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Eingeborenen (einem älteren Mann und drei
Frauen) Trypanosomen gefunden. Zwei der
Frauen waren vor vier bzw. fünf Jahren aus
Portugiesisch-Ostafrika eingewandert.
Ein weiterer Herd wurde sechs Tagemärsche
von hier in westlicher Richtung am Rowuma ent-
deckt, in Mtomani, wo bei 6 Eingeborenen
(3 Männern und 3 Frauen) Trypanosomen durch
die Untersuchung des Blutes und durch Drüsen-
punktion festgestellt wurden.
Außer diesen Fällen wurden noch 4 Kranke
aus der Umgebung von Mtomani aufgefunden,
ferner wurden bei einer Frau aus dem Dorfe
Kiwindi am Nijassasee Trypanosomen festgestellt.
Diese Frau hatte sich aber nachweislich in Mto-
mani infiziert. Weiter kommen noch dazu ein
Kranker aus einem Dorf des Sultan Samtanga
(etwa einen Tagemarsch südlich von Ssongea);
dieser hatte sich die Krankheit erwiesenermaßen
auf portugiesischem Gebiet zugezogen, ferner ein
junger Mann aus einem fünf Stunden von
Mtomani entfernten Dorf und ein Polizeisoldat
aus Ssongea, der zur Steuererhebung im Sommer
1911 in Mtomani stationiert war.
Die Kranken wurden zunächst in einem in
Mtomani errichteten Schlafkrankenlager mit Atoxyl
nach der von R. Koch angegebenen Methode
(ieden 9. und 10. Tag 0,5 g Atoxyl subkutan) be-
handelt. Es hatte sich aber schon nach wenigen
Injektionen herausgestellt, daß die Trypanosomen
durch die Atoxylbehandlung nicht dauernd aus
dem Blut entfernt werden konnten, sondern kurze
Zeit nach der Injektion wieder im Blut auf-
traten, daß also die Trypanosomen „atoxylfest“
waren. Daher wurden Kombinationen mit anderen
Mitteln (Queckfilber, Jod u. a.) versucht. Aber
auch auf diese Weise sowie durch eine stärkere
Dosierung des Atoxyls war es nicht möglich, eine
Heilung zu erzielen, und die Kranken, die später
in ein neues Schlafkrankenlager in der Nähe von
Ssongea gebracht wurden, da in Mtomani wäh-
rend der Regenzeit Glossinen bis in das Lager
eingedrungen waren, fielen nach mehreren Mo-
naten trotz sorgfältiger Pflege der Krankheit zum
Opfer.
Während am Viktoria= und am Tanganjika-
See als Uberträgerin der Schlafkrankheit die
Glossina palpalis in Frage kommt, muß am
Rowuma und am Stsassawara die Glossina
morsitans als die die Schlafkrankheit ver-
mittelnde Fliege angesehen werden. Bekanntlich
spielt ja diese Fliege auch bei der Verbreitung
der Tsetsekrankheit der Tiere eine große Rolle.
Glossina palpalis kommt in diesen Gegenden gar
nicht vor, und andere Stechfliegen als die Glos-
sina morsitans, wie die Glossina fusca und Ta-
baniden, die am Rowuma an mehreren Stellen
beobachtet wurden, find bei öfteren Untersuchungen
niemals mit Trypanosomen infiziert gefunden
worden.
Auch fanden wir, abweichend von den Krank-
am V und Tanganjika-See,
die Halsdrüse en der Kranken teils gar nicht, teils
nur ganz unbedeutend vergrößert. Und während
dort die Drüsenvergrößerung geradezu als ein ty-
pisches Krankheitszeichen angesehen werden kann,
ließ hier die Untersuchung der Drüsen vollständig im
Stich. So fanden wir z. B. in Mtomani unter 1000
untersuchten Eingeborenen nur 32, bei denen die
Halsdrüsen leicht vergrößert waren. Daher waren
wir hinsichtlich der Feststellung der Diagnose
lediglich auf die zeitraubende Untersuchung des
Blutes in dicken Tropfen, die zuerst von der
deutschen Schlafkrankheits-Expedition im Jahre
1906/07 empfohlen worden ist, angewiesen. Auch
die sonstigen Krankheitserscheinungen, die für die
Schlafkrankheit charakteristisch sind, wie Seh-
störungen, Lähmungen der Beine, Bewußtlosig=
keit und andauernde Schlassucht, waren bei
unseren Kranken nur in ganz vereinzelten Fällen
und auch erst im weiteren Verlauf der Krankheit
beobachtet worden. Und während sonst bei der
Schlafkrankheit die Trypanosomen im Blute fast
regelmäßig in größeren Mengen aufzutreten
pflegen, waren sie bei unseren Kranken in dem
untersuchten Blutstropfen nur ganz vereinzelt
beobachtet worden, und manchmal waren sogar
wiederholte Blutuntersuchungen notwendig, um
ihre Anwesenheit festzustellen.
Aber auch sonst zeigten die bei den Kranken
am Rowuma gefundenen Parasiten erhebliche
Unterschiede in morphologischer wie in biologischer
Hinsicht gegenüber dem Trypanosoma gambiense,
dem Erreger der Schlafkrankheit in den Ländern
am Viktoria= und Tanganjika-See. Die ein-
gehenden Untersuchungen darüber sind noch im
Gange und dürften, da zahlreiche Tierversuche
erst eine sichere Unterscheidung möglich machen,
noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Einen weiteren Herd von Schlafkrankheit in
dem Lindibezirk fand Beck auf seiner Rückreise
von Ssongen nach der Küste im Oktober 1912.
Die meisten Kranken fanden sich am Lu-
wingo und dessen Nebenflüssen. Der Luwingo
ergießt sich etwa zwei Tagemärsche östlich vom
Ssassawara in den Rowuma. Auch hier war die
Seuche aus dem portugiesischen Gebiet eingeschleppt
worden, offenbar von Leuten aus einer mehrere
Tagemärsche südöstlich vom rechten Rowumaufer
entfernten portugiesischen Landschaft, wo nach
Aussagen der aus jenen Gegenden stam-
menden Eingeborenen die Krankheit schon seit
längerer Zeit festen Fuß gefaßt hat.