Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

W 632 20 
Wäre er nicht Invalide geworden, so würde er dank 
seiner Fähigkeiten einen entsprechend höheren Verdienst 
gehabt haben, als er ihn jetzt habe. 
Entscheidungsgründe. 
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Klage 
sind gegeben; sie ist innerhalb 6 Monate nach Zu- 
stellung des endgültigen Bescheides des Reichs-Kolonial- 
amts erhoben. In der Klage wird nicht eine Militär- 
pension, sondern eine Beamtenpension auf Grund 
verminderter Erwerbsfähigkeit, die auf eine Dienst- 
beschädigung zurückgeführt wird, gefordert. Der Kläger 
hat, wie unstreitig, einen Beamteneid nicht geleilgii. 
mit ihm ist auch nicht, wie der Beklagte behauptet, 
ein Dienstvertrag geschlossen, auch hat er keine An- 
stellungsurkunde als Beamter erhalten. Ob er trotz- 
dem etwa als solcher zu erachten, kann dahingestellt 
bleiben; denn auch in diesem len würde er ein Recht 
auf die geforderte Pension nicht 
September 1908 ist der Fmläger *“ dem Dienste 
in Südwestafrika ausgeschieden; es kann daher auf ihn 
das Kolonialbeamtengesetz vom 8. Juni 1910 nicht An- 
der 
  
  
wendung finden; eine Berufung auf § 61 a. a. O. er- 
Ur. 
wie intt nötig wäre, nicht darin solche Nüc 
Lait erledigt sich ohne weiteres der rWrn.hlsn 
10% auch der Hauptantrag ist unbegründet. Dieser 
ließe sich nur auf die Kaiserliche Verordnung vom 
9. August 1896/28. Mai 1901 betreffend die Rechts- 
verhältnisse der Landesbeamten in den Schnbgebieten 
ründen. Der bier maß bbende Artikel 11 Absatz 2 
autet: „Im Falle des 7 Satz 2 des Gesetzes vom 
31. März 1873 kann eine Pension auch auf bestimmte 
Seit nrniunh werden.“ Der dort in bezug genommene 
2 des § 37 des Reichsgesetes betreßen. die Rechts- 
ver ältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873 
bestimmt aber, daß den unter dem Vorbehalte des 
Widerrufs oder der Kündigung angestellten Beamten, 
wenn sie eine im Besole dungsgtat aufgeführte Stelle 
nicht bekleiden, eine Pension bewilligt werden kann. 
dach diesen Gesegesbestimmnagen istalso die Bewilligung 
einer Pension in das vollkommen freie Ermessen der 
Behörde gestenk“ Einen Rechtsanspruch auf Beamten- 
pension hat danach der Kläger nicht, weshalb die Klage 
auch in ihrem Hauptantrage abzuweisen war. 
  
18. 
Auszug aus dem Urtell des Ralserlichen Bez##rhsgerichts in Windhuh vom 24. Oktober 1912. 
Ein Polizeibeamter, der auf der Staatsbahn 
Okahandja —Windhuk mit der Begleitung eines 
Gefangenen beauftragt ist, befördert fahrlässig 
dessen Entweichung, wenn er die Mangelhaftigkeit 
der Fenstergitter des Eisenbahnwagens nicht bemerkt 
und den Gefangenen einige Zeit unbeobachtet läßt, so 
daß dieser während der Fahrt durch ein Fenster 
entweichen kannm. 
* 121 Abs. 2 R. St. G. B. 
Gründe. 
Am 14. Juni d. Is. feüieit der Angeklagte, ein 
Foligimel ben den Untersuchungs- 
gefangenen N. von Otahandjat nach Windhuk zu trans- 
portieren. 
Der Gefangene wurde in einer Abteilung des 
Gepäckwagens untergebracht, die hier gewöhnlich der 
Beförderung von Eingeborenen dient. Aus der Ab- 
teilung führte eine unverschlossene Tür nach der Platt- 
form, eine andere ebenfalls unverschlossene nach dem 
Gepäckraum, in dem sich die eingeborenen Bahn- 
angestellten aufhielten. An den Gepäckraum schloß sich 
die Abteilung des Zugführers an. Vom Gepäck- 
raum konnte man nach Jurückschieben einer Schiebetür 
unmittelbar ins Freie gelangen. Das Gefangenabteil 
hatte zwei Fenster mit eisernen Gittern, doch stellte 
sich bei der späteren Besichtigung heraus, daß die 
Gitter mit leichter Mühe zu entfernen waren. Nach 
der eigenen Darstellung des Angeklagten hat er sich 
während der Fahrt zum Teil in dem Gefangenabteil 
aufgehalten, zum Teil auch den Gefangenen von der 
Plattform aus beobachtet. Etwa 
  
vor Ottjihavera nun hörte der Zugführer an der 
Böschung ein Rascheln, doch glaubte er zunächst, es sei 
eine Schlange gewesen. Nachdem der Zug noch etwa 
2 km weiter gefahren war, ging der Zugführer durch 
den Gepäckwagen und stellte fest, daß N. durch das eine 
der beiden Fenster entwichen war. Erst auf seinen 
Zuruf merkte der Angeklagte das Entweichen. 
Hiernach hat sich der Angeklagte eine ganz erheb- 
cche, Fahräi#inteil zuschulden kommen lassen. ie 
elhaftigkeit der eisernen Fenstergitter hat er erst 
3 geßgestell: Vor allem lag aber schon wegen 
der unverschlossenen Türen die Möglichkeit einer Flucht 
so nahe, daß er ganz besondere Aufmerksamkeit hätte 
anwenden müssen. 
Da ferner der Zug nach dem mutmaßlichen Ent- 
weichen N's bis zur Entdeckung der Flucht mindestens 
2 km zurückgelegt hat — bei einer Geschwindigleit von 
30 km die Stunde — so muß der Angeklagte den Ge- 
fangenen mindestens 4 Minuten gänzlich Munbeeobachtet 
gelassen haben. Strafmildernd kam in Betracht, 
der Angeklagte in bezug auf N. nur wußte — er 
wegen Diebstahls von einigen hundert Mark verhaftet 
war, und deshalb nicht annahm, jener werde wegen 
einer erbältasn geringen Straftat die lebens- 
geiährihh e Flucht aus dem ziemlich schnell fahrenden 
uge wagen. Ferner sprach zugunsten des Angeklagten, 
da er sich bisher dienstlich gut geführt hat. ar hier- 
nach auch tatsächlich festeust ellen, daß die Entweichung 
des Gefangenen N. durch die Fahrlässigkeit des An- 
geklagten befördert worden ist. und war er daher ge- 
mäß § 121 II Str. G. B. zu bestrafen, so konnte doch 
mit Rücksicht auf die angeführten Milderungsgründe 
von der Auferlegung einer Freiheitsstrafe abgesehen 
und die erkannte Geldstrafe als ausreichend erachtet 
werden 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.