Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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des Dienstverhältnisses die Heimbeförderung zu ver- 
langen, und daß der Arbeitgeber, wenn er diesem Ver- 
langen nicht nachkommt, die im § 3 bestimmte Strafe 
verwirkt, so stellt sich die Verordnung als eine in das 
Gebiet der allgemeinen Verwaltung fallende Polizei- 
verordnung dar, durch deren Erlaß der Gouverneur 
die ihm #ertengenen Befugnisse nicht überschritten hat. 
In materieller Beziehung ist daher die 
nungr vom 8. Januar 1900 nicht zu beanstanden 
Die Verordnung knüpft die heinsunbluh 
des Arbeitgebers an die Voraussetzung, daß der Ver- 
trag durch Kündigung bzw. Entlassung Kitens des 
Arbeitgebers sein Ende gefunden hat. Wenn nun auch 
3. bereits am 4. Jannuar 1911 seine Arbeit bei der 
Beklagten niedergelegt hat. so kann hierin doch keines- 
wegs die Beendigung des Vertrages, den die Beklagte 
crord- 
  
mit G. geschlossen hatte, erblickt werden. Es ist klar, 
daß ein Vertrag nur durch gerechtfertigte sofortige 
Kündigung endet. Deshalb war zweifellos die Arbeits- 
niederlegung G.8 rechtlich unerheblich, der Vertrag lief 
ruhig weiter und wurde rechtlich erst durch die Kündi- 
gung der Beklagten zu Ende gebracht. Diese Kündigung 
ist aber unbestrittenermaßen erst am 10. Januar 1911 
seitens der Bellagten erfolgt. Dementsprechend lag 
der Beklagten auch die er Verordnung vom 
8. Januar 1000 statnierte Heimsendungspflicht des G. ob. 
Die Beklagte ist daher dem Kläger für die von 
ihm verauslagten Heimsendungskosten, zu denen selbst- 
verständlich, wie auch vom Vorderrichter anerkannt ist, 
die Kosten für Verpflegung und Unterkunft bis zum 
Abgang der nächsten Beförderungsgelegenheit gehören, 
gemäß § 679 B. G. B. ersatzpflichtig. 
Nr. 33. 
Auszug aus dem Urteille des Kaiserlichen Obergerichts für Kamerun und Togo vom 6. Januar 1914. 
Die Eingeborenen der Küstenbezirke Kameruns 
lennen ein dem Eigentumsbegriff entsprechendes oder 
wenigstens nahekommendes Privatrecht an Grund und 
Boden. 
Das Dorfeigentum steht den Dorfsgenossen in ihrer 
Gesamtheit nach Art eines Eigentums zur gesamten 
Hand zu. Der Häuptling vertritt die Gesamtheit der 
Berechtigten im Rechtsleben. 
Ein Privatrecht am Grund und Boden, das dem 
Rechtsbegriff des Eigentums entspricht oder diesem 
Rechtsinstitut wenigstens so nahesteht, daß es ihm 
praktisch gleichzusetzen ist, ist den Eingeborenen der 
Küstenbezirke Kameruns — um die es sich hier allein 
handelt — bekannt. Freilich hat dieses „Eigentum“ 
vielfach noch nicht die Gestalt des Individualeigentums 
einzelner Personen angenommen, auch scheint in Ka- 
merun nicht (wie in Togo) ein Familieneigentum als 
Zwischenstufe zwischen Individnaleigentum und Dorf- 
eigentum sich ausgebildet zu haben, vielmehr ist die 
privatrechtliche Beherrschung des Grund und Vodens. 
die rechtliche Form seiner Nutzung für die Zwecke 
er Privatwirtschaft der Einzelnen oder bestimmter 
der in Kamerun vielfach noch das Dorf- 
cigentum. 
Es ist hiergegen eingewendet worden, das Dorf 
entbehre jeder gesetzlichen Organisation zur Willens- 
vertretung und könne deshalb nicht als das Subjelt. 
von Privatrechten erscheinen. Dieser Einwand über- 
trägt nicht nur unzulässig die hochentwickelte Auffassung 
der auf römischer Grundlage ruhenden modernen Rechte 
über die Möglichkeit eines gedachten Rechtssubjeltes 
(der juristischen Person) auf die primitiveren Rechts- 
begriffe der Eingeborenen, sondern er irrt auch darin, 
aß er im individnellen Sondereigentum die einzig 
mögliche Erscheinungsform des Eigentums sieht. Dieser 
Einwand übersieht, daß ein konkurrierendes Eigentum 
Vieler an derselben Sache etwa in der Art, wie man 
im deutschen Recht von einem Eigemum zur gesamten 
Hand spricht, durchaus denkbar und möglich ist. T Diesem 
Institut des Eigentums zur gesamten Hand ähnelt in 
er Tat das Dorfeigentum an Grund und Boden, wie 
es im Küstengebiet Kamernus im Leben vorkommt 
und sogar wohl die Regel bildet, am vollkommensten. 
und man mag es geradezu als Eigentum zur gesamten 
Hand bezeichnen, wenn es notwendig sein sollte, den 
Erscheinungen des Rechtslebens der Eingeborenen mit 
den geläufigen Rechtsbegriffen des deutschen Rechtes 
näherzukommen. 
  
  
Wortführer und im Rechtsleben anerkannter Ver- 
treter der Gesamtheit der Berechtigten ist für die Dorf- 
genossen der Häuptling, sei es mit, #kq es ohne Zu- 
stimmung von „Altesten“ und auch der Beklagte will 
ja „das rechtliche Anführen, daß der Häuptling mit 
Zustimmung der Altesten des Dorfes ein Dorfgrund-= 
stück vermieten darf, nach seiner Richtigkeit nicht an- 
zweifeln“. Das Dorfeigentum steht also nicht den 
Häuptlingen und Dorsschaften als solchen (8§ 2 
Reichskanzlerverfügung vom 17. Oktober 1896), scheder 
den Dorsgenossen in ihrer Gesamtheit zu. Die „Eigen- 
tumsansprüche oder sonstigen dinglichen An- 
sprüche“, welche unter den Eingeborenen bestehende 
Gemeinschaften, insbesondere auch Dorfgemeinschaften 
nachweisen lönnen (Kronland V. O. § 1), sind als An- 
sprüche des Privatrechts eben in Gegensatz gestellt 
zu den sssc Ansprüchen, von denen allein 
? 2 der Ausführungsverfügung des Reichskanzlers vom 
17. Oltober 1896 spricht. Dieser Paragraph kann nur 
von publizistischen Landansprüchen reden, denn die be- 
stehenden Privatrechtsansprüche sind durch r 
Kronlandverordnung schon geschützt und die Ausführungs- 
verfügung des Rcichskanzlers zur Kronlandverordnung 
kann diese Kaiserliche Verordnung nicht abändern. 
Der Nachweis des Bestehens privatrechtlicher 
Ansprüche am Grund und Boden seitens der Dorf- 
gemeinschaften kann nur nach derselben Methode er- 
folgen, wie der Nachweis des individnellen Sonder- 
Fiente einzelner an Grund und Boden (Rund- 
erlaß 3 
Dabe#i ist. freilich für die Anerkennung des Indi- 
vidualeigentums Einzelner mehr zu verlangen als zur 
Anerkennung von Dorfeigentum, weil sich das Indi- 
vidnaleigentum einzelner gerade auch von der Nutzung 
des Dorfeigentums herausheben muß. Deshalb wer- 
den in der Regel für Anerkennung des Sondereigen- 
tums mit Recht „besondere Leistungen wie Errichtung 
eines massiven Hauses oder Anlage von Dauerpflan- 
zungen“ verlangt. (Runderlaß Nr. 32 vom 13. No- 
vember 1912). Das Dorfeigentum onenon muß sich 
nur klar von herrenlosem Land und publizistischen 
Landansprüchen unterscheiden. 
Letzteres wird dadurch dokumentiert, daß das be- 
treffende Grundstück der Privatwirtschaft nutzbar 
gemacht ist, ersteres dadurch, daß nicht nur eine vor- 
übergehende Nutzung, sondern eine o die Dauer be- 
rechnete Nutzbarmachung dargetan wird. 
„Einen angemessenen Anhalt, ob der Wille, ein 
bestimmtes Stück Land als eigenes zu haben, (von 
der Dorsschaft) auch ernstlich betätigt ist, wird man
	        
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