Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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mit 79 Angeworbenen bei 1124 Eingeborenen, 
also 7 v. H., erheblich hinter dem Durchschnitt von 
10 v. H., der bei einem völlig organisierten Ge- 
biet erwartet werden kann, zurück. An sich sind 
die jungen Leute der Anwerbung nicht abgeneigt, 
sie werden jedoch von den alten Leuten zurück- 
gehalten, welche nach ihrer Angabe die Arbeits- 
kraft der Jungen bei der Ausbentung der Kopra- 
bestände und der Reinhaltung der von der Behörde 
angeordneten Pflanzungen und Wege nicht ent- 
behren können. Bei meinen beiden Besuchen auf 
diesen Inseln habe ich 17 bzw. 11 Eingeborene 
angeworben. 
Der Gesundheitszustand und die Sterblich- 
keit der Eingeborenen ist im allgemeinen der 
gleiche, wie er in den übrigen Teilen des Be- 
zirkes zu beobachten ist. Die Eingeborenen sehen 
trotz der einseitigen Ernährung, bei welcher die 
Kokosnuß die Hauptrolle spielt, wohlgenährt aus. 
Von Krankheiten ist neben dem Ringwurm die 
Frambösie am verbreitetsten, mit welcher be- 
sonders zahlreiche Kinder behaftet sind. Dysenterie 
ist unbekannt. Eine zu Anfang v. Is. nach 
Rabaul gelangte Meldung von einer auf Wurm- 
krankheit zurückgeführten großen Sterblichkeit auf 
der Insel Witu erwies sich erfceulicherweise als 
unbegründet. Wenn einmal das nötige Arzte- 
personal zur gründlichen Durchsanierung der Ein- 
geborenen zur Verfügung stehen wird, dann 
werden die Witu-Inseln, da hier die Bevölkerung 
auf engem Raume abgeschlossen zusammenwohnt, 
ein besonders dankbares Tätigkeitsfeld bieten. 
Die Eingeborenen wohnen nicht in größeren 
Dörfern beisammen, sondern in zahlreichen kleinen 
Ortschaften zerstreut. Die Zusammenfassung der 
einzelnen Gemeindeverbände in größeren Wohn- 
plätzen wird eine der nächsten Aufgaben der Ver- 
waltung bilden, insbesondere auf der Jnsel Unea, 
wo die versteckte und zerstreute Lage der ein- 
zelnen Hütten das größte Hindernis in der Er- 
fassung und Beherrschung der Eingeborenen bildet. 
Die Hütten der Eingeborenen sind sehr schlecht 
und primitiv. Es fehlt insbesondere an ge- 
eignetem Material zur Bedachung. Jedoch macht 
sich hier schon unter dem Einfluß der Verwaltung 
ein Anfang zum Besseren geltend. 
Die Witu-Inseln sind vollkommen organisiert 
und befriedet, mit Ausnahme der Jusel Unea. 
Diese Insel, welche mit 31,5 qkm die zweitgrößte 
Insel der Gruppe ist und abseits der übrigen 
Inseln liegt, besitzt die stärkste Eingeborenen- 
bevölkerung, welche eine von der Sprache der 
übrigen Inseln dialektisch verschiedene Sprache 
spricht. Die Eingeborenen sind nicht wie auf 
den anderen Inseln der Gruppe auf Reservate 
beschränkt, sondern leben in zahlreichen, schwer 
äugänglichen Gehöften über die ganze Insel zer- 
  
streut. Sie sind sehr kriegerisch und huldigten, 
unter sich in Fehde lebend, bis in die jüngste 
Zeit dem Kanibalismus. Ihr Anschluß an die 
Verwaltung mit seinen für die Eingeborenen un- 
erfreulichen Folgeerscheinungen (Wegebau, Pflanz= 
zwang und Steuerpflicht) erfolgte rasch und un- 
vermittelt. Die Eingeborenen haben sich in die 
neuen Verhältnisse noch nicht gefügt. Den ihnen 
anferlegten öffentlichen Leistungen kommen sie nur 
in sehr mangelhafter Weise nach. Insbesondere 
war die Kopsfsteuer für das Jahr 1912 bei 
meinem Besuche im Mai v. Is. noch zum großen 
Teil rückständig und konnte wegen Geldmangels 
nur zum Teil entrichtet werden. Einzelne Häupt- 
linge verhielten sich vollständig passiv, einer leistete 
der Vorladung überhaupt nicht Folge. Ich habe 
damals von energischen Maßnahmen gegen die 
Eingeborenen Abstand genommen und insbeson- 
dere, mit Rücksicht auf das bereits abgelaufene 
Steuerjahr, auf Eintreibung der Steuerrückstände, 
d. h. Umwandlung in Steuerarbeit, verzichtet. 
Jedoch ist den Häuptlingen eröffnet worden, daß 
ich bis zu meinem nächsten, für Anfang 19141 
angekündigten Besuche eine bessere Befolgung der 
behördlichen Anordnungen, insbesondere pünktliche 
Bezahlung der Kopfsteuer erwarte. 
Die Kopfsteuer wird auf den sämtlichen 
Inseln in einer Höhe von 10 / erhoben. Die 
Eingeborenen verfügen auf allen Inseln außer 
Unea über solch reiche Palmbestände, daß sie 
durch deren Ausbeutung den Steuerbetrag leicht 
aufbringen können. 
Etwas anders liegen die Verhältnisse auf der 
Insel Unea. Diese Jusel ist, wie ich auf meinen 
gelegentlich der Volkszählung unternommenen 
Streifzügen durch die ganze Insel feststellen mußte, 
verhältnismäßig arm an Palmen. Wenn man 
berücksichtigt, daß die zahlreichen Eingeborenen 
einen großen Teil der Nüsse für ihre eigene Er- 
nährung verbrauchen, so kommt man zu dem 
Ergebnis, daß die Insel jährlich höchstens 30 t 
Handelskopra liefern kann. Die Palmbestände 
sind also zur Aufbringung des Steuerbetrages 
nicht hinreichend, und die Eingeborenen sind ge- 
nötigt, sich auf andere Weise Geld zu verschaffen. 
Dies geschieht durch Verkauf von Feldfrüchten, 
von Schweinen, von Steinnüssen, die auf einem 
Teile der Insel vorkommen, und von Troikas, 
die nach einer neuerdings mit dem Pflanzungs- 
leiter der Neu-Guinea-Kompagnie getroffenen 
Vereinbarung von diesem zu gutem Preise 9 
kanft werden. Da endlich auch die Möglichkeit 
gegeben ist, sich den Steuerbetrag durch Arbeit 
auf der Pflanzung Bali der Neu-Guinea-Kom- 
pagnie zu verschaffen, so sind auch die Eingeborenen 
von Unea wohl imstande, den Steuerbetrag von 
10 J¼ aufzubringen.
	        
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