Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

E 762 20 
fKlonialrechtliche Entscheidungen. 
Nr. 21. 
Auszug aus dem Urtell des Reichsgerichts G. Stvilsenat) vom 16. Kpril 1910. 
(Entschdg. des R. G. in Z. S., Bd. 73 S. 272.) 
1. In den Schutzgebieten ist für Grundstücke, 
die noch nicht ein Grundbuchblatt besitzen, nur 
der dingliche. die Einigung über die Eigentums- 
übertragung enthaltende Vertrag abweichend 
von den reichsgesetzlichen, die Rechte an Grund- 
stücken betreffenden Vorschriften geregelt, der per- 
sönliche, der Eigentumsübertragung zugrunde lie- 
gende Vertrag untersteht dagegen dem 8813 B. G. B. 
2. Der in öffentlich beglaubigter Form ge- 
schlossene dingliche Vertrag heilt unter ent- 
sprechender Anwendung des § 313 Satz 2 B. G. B. 
den ohne Beobachtung der Form des 5 313 
B. G. B. geschlossenen Kausalvertrag. 
§* 313 B. G. B., §5 3 Sch. G. G., 8§ 19, 20, 21 
Kons. G. G., gs 1,8, 18ff. der Kaiserlichen Verordnung, 
betr. die Rechte an Grundstücken in, den deutschen 
Schutzgebieten, vom 21. November 190 
Am 20. Oktober 1906 schloß der Former X., 
seine Rechte später an die Klägerin abtrat, mit der 
Zweigniederlassung der Beklagten in Swakopmund 
einen unterschriftlich von der doftigen Ortspolizei- 
behörde beglaubigten Kaufvertrag, nach dem die Be- 
klagte ihm einen Platz A. am Omaruru-Flusse in be- 
stimmten, 5 5000 ha einschließenden Grensen dür 1. 
auf den Iiter, zusammen für kaufte“. 
2 war bestimmt, daß die Hahüreskuben: 
gungen von X. in Berlin mit dem Vorstande der Be- 
klagten vereinbart werden sollten, und nach § 3 über- 
nahm der Käufer sämtliche Kosten, insbesondere die 
der Vermessung und der Eintragung der Farm in das 
Landregister oder Grund s Grundbuch war 
unstreitig damals noch nicht *— Nach Bezahlung 
des Kaufpreises klagte die Klägerin auf dessen Rück- 
erstattung und auf Tichtigkeitsertlrung des Kaufver- 
trages vom 20. Oktober 1906, indem sie die Gichtigkeit 
aus der Nichtbeobachtung der in § 818 B. G vor- 
geschriebenen Formen herleitete, wogegen die Nni- 
für die Formgültigkeit auf § 18 der Kaiserlichen Ver- 
ordnung vom 21. November 1902 (R. G. Bl. S. 283) 
Bezug nahm. Der erste Richter gab dem Klageantrage 
statt. Der zweite Richter wies die Klage ab. Die 
Revision der Rlägerin. wurde zurückgewiesen aus fol- 
genden Gründ 
In der Scche selbst konnte der Revision keine 
Folge gegeben werden. Durch § 3 des Schutgebiets- 
gesetzes vom 10. September 1900 (R. G. Bl. S. 818) 
sind in den Schutzgebieten die dem bürgerlichen Recht 
angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze (6 19 des 
Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 
1900, eingeführt. Von dem Vorbehalt, die „Rechte an 
Grundstücken“ durch Wiiserlich= Werochmng abweichend 
zu regeln (§ 3 a. a. O., Lens Ger. Ges.), hat die 
Kaiserliche Verordnun % . November 1902 im 
allgemeinen keinen Gebrauch W vielmehr grund- 
Lussh die bezüglichen reichsgeseglichen Vorschriften 
leichfalls für anwendbar erklärt (§ 1 a. a. O.). Nur 
ür die Auflassung find im § 3 *3“•4- ge- 
schaffen und für rundstücke, die ein Grundbuchblatt 
noch nicht besitzen, in den §§ 18flg. besondere Be- 
  
stimmungen Danach sind (5 18) für „die 
Übertragung gentums“ an solchen Grundstücken 
bie kugung Aesac Vorschriften außer Anwendung 
setzt. Zu dieser Ubertragung ist die Einigung der 
eu#er und des Erwerbers für erforderlich und 
ausreichend erklärt, als Form die Beglaubigung durch 
eine öffentliche Behörde des Schutzgebietes vorge- 
schrieben, und die Beifügung von Bedingungen und 
Feitbesiimmungen ausgeschlossen. Im § 1 9 ist dem 
Eigentümer nachgelassen, seine Eigennm in ein vom 
Grundbuchamte Cefährten Landregister eintragen zu 
lassen. Diese Eintragung begründet nach § 21 a. a. O. 
Eigentumsvermutung. 
Der Berufsrichter entnimmt diesen Vorschriften 
mit Recht, daß nur der dingliche, die Eigentumsüber= 
tragung bezweckende Vertrag abweichend geregelt ist. 
und daß für das obligatorische Grundgeschäft auch in 
den Schutgebieten 5* 313 B. G. B. zur Anwendung 
kommt. 
Er findet aber in dem Vertrage vom 20. Oktober 
1906 nicht bloß einen Kaufvertrag, sondern auch eine 
Eigentumsübertragung im Sinne des § 18 der Kaiser- 
lichen Verordnung und schließt dies sowohl aus der 
’ 
2 
getroft etroffen. 
  
Form der Beglaubigung als auch aus dem Inhalt des 
Vertrages, der keine weiteren Bestimmungen über den 
Egentumsübergang enthalte, vielmehr, wie seine Los- 
lösung von der Vereinbarung über die Zahlungs- 
bedingungen ergebe, alsbaldige Rechtswirkungen in 
betreff des Eigentumsüberganges habe äußern sollen: 
auch L spätere Verhalten der Parteien, insbesondere 
die vorbehaltlose Zahlung des Kaufpreises, spreche 
dafür. Demgegenüber behauptet zwar die Revision, 
daß eine solche Auslegung des Vertrages nicht möglich 
sei, weil sie gegen den klaren Vertlaut= verstoße; doch 
ist dies nicht anzuerkennen. Die Auslegung des 
Wortes „verkaufen“ in dem Sinne, daß damit nicht 
nur der persönliche, sondern auch der dingliche Vertrag 
gemeint fein - ist an sich möglich, und die An- 
nahme, daß die Parteien den Ausdruck so verstanden 
haben, ausreichend begründet. 
Zutreffend führt sodann der Berufungsrichter aus, 
daß in dem formgerecht zustande gekommenen ding- 
lichen, Vertrage gemäß dem analog anzuwendenden 
Satz 2 des B. eine Heilung des der vorgeschrie- 
benen Form entbehrenden obligatorischen Grund- 
geschäfts zu finden sei. Der § 18 der Kaeiserlichen 
Verordnung spricht allerdings nur von der Übertragung 
des Eigentums an Grundstücken. Es ist aber, da die 
Vorschrift sonst keinen wesentlichen Zweck hätte, anzu- 
nehmen, daß der dort geregelte dingliche Vertrag die 
Auflassung und Eintragung im Grundbuch nicht bloß 
in Beziehung auf die Eigentumsübertragung, sondern 
auch in allen sonsti gen Beziehungen ersetzen, ins- 
betonere die in § 318 Satz 2 B. G. B. vorgesehene 
Wirkung haben sollte. Die be ie zum Erlaß einer 
solchen Lonschrift ergibt sich für die geit vor Anlegung 
des Grundbuchs aus der in es Schutzgebiets- 
LesetescGV in n enommenen Bestimmung des § 20 
Abs. 1 2 des Feees über die Konsulargerichts- 
barkeit, die es der Kaiserlichen Verordnung überließ, an 
die Stelle nicht vorhandener Einrichtungen und nicht 
ausführbarer Vorschriften bürgerlichen Rechts andere 
Bestimmungen zu treffen. 
  
 
	        
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