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Aus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten.
Elngeborenenpolitik und Eingeborenenrecht in der
Goldküste und in Uigerien.")
Von Dr. jur. et phil. Asmis.
(Schluß.)
IV.
Das Eingeborenenrecht von Südnigerien.
Das Eingeborenenrecht von Südnigerien bietet,
schon dank der früheren Verbindung von Lagos mit
der Goldküste und dan seiner entsprechenden Teilung
in Colony und Protectorate in vielen Fällen UÜberein-
stimmungen mit en der Goldküste, in anderen zeigen
sich aber doch weitgehende, durch die örtlichen Verhält-
nisse bedingte Abweichungen. Das Gesetzgebungswerk
Südnigeriens litt darunter und tut es noch heute, daß
die Verwaltungsorganisation des Gebietes als ständig
in der Umwandlung begriffen angesehen wurde. Außer=
dem war einmal das Gebiet der Colony schon so ver-
englisiert und auch so verhältnismäßig klein, daß die
Schaffung eines besonderen Rechts weniger dringlich
erschien und die Schaffung großer gesetzgeberischer
Arbeiten sich auch nicht recht lohnte. Das Gebiet des
Protectorate dagegen enthielt entweder so tiefstehende
oder nur so locker angegliederte Stämme und war in
früheren Jahren auch noch zu wenig bekannt, so daß
eine einheitliche großgügige Gesetzgebung auf erhebliche
Schwierigkeiten gestoßen wäre. So kommt es z. B.,
daß Südnigerien im Gegensatz sur“ Goloküste und
Nordnigerien keinen eigchen Criminal Code erhalten
. Als am 1. Mai 19006 das Protektorat von Süd-
nigerien mit der i und dem Protektorat von
Lagos vereinigt wurde, ging man alsbald auch daran,
die für die beiden Gebiete gesondert erlassenen Be-
stimmungen zu verschmelzen. Ein großes doppel-
bändiges Werk war das Resultat. In vielen Fällen
war es jedoch noch nicht möglich. Die so gänzlich
verschiedenen Verhältnisse ließen sich nicht unter eine
Norm zwingen; so mußten denn Sondergesetze für die
Westprovinz einerseits und die Zentral= und Ostprovinz
anderseits zum Teil erhalten bleiben. Die bevor-
stehende Vereinigung mit Nordnigerien dürfte weitere
Umwälzungen und Anderungen bringen.
A. Verwaltungsrecht.
In der Verwendung von Eingeborenen in der
inneren Verwaltung zeigt sich besonders die Ver-
schiedenheit der einzelnen Teile des Gebiets. Über
die Mitwirkung der Eingeborenen im L##gislative
Council ist oben schon gesprochen, desgleichen über die
verschiedenen Grade der Unabhängigkeit. die sich dic
einzelnen Voruba-Staaten zu wahren gewußt haben.
Letztere nötigte, zugleich mit dem Fehlen derartiger
Staatengebilde in der Zeutral= und Ostprovinz, zu
einer verschiedenartigen Regelung in den drei Pro-
vinzen.
In der Westprovinz wurden durch The Jative
Councils Onl. Nr. 15/01 verschiedene Jalirc Couneils
als Verwaltungsstellen für Eingeborenenangelegen-
heiten eingerichtet. Für die gesamte Provinz wurde
ein „Central Native Council“ geschaffen, als beratendes
Organ für den Gonverneur in allen Eingeborenen-
angelegenheiten. Präsident ist der Gonverneur, die
Mitglieder sind Eingeborene. Vigepräsident kann ein
Eingeborener oder ein Europäer je nach Bestimmung
„D. Kol. Bl.“ 1912, S
*) Val. S. 995 ff.
des Gouverneurs sein. Für jeden Bezirk der West-
provinz wird ein District oder Provincial Council er-
richtet. Soweit sie schon beptelen werden sie an-
erkannt. Präsident dieses Councils ist — bezeichnend
für die Stammesorganisation der oruba — der vom
Gouverneur anerkannte Oberbäuptling des betrefsenden
Bezirks. Die Mitglieder werden vom Gouverneur an-
erkannt oder ernannt. Ausschlaggebend für die Bildung
und Zusammensetzung der Councils ist in erster Linie
as Stammesrecht. Den Sitzungen der Councils hat
der für den Bezirk verantwortliche europäische Ver-
waltungsbeamte nach Möglichkeit beizuwohnen und die
Verhandlungen mit seinem Rat zu unterstützen, er hat
aber wenigstens theoretisch keine entscheidende Stimme.
Das Council ist für die gesamten inneren Verwaltungs-
angelegenheiten und die Ausübung der Gerichtobarkeit,
soweit sie von Native Authorities ausgeübt wird, ver-
antwortlich und kann außerdem in Dörfern oder
Städten Village oder Town Councils errichten, die für
die Angelegenheiten des betreffenden Ortes verant-
wortlich sind. Die gleiche Befugnis hat der Gou-
verneur für diejenigen Orte, die einem District Houneil
nicht unterstehen.
In der zentral= und Ostprovinz sind durch die
Jative Courts Ord. Nr. 7/00 gleichfalls Native Councils
geschaffen worden. Ihre Organisation und ihre Be-
jugnisse sind hier aber ganz andere. Sie setzen sich
aus dem für den Bezirk zuständigen Verwaltungs-
beamten als Präsidenten und einer Anzahl Einge-
borener zusammen. Der District Commi-sioner kann
mit Zustimmung des Gouverneurs eines der Mitglieder
zum Vizepräsidenten unter Vorbehalt des Widerrufs
ernennen. Grundsätzlich ist also der Europäer der ver-
antwortliche Leiter des Councils: in Wirklichkeit führen
allerdings die Eingeborenen allein, nachdem sie nach
einer Art Probe= und Ausbildungszeit ihre Befähigung
nachgewiesen haben, die Geschäfte des Councils. Aber
auch dann werden sie hierbei von dem Disirict Cone-
missioner scharf überwacht. Abgesehen von ihrer
richterlichen Tätigkeit, auf die weiter unten einzugehen
sein wird, sind ihre Befugnisse recht gering. Sie gehen
auf dem Gebiet der Verwaltung nicht über die Ver-
waltungsbesugnisse hinaus. die den Häuptlingen in der
(iolld Const Colonx belassen sind (vgl. §§ 46 und 47
des Natire Court Onll.). Da die Engländer keine für
die Verwaltung verwendbaren Stammesorganisationen
in diesen beiden Provinzen vorfanden, so suchten sie
sich sie durch Ausstattung der zu errichtenden Einge-
borenengerichte mit gewissen Verwaltung befugnissen
zu schaffen, gleichzeitig aber in ihnen den weitgehendsten
Einfluß der europäischen Beamten zu wahren. Soweit
meine Informationen reichen, soll dieser Versuch recht
gute Resultate gehabt habe
Den auch in der enl. und Ostprovinz vor-
handenen kleinen Häuptl ingen hat man die Verpflich-
tung zur Instandhattung der Wege und zur Offenhaltung
der KNrieks (Creeks) belassen. Sie werden ermächtigt,
aus den ihnen unterstehenden Bezirken alle Männer
zwischen 15 und 50 und auch alle Frauen zwischen
15 und 40 Jahren zu den Arbeiten heranguziehen.
Beachtenswert ist diese m. W. in der Gesetzgebung der
deutschen, englischen und frangösischen Kolonien der
Westküste einzig dastehende, gesetzlich festgelegte Ver-
pflichtung der Frauen zu öffentlichen Arbeiten, wenn
auch in den deutschen und französischen Kolonien in der
W die Frauen vielfach bei der Wegereinigung mit-
elfen