den weniger aussichts- 
reichen Landesteilen —, sondern um die Uganda- 
bahn aus der Beherrschung der Nordwestecke unserer 
ostafrikanischen Kolonie zu verdrängen. Wir 
sollten aber bedenken, daß wir heute die volks- 
wirtschaftlichen Vorteile, die uns die eigene Bahn 
bringen könnte, im wesentlichen schon mit Hilfe 
der Ugandabahn genießen, ohne an deren privat- 
wirtschaftlicher Last mitzutragen, die jetzt un- 
gefähr noch jährlich 2¼ Millionen Mark größer 
sein mag als der Betriebsüberschuß. Wenn 
zwei Bahnen zum Viktoriasee liefen, so würde 
jede für längere Zeit wohl höchstens 1 v. H. Jahres- 
rente erzielen; die Ugandabahn bringt selbst in 
ihrer heutigen Sonderstellung weniger als 2 v.H. 
Der Verzicht auf die Befehdung der Uganda- 
bahn erspart uns mithin ungefähr jährlich 3 v. H. 
des für die eigene Biktoriabahn nötigen Bau- 
geldes, Summen, die wir heute noch besser für
	        
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