Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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ihrem pater kamilias entgiehen und sich herumtreiben, 
können zwangsweise zurückgeführt und auch bestraft 
werden. Die große Mehrzahl der Eingeborenen, ins- 
besondere die Ackerbautreibenden, sollen biermit durch- 
aus zufrieden sein, nur die Händler, die auf ihren 
Reisen den engeren Konnex mit dem Haushalt verlieren, 
suchen sich von der Lugehzörigtei. zu befreien. Eine 
Verordnung von diesem Jahre ( 1/12) sieht nun 
ganz allgemein vor, was früher zuer durch Ausspruch 
des Gerichts anläßlich eines auf Grund der Ver- 
ordnung anhängigen Strafverfahrens ausgesprochen 
werden konnte, daß Eingeborene sich durch Zahlung 
einer bestimmten, vom listrict Commissioner auf An- 
trag festäusetzenden Summe von ihrer Hörigkeit zu 
einer Hausgemeinschaft loskaufen kann. Diese Summe 
ist allgemein auf höchstens L 50.—.— und für ge- 
wöhnliche Arbeiter und Bootsjungen auf höchstens 
L 15.—.—. festgesetzt. 
D Die Negistrierung der Sehhen erfolgt in der gleichen 
Weise wie in der Goldk (vgl. The Alarriage Orl. 
14/84). Das tritt für die bolbal allgemein und für 
das Protektorat, soweit Fremde in Betracht kommen 
oder soweit ein Jatixe Council die Verordnung für 
seinen Bezirk für amwendbar erklärt, die Registrierung 
der Geburten und Todesfälle (ogl. The Births, Deaths 
and Buriuls Ord. Nr. 5/89 bzw. 8 030. Nach der Jative 
Children (Custodr ac et 60 Ord. Nr. 7.99 kann 
für Waisenkinder und für solche Kinder, die ein Ver- 
gehen (ollenec) begangen haben, eine Fürsorge ange- 
ordnet werden. Die betreffenden Kinder können bei 
einer Mission, einer Gouvernementsstation oder zanstalt 
oder einer zuverlässigen Privatperson untergebracht 
werden. 
Für Lagos, Calabar und Warri und die sonst noch 
vom Gonverneur zu bestimmenden Orte wird durch 
The L.and Registration Ord. Nr. 15/07 ein Grundbuch 
angelegt, dessen Benutzung allen Einwohnern freisieht. 
Der Gouverneur hat das Recht, durch Order in Couneil 
bestimmte Komplexe in der Kolonie und im Protektorat 
Europäerreservaten zu erklären und ihre Bebauung 
urch Eingeborene zu verbieten (ugl. The European 
Reservation Onl. Nr. 16/02). Im übrigen wird für 
das Protertornte jeder Grundstücksvertrag eines 
Fremden mit einem Eingeborenen des Protektorats in 
gleicher Weise wie in Togo von der Genehmigung des 
Gonverneurs abhängig gemacht (vgl. 3 3 der Juaire 
Lunds Adnuisition Ord. Nr. 1,03). Alles für öüffentliche 
Zwecle benötigte Land kann der Gouverneur in ganz 
üdnigerien gegen Zahlung einer vom Gericht fest- 
zusetzenden Entschädigung für den Fiskus in Besitz 
nehmen und erwerben. 
In weitestgehender Form ist sodann die Nutzung 
der Wälder unter Staatsaufsicht gestellt. Ein zahl- 
reiches staatliches Forstpersonal ist dazu da. die Schätze 
des Waldes im Interesse des Staates und der Ein- 
geborenen, denen die Waldbestände gehören, zu erhalten 
lund zweckmäßig zu Ktzen. aunwirtschaftlichen Raubbau 
er zu unterdr rücken. r Gonverneur hat zudem 
das Recht, Waldreserven zu boilden (vgl. The Forcsirr 
Orcl. Nr. 14,02 bzw. 28/01, mehrfach geändert). 
Die Prospektiertätigkeit auf Eingeborenenland 
wird von der Lösung eines Berechtigungsscheines ab- 
hängig gemacht. Das Bohren nach Petrolcum darf 
nur auf den bekannt gegebenen Flächen erfolgen. In 
jeden mit einem Eingeborenen hierüber abgeschlossenen 
Vertrag kann der Gonverneur eintreten (vgl. auch 
The Mining Regulation (Qil)O 09). 
Gewisse wilde Kiere, ueinn- und Fische werden 
auch in antgerfen Jagd= und Schongesetz 
Feichüttt (vgl. The Wihe Animals, Birds und Fisb 
r#rration Onl. Nr. 15.00.) 
  
Im Höligationenrecht, werden durch The Trade 
Crelit Ord. (Nr. 26/00) für die Ost= und Zentral- 
provinz Klagen gegen Eingeborene aus Kredit- 
gewährung nicht zugelassen. Diese Verordnung wurde 
1007 sehr verschieden beurteilt. Von den deutschen 
Kaufleuten, die ich sprach, wurde sie gelobt, Bezirks- 
amtmänner sprachen ihr die beabsichtigte Wirkung ab, 
da sich das Kreditgewähren nicht vermeiden ließe und 
die Gläubiger mangels der Zulassung des Rechtsweges 
dann auf andere, häufig nicht einwandfreie Weise zu 
ibrem Geld zu kommen suchten. 
Die im Stammeesrecht übliche Fhtbast ist 
verboten (vgl. Slavc dealing Procl. Nr. 
Arteitsverträge für Dienste ls der eng- 
lischen Besitzungen bedürfen der Genehmigung des 
Staatssekretärs, für Dienste außerhalb der Kolonie 
oder des Protektorates ist schrijtliche Erlaubnis des 
Instrict Commissioners erforderlich (ogl. The Natiye 
Lahour (Recruitung for foreign Service) Ord. Nr. 302 
Die vielfach geänderte Master and Serrants Or 
Nr. 16/77 sieht für Verträge über sechs Monate 
Schriftlichkeit und Bestättigung durch den District 
Commissioner, stee c. oder Cellector of 
Customs vor. * Behimmmgen über Lehrverträge 
und Bestrafung wegen Vertragsbruchs entsprechen denen 
der Goldküste. 
  
Das Eingeborenenrecht Nordnigeriens. 
Nordnigerien nimmt auf dem Gebiete der Ein- 
geborenenpolitit unter den gesaniten englischen Kolonien 
der afrikanischen Westküste eine besondere Stellung 
ein. Hier fanden die Engländer, als sie das Pro- 
tektorat 1899 ubernahmen keine oder minder ver- 
englisierte Plätze vor, die für sich schon eine besonders 
europäischen Verhaliniifen näherkommende Behand- 
lung beansprucht, oder die bereits zersetzend auf die 
Eingeborenenorganisationen der Nachbarschaft gewirkt 
hätten. Die Engländer des 20. Jahrhunderts hatten 
ie noch einmal Gelegenheit, nicht bedrückt durch 
Unterlassungssünden früherer Jahrzehnte, den Beweis 
für ihre Befähigung als Kolonialvolk zu liefern. Sie 
haben den Beweis m. E. durchaus erbracht. Daß sie 
dabei in der Praris zu Ergebnissen kamen, die denen 
der Deutschen in ihren Schutzgebieten sehr ähneln, 
spricht für die Solidarität der Interessen und Auf- 
gaben der weißen Rasse gegenüber der farbigen Be- 
völkerung Afrikas. Den Engländern kamen bei diesen 
Er olgen zwei günstige Momente zustatien: einmal 
fanden sie in dem überwiegend größeren Teil des Ge- 
biets sestgejügte Eingeborenenstaaten vor, die ihnen 
die Anwendung des von ihnen bevorzugten indirekten 
Verwaltungesystems, für das sie die besonderen Er- 
fahrungen bejaßen, erleichterten; anderseits hatten 
sie in dem ersten Gouverneur des neuen Gebiets Sir 
Frederick Lugard einen Mann, der es in hervorragen- 
der Weise verstand, frei von ängstlicher Rücksichmahme 
auf heimische Theorien, von vornherein die Entwick- 
lung des Landes in seinen Verhälmissen entsprechende 
Bahnen zu lenken. Sein Nachfolger trug nur dazu 
bei, die Entwicklung Nordnigeriens in den ersten 
Jahren des Bestehens des Protektorates zu einem 
Musterbeispiel planmäßiger Entwicklung eines un- 
erschlossenen Landes zu machen. Der Befriedung 
des Landes, mit der Hand in Hand die Reorgani- 
sation der Eingeborenenreiche und die Ausbreitung des 
britiichen Einslusses in ihnen ging, und der Schaffung 
eigener Einnahmen unter Sir Fr. Lugard folgte unter 
Sir Percy Girouard der Ausbau des Verkehrsnetzes, 
der Beginn einer planmäßigen Schulpolitik und die 
Regelung der Landfrage.
	        
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