Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Durch die Krümmung konn die Lokomotive 
weniger Last ziehen als über die gleich stark ge- 
neigte gerade Strecke, um so weniger, je stärker 
die Krümmung ist. Sie verursacht Mehrarbeit. 
Daraus folgt: in gekrümmten Strecken dürfen 
wir nicht ganz bis an die für die Gerade ge- 
wählte maßgebende Neigung hinangehen, sondern 
müssen, um an zulässiger Berkehrslast nichts zu 
verlieren, etwas darunter bleiben; um so mehr, je 
schärfer die Krümmung. Auf die sonstige Be- 
deutung der Krümmungen komme ich später zurück. 
Aus dem bisher Gesagten dürfen wir nun 
nicht etwa den Schluß ziehen, daß die Linie der 
tleinsten maßgebenden Neigung und der wenigsten 
verlorenen Gefälle stets die beste sei. Die Be- 
triebsvorteile, die diese Eigenschaften bieten, müssen 
in der Regel durch den Betriebsnachteil der Mehr- 
längen oder durch den Baunachteil der größeren 
Erdaufschüttungen und Erdabtragungen erkauft 
und können durch sie aufgewogen, ja übertroffen 
werden. In weiteren Kreisen bekannt geworden 
ist ein Beispiel von der Nordsüdbahn in Süd- 
westafrika. Es kam in Frage, die Bahn ent- 
weder von Windhuk aus über das Auasgebirge 
stracks nach Süden zu führen oder aber sie schon 
ungefähr bei Okasise an die vorhandene Bahn 
Swakopmund—Windhuk anzusetzen und im weiten 
Bogen östlich um die Onguati= und die Auas- 
berge herum zu lenken. Die mehrere hundert 
Meter betragenden verlorenen Gefälle, die auf 
der kürzeren Linie in dem Abstieg vom Auas- 
paß bis Okahandja lagen, wären fast ganz 
vermieden und die maßgebende Neigung ver- 
mindert worden. Aber der Durchgangsverkehr 
hätte einen so großen Umweg erhalten, daß kein 
Betriebsvorteil blieb. Ein anderes Beispiel: eine 
bestimmte Abflachung der maßgebenden Neigung 
möge die Beförderung jeder Wagenladung über 
die Linie um 1 verbilligen und im Bau 
100 000 . kosten. Ich werde die 100 000.## 
nur aufwenden, wenn mir die Verbilligung des 
Betriebs wenigstens die Zinsen deckt, d. h. •t5 
lich wenigstens 4000 .K ausmacht. Das ist 
Fall, wenn wenigstens jährlich 4000 ugerr 
ladungen über die Strecke rollen. Ich muß bei 
der Wahl der maßgebenden Neigung und ebenso 
bei der Entscheldung über ein verlorenes Gefälle 
die Größe des voraussichtlichen Berkehrs mit in 
Rechnung ziehen. Wir erinnern uns: je geringer 
die Ausnutzung, desto bescheidener die Anlagel 
Daraus erhellt auch, daß wir auf den küsten- 
nahen Abschnitten unserer Kolonialbahnen, wo, 
wie wir sahen, die stärkste Berkehrsbelastung zu 
erwarten ist, mehr für die Abslachung der mäß- 
gebenden Neigung tun dürfen und mrüssen als 
weiter im Innern. Liegt hier voch weni 
für die Einfuhrrichtung ohnebtn die Sache meist 
  
  
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ungünstig, weil das Land vielfach nach dem 
Innern steil ansteigt. Die Lüderitzbahn z. B. 
muß von Lüderitz4bucht aus auf etwas kürzere 
Entfernung als von: Hamburg bis Han- 
nover die Höhe der Schneekoppe erklimmen. 
Ferner: die maßgebende Neigung der einen Rich- 
tung bedingt noch nicht die gleiche maßgebende 
Neigung für die andere. Ist in der einen Rich- 
tung der Verkehr größer als in der andern, so 
ist in der stärker belasteten die Flachheit der 
Linie nötiger als in der entgegengesetzten. 
Noch einige Worte über die Krümmungen. 
Wir sagten schon, daß sie der Lokomotive Mehr- 
arbeit verursachen. Sie nutzen auch sowohl das 
Gleis wie die Fahrzeuge stärker ab, verlangen 
vorsichtigeres, langsameres Fahren, alles um so 
mehr, je schärfer sie find. Von der engsten zu- 
gelassenen Krümmung hängt die Bauart der 
Fahrzeuge ab. Sie ist für die meterspurigen 
Kolonialbahnen auf 100 m Halbmesser festgesetzt. 
Man wendet sie in Bahnhöfen an, wo ohnedies 
langsam gefahren wird, namentlich in Weichen. 
Auf der freien Strecke sucht man möglichst größere 
Halbmesser, von 250 m an aufwärts, einzuhalten. 
Natürlich: je schwieriger das Gelände, um so eher 
müstsen wir scharfe Krümmungen. mit in Kauf 
nehmen. Während wir aber bei den Neigungen 
sehen, daß wir eine an einer Stelle einmal nötig 
gewordene Steilheit unbedenklich an anderer 
Stelle wieder wählen dürfen, gibt uns die scharfe 
Krümmung an einer Stelle nicht das Recht zur 
Wahl desselben kleinen Halbmessers an anderer 
Stelle: jede Krümmung bringt sich unabhängig 
von den andern zur Geltung, jede greift für sich 
#' und Fahrzeug an. 
Das find die Rücksichten und Erwägungen, 
die dem Leitenden auftauchen, wenn er die Be- 
dingungen für die Bersuchslinien feststellen will. 
Wir erinnern uns, daß Baukosten und Verkehrs- 
größen in sie hineinspielen. Über beides muß 
der Leitende also bei seinen Erkundungsreifen 
auch einen ersten ungefähren Überblick zu be- 
kommen suchen und sich somit über Arbeitskräfte 
und Arbeitslöhne, über Vorkommen nantelic 
Baustoffe wie Holz, Sand, Kies 
steine, über die wirsschaftlichen Wasas n und 
Aussichten des Gebietes usw. usw. unte 
Hängen doch die Baukosten auch vielfach un- 
mittelbar vom Vertehr ab: je nach der Ein- 
schöung seiner Größe und Art wählt man vl. B. 
die Schwere des Gleises, Zahl und Ausstattung 
der Stationen, Menge und Bauweise der Fohr- 
zeuge. Eine Sache, die dem Eisenbahner hier- 
zulande viel Kopfzerbrechen machen und viel 
Rücksicht bei der Linienfährung abnötigen konn, 
der Grunderwerb emtbehm drüben noch so gni 
wie jeder Bedeutung.
	        
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