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heiten der Atmungsorgane auf Jap häufig, beionders
Bronchitis, Asthma und Emphysem bei Greiser
Etwas unterschätzt wurde bisher wohl * Ver-
breitung der Lepra auf der Insel, „Drau“ von den
Eingeborenen genannt. In von mir besuchten
Ortschaften und unter dem poliklinischen Materiale
Dr. Buses konnte ich 12 Aussätzige ermitteln, darunter
zwei NPäle von Lepra tuberosa.
Verhältnismäßig sehr gering im Vergleich zu
anderen primitiven Bölkern ist die Zahl der chro-
nischen Unterschenkelgeschwüre; ein sichtlicher
Erfolg ärztlicher Tätigkeit und Belehrung, denn an-
fänglich stellten gerade sie die Hauptzahl aller zur Be-
handlung kommenden Kranken, und zwar ihre Heilung
hat seinerzeit die Brücke zum Verständnis der ärzt-
lichen Kunst geschlagen. Dr. Born hatte vor 10 Jahren
noch eine jährliche Frequenz von 130 Fußgeschwüren.
Sie bedürfen nicht nur deshalb der Erwähnung, weil
sie bisweilen bei alten Leuten, wovon ich mich in
einem Falle überzeugen konnte, iargenwenatb entarten
(ein Verhalten, das ich niemals bei Negerstämmen
beobachtet habe) und nicht nur weil langdauernde,
schlecht heilende Geschwüre den Kranken hochgradig
entkräften können, sondern auch deshalb, weil sie da-
durch eine mittelbare Bedentung gewinnen, daß auf
Jap jeder auch an einer ernsten äußeren Krankheit
Leidende sich des Geschlechtsverkehrs zu enthalten hat
und dadurch für das Fortpflanzungsgeschäft ausge-
schaltet ist.
Ebenfalls seltener als z. B. bei Negerstämmen sind
di itären Hautkrankheiten. Besonderer
—* bedarf die Tinen imbricata, die ich bei
der Dorfbewohner notierte, was im Ver-
Aios 9. ihrer sonstigen, stellenweise bis über 30 v. H.
steigent gen Verbreitung im Schutzgebiete günstig ist.
Die Tinea steht kaum mit Recht im Rufe der Harm-
losigkeit, denn sobald das Leiden einmal den ganzen
Körper überzogen hat, # es ausnahmslos mit schwerer
Anämie verbunden. Es wäre ja auch kaum begreiflich,
wenn die unnnterbrochene Erkrankung des ganzen
Hautorganes spurlos am Gesamtorganismus vorüber-
gehen sollte. Auffällig war mir, daß weitaus die
meisten der beobachteten Tineafälle unter den Hörigen
des Volkes zu finden waren, während nur ausnahms-
weise ein freier Japmann mit ihr behaftet war. Es
besteht ein Unterschied zwischen Freien und örigen,
der für die Erklärung dieser Beobachtung in Frage
kommt. Jeder freie Japmann und jede Frau pudert
den Körper sorgfältig mit einer trockenen, aus der
Gelbwurzel (Curcuma longa) hergestellten, eigenartig
riechenden, trockenen Paste ein, Reng genannt. Diese
Sitte ist ein Vorrecht der Freien und wird heutzutage
als Schmuck betrachtet und geübt; den Hörigen ist er
verboten. Als Grund der Anwendung der Gelbwurzel
hat man einen vermeintlichen Schutz gegen Erkältungs-
krankheiten durch Verstopfung der Hautporen an
nommen. Näher liegend und wahrscheinlicher aher
dünkt mich, daß rspnlich ein Schutz der Haut'gegen
Insektenstiche und Parasiten erzielt werden sollte. In
der Tat ist die Haut der freien Japbewohner nicht nur
von Tinea, sondern auch anderen Hautleiden viel mehr
verschont als die der Sklaven. Versuche über eine
eventuelle antiparasitäre Wirkung der Curcuma longa
sollen noch angestellt werden.
Auffallend groß ist nach Angabe eines ärztlichen
Berichtes aus Jap die Zahl von 42 „Geisteskranken“.
Ich habe keinen von ihnen zu Gesicht bekommen; nur
einige Imbezille habe ich gefunden. In einem der
besuchten Dörfer wurde indessen ein junger Mann vor
mir versteckt gehalten, dessen mir geschilderte Krank-
heitssymptome eine Dementin praecox vermuten ließen.
Überblicken wir die ganze Pathologie der Insel
Jap, so sehen wir, wie sie sehr stark durch Zuwachs
von außen her in letzter Zeit bereichert worden ist.
Von fremden Kulturgütern haben die Leute auf-
fallend wenig bisher angenommen, viel weniger als
.B. die meisten Negerstämme: von den Kulturübeln
aber mehr als genug. Hier haben wir ein Beispiel
dafür. daß es zur Vermittlung ener einer weit längeren
Spanne Zeit bedarf als zur Ausstattung mit diesen.
Gegen die Annahme jener sträubt sich der am alten
festhaltende Sinn eines Naturvolkes, aber gegenüber
diesen nützt alles Sträuben nichts. Einmal über-
mittelt, geht ihre Asöreitnng. in unserem speziellen
Falle die der übertragbaren Krankheiten, selösttärig
weiter vor sich, genau wie ein einziges Farbkörnchen,
von einem Vorübergehenden in ein Gefäß mit Wasser
geworfen, dieses rasch durchdringt, auch wenn der Ver-
mittler wieder davongeht. Dabei wird der Inhalt
des Gefäßes um e schneller und stärker durchsetzt, je
kleiner es ist. r wollen ferner nicht vergessen, daß
der Verkehr mit der Insel Jap zwar kein besonders
Koohester ist, daß er sie dafür aber, abgesehen von
Afrika, in unmittelbarem Rontakt mit allen anderen
Erdteilen gebracht hat, wodurch auch deren sämtliche
Krankheiten ihr näher gerückt sind. Auf der anderen
Seite hat gerade die Bevölkerung isolierter Insel-
gruppen früher, vor ihrer Einbeziehung in den Welt-
verkehr, unter ganz besonders günstigen Verhälinisien
binsichtlich ihrer Anpassung an Rrankheiten gestanden.
Festlandsvölker stehen in dauernder, sei es friedlicher,
ei es kriegerischer Berührung mit ihren Grenznach=
baren; der Nachbar der Inselbölker ist das Meer. Der
geringe Verkehr mit andersartigen Stämmen er-
möglichte es im Laufe der Jahrhunderte, daß die ur-
sprünglichen Krankheiten der Inseln immermehr von
ihrer Schwere verloren, indem entweder eine all-
gemeine Immunität eintrat oder immer die zu ihnen
Disponierten ausgemergt wurden, während die Wider=
standsfähigeren überlebten, ihre günstigeren Anlagen
vererbten und so die Stärke und Ausdehnung der
Krankheiten vermindern halfen. Außer mit den
Nachbarinselun, auf denen eine gleichrassige Bevöllerung
mit gleichen Krankheiten wohnte, war ein Verkehr mit
anderen, entfernteren Bölkern nur ausnahmsweise oder
ungewollt gegeben; und dann waren während der
langen Fahrt auf verschlagenem Kann etwaige akute
bertragbore Krankheiten schon abgelaufen. Je isolierter
deshalb die Lage einer Insel ist, um so näher wird
die natürliche Anpassung dem Ideal kommen, daß
endogenc Epidemien überhaupt unmöglich werden und
daß endemische Krankheiten sich immer mehr ab-
schwächen. So günstig eine solche Isolierung während
der Abgeschlossenheit gegen entfernte Kontinente für
das Japvolk gewesen ist, so nachteilig mußte sie bei
deren Schwinden sein, denn nun erhöhte sie die
Empfänglichkeit für alle die Seuchen, von denen sie
bis dahin befreit war. Dazu kamen diese in zeitlich
rascher Folge über das Land, dem keine Zeit gegönnt
war, sich von den Verlusten des einen Unglücks zu er-
holen, bis ein neues hereinbrach. Die Ausbreitng
aller neuen Krankheiten wurde begünstigt durch die
Dichte der Besiedelung, durch den engen Verkehr der
einzelnen Ortschaften, durch die Shaienische Sorglosigkeit,
zu der sie durch die frühere Gunst der Verhälknisse
erzogen waren end durch die völiige tuderne irgend-
welcher Heil= oder Schutzmittel gegen die ihnen un-
bekannten Feinde.
Diese insulare Isoliertheit ist wohl von den Ethno-
graphen als ursächlich für die Eigenart vieler Insel-
kulturen schon längst erkannt, aber für die enge, ein-
seitige Aupassung von Krankheiten wohl kaum schon