Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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heiten der Atmungsorgane auf Jap häufig, beionders 
Bronchitis, Asthma und Emphysem bei Greiser 
Etwas unterschätzt wurde bisher wohl * Ver- 
breitung der Lepra auf der Insel, „Drau“ von den 
Eingeborenen genannt. In von mir besuchten 
Ortschaften und unter dem poliklinischen Materiale 
Dr. Buses konnte ich 12 Aussätzige ermitteln, darunter 
zwei NPäle von Lepra tuberosa. 
Verhältnismäßig sehr gering im Vergleich zu 
anderen primitiven Bölkern ist die Zahl der chro- 
nischen Unterschenkelgeschwüre; ein sichtlicher 
Erfolg ärztlicher Tätigkeit und Belehrung, denn an- 
fänglich stellten gerade sie die Hauptzahl aller zur Be- 
handlung kommenden Kranken, und zwar ihre Heilung 
hat seinerzeit die Brücke zum Verständnis der ärzt- 
lichen Kunst geschlagen. Dr. Born hatte vor 10 Jahren 
noch eine jährliche Frequenz von 130 Fußgeschwüren. 
Sie bedürfen nicht nur deshalb der Erwähnung, weil 
sie bisweilen bei alten Leuten, wovon ich mich in 
einem Falle überzeugen konnte, iargenwenatb entarten 
(ein Verhalten, das ich niemals bei Negerstämmen 
beobachtet habe) und nicht nur weil langdauernde, 
schlecht heilende Geschwüre den Kranken hochgradig 
entkräften können, sondern auch deshalb, weil sie da- 
durch eine mittelbare Bedentung gewinnen, daß auf 
Jap jeder auch an einer ernsten äußeren Krankheit 
Leidende sich des Geschlechtsverkehrs zu enthalten hat 
und dadurch für das Fortpflanzungsgeschäft ausge- 
schaltet ist. 
Ebenfalls seltener als z. B. bei Negerstämmen sind 
di itären Hautkrankheiten. Besonderer 
—* bedarf die Tinen imbricata, die ich bei 
der Dorfbewohner notierte, was im Ver- 
Aios 9. ihrer sonstigen, stellenweise bis über 30 v. H. 
steigent gen Verbreitung im Schutzgebiete günstig ist. 
Die Tinea steht kaum mit Recht im Rufe der Harm- 
losigkeit, denn sobald das Leiden einmal den ganzen 
Körper überzogen hat, # es ausnahmslos mit schwerer 
Anämie verbunden. Es wäre ja auch kaum begreiflich, 
wenn die unnnterbrochene Erkrankung des ganzen 
Hautorganes spurlos am Gesamtorganismus vorüber- 
gehen sollte. Auffällig war mir, daß weitaus die 
meisten der beobachteten Tineafälle unter den Hörigen 
des Volkes zu finden waren, während nur ausnahms- 
weise ein freier Japmann mit ihr behaftet war. Es 
besteht ein Unterschied zwischen Freien und örigen, 
der für die Erklärung dieser Beobachtung in Frage 
kommt. Jeder freie Japmann und jede Frau pudert 
den Körper sorgfältig mit einer trockenen, aus der 
Gelbwurzel (Curcuma longa) hergestellten, eigenartig 
riechenden, trockenen Paste ein, Reng genannt. Diese 
Sitte ist ein Vorrecht der Freien und wird heutzutage 
als Schmuck betrachtet und geübt; den Hörigen ist er 
verboten. Als Grund der Anwendung der Gelbwurzel 
hat man einen vermeintlichen Schutz gegen Erkältungs- 
krankheiten durch Verstopfung der Hautporen an 
nommen. Näher liegend und wahrscheinlicher aher 
dünkt mich, daß rspnlich ein Schutz der Haut'gegen 
Insektenstiche und Parasiten erzielt werden sollte. In 
der Tat ist die Haut der freien Japbewohner nicht nur 
von Tinea, sondern auch anderen Hautleiden viel mehr 
verschont als die der Sklaven. Versuche über eine 
eventuelle antiparasitäre Wirkung der Curcuma longa 
sollen noch angestellt werden. 
Auffallend groß ist nach Angabe eines ärztlichen 
Berichtes aus Jap die Zahl von 42 „Geisteskranken“. 
Ich habe keinen von ihnen zu Gesicht bekommen; nur 
einige Imbezille habe ich gefunden. In einem der 
besuchten Dörfer wurde indessen ein junger Mann vor 
mir versteckt gehalten, dessen mir geschilderte Krank- 
heitssymptome eine Dementin praecox vermuten ließen. 
  
Überblicken wir die ganze Pathologie der Insel 
Jap, so sehen wir, wie sie sehr stark durch Zuwachs 
von außen her in letzter Zeit bereichert worden ist. 
Von fremden Kulturgütern haben die Leute auf- 
fallend wenig bisher angenommen, viel weniger als 
.B. die meisten Negerstämme: von den Kulturübeln 
aber mehr als genug. Hier haben wir ein Beispiel 
dafür. daß es zur Vermittlung ener einer weit längeren 
Spanne Zeit bedarf als zur Ausstattung mit diesen. 
Gegen die Annahme jener sträubt sich der am alten 
festhaltende Sinn eines Naturvolkes, aber gegenüber 
diesen nützt alles Sträuben nichts. Einmal über- 
mittelt, geht ihre Asöreitnng. in unserem speziellen 
Falle die der übertragbaren Krankheiten, selösttärig 
weiter vor sich, genau wie ein einziges Farbkörnchen, 
von einem Vorübergehenden in ein Gefäß mit Wasser 
geworfen, dieses rasch durchdringt, auch wenn der Ver- 
mittler wieder davongeht. Dabei wird der Inhalt 
des Gefäßes um e schneller und stärker durchsetzt, je 
kleiner es ist. r wollen ferner nicht vergessen, daß 
der Verkehr mit der Insel Jap zwar kein besonders 
Koohester ist, daß er sie dafür aber, abgesehen von 
Afrika, in unmittelbarem Rontakt mit allen anderen 
Erdteilen gebracht hat, wodurch auch deren sämtliche 
Krankheiten ihr näher gerückt sind. Auf der anderen 
Seite hat gerade die Bevölkerung isolierter Insel- 
gruppen früher, vor ihrer Einbeziehung in den Welt- 
verkehr, unter ganz besonders günstigen Verhälinisien 
binsichtlich ihrer Anpassung an Rrankheiten gestanden. 
Festlandsvölker stehen in dauernder, sei es friedlicher, 
ei es kriegerischer Berührung mit ihren Grenznach= 
baren; der Nachbar der Inselbölker ist das Meer. Der 
geringe Verkehr mit andersartigen Stämmen er- 
möglichte es im Laufe der Jahrhunderte, daß die ur- 
sprünglichen Krankheiten der Inseln immermehr von 
ihrer Schwere verloren, indem entweder eine all- 
gemeine Immunität eintrat oder immer die zu ihnen 
Disponierten ausgemergt wurden, während die Wider= 
standsfähigeren überlebten, ihre günstigeren Anlagen 
vererbten und so die Stärke und Ausdehnung der 
Krankheiten vermindern halfen. Außer mit den 
Nachbarinselun, auf denen eine gleichrassige Bevöllerung 
mit gleichen Krankheiten wohnte, war ein Verkehr mit 
anderen, entfernteren Bölkern nur ausnahmsweise oder 
ungewollt gegeben; und dann waren während der 
langen Fahrt auf verschlagenem Kann etwaige akute 
bertragbore Krankheiten schon abgelaufen. Je isolierter 
deshalb die Lage einer Insel ist, um so näher wird 
die natürliche Anpassung dem Ideal kommen, daß 
endogenc Epidemien überhaupt unmöglich werden und 
daß endemische Krankheiten sich immer mehr ab- 
schwächen. So günstig eine solche Isolierung während 
der Abgeschlossenheit gegen entfernte Kontinente für 
das Japvolk gewesen ist, so nachteilig mußte sie bei 
deren Schwinden sein, denn nun erhöhte sie die 
Empfänglichkeit für alle die Seuchen, von denen sie 
bis dahin befreit war. Dazu kamen diese in zeitlich 
rascher Folge über das Land, dem keine Zeit gegönnt 
war, sich von den Verlusten des einen Unglücks zu er- 
holen, bis ein neues hereinbrach. Die Ausbreitng 
aller neuen Krankheiten wurde begünstigt durch die 
Dichte der Besiedelung, durch den engen Verkehr der 
einzelnen Ortschaften, durch die Shaienische Sorglosigkeit, 
zu der sie durch die frühere Gunst der Verhälknisse 
erzogen waren end durch die völiige tuderne irgend- 
welcher Heil= oder Schutzmittel gegen die ihnen un- 
bekannten Feinde. 
Diese insulare Isoliertheit ist wohl von den Ethno- 
graphen als ursächlich für die Eigenart vieler Insel- 
kulturen schon längst erkannt, aber für die enge, ein- 
seitige Aupassung von Krankheiten wohl kaum schon 
 
	        
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