Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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In welchem Umfange das im besonderen für 
das Trypanosoma gambiense zutrifft, ist frei- 
lich schwer zu entscheiden, und hierbei muß man 
mit seinen Schlüssen sehr vorsichtig sein. 
Fassen wir kurz zusammen, was bis in die 
letzte Zeit durch wissenschaftliche Beobachtungen 
und Experimente in dieser Frage festgestellt war: 
Was zunächst das Trypanosoma gambiense 
betrifft, so ist es, wenn auch nicht immer, so doch 
in einer Anzahl von Fällen möglich, 
1. diesen Erreger sowohl durch direkte Blut- 
überimpfung wie auch durch den Stich infektiöser 
Glossinen auf Wild und Haustiere zu übertragen. 
2. Diese so experimentell übertragenen Try- 
panosomen können sich unter Umständen ziemlich 
lange im Körper von Antilopen und Haustieren 
halten. Das Wild bleibt anscheinend durch die 
Infektion gänzlich ungeschädigt; dasselbe gilt in 
der Regel von Haustieren. 
3. Von Antilopen und Ziegen, die mit dem 
Trypanosoma gambiense infiziert worden waren, 
kann in einer Anzahl von Fällen der Parasit 
durch Vermittlung von Glossinen wieder weiter 
übertragen werden; in einem von Duke beschrie- 
benen Experiment war das noch 22 Monate nach 
der Infektion möglich, in anderen Fällen, nament- 
lich in den von Kleine und Fischer berichteten, 
war diese Frist bedeutend kürzer. Überhaupt 
nimmt die Infektiosität mit der Länge der Zeit, 
die seit dem Auftreten der Trypanosomen im Blut 
verstrichen ist, ab. 
Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse jedenfalls 
beim Trypanosoma rhodesiense, nur daß 
sofort die bedeutend größere Virulenz dieses Er- 
regers gegenüber allen Tierarten auffällt. Das 
Wild scheint zwar im allgemeinen bei einer 
experimentellen Infektion mit dem Trypanosoma 
Trhdesiense gleichfalls keine Krankheitserschei- 
nungen zu zeigen, alle Haustiere jedoch, wie 
Rinder, Ziegen, Schafe, Esel, Hunde, erkranken 
nach einer Infektion mit diesem Erreger prompt 
und gehen in der Regel rasch ein; sie sind also 
zum mindesten keine langfristigen Parasiten- 
träger. 
Wissenschaftlich betrachtet, ist also in der Tat 
die Möglichkeit, daß das Wild und in beschränktem 
Sinne auch die Haustiere ein Reservoir für die 
Erreger der Schlafkrankheit bilden können, gar 
nicht abzuleugnen. 
Aber schon bei diesen experimentellen Beob- 
achtungen zeigen sich graduelle Unterschiede. Die 
deutschen Untersucher stellten zwar die Möglich- 
keit fest, Säugetiere für einige Zeit zu Trägern 
von menschenpathogenen Trypanosomen zu machen, 
fanden aber gleichzeitig, daß dieses Vorkommnis, 
namentlich auch hinsichtlich der Dauer der In- 
fektiosität, ein ziemlich beschränktes sei. Im 
  
Gegensatz dazu glaubten einige englische Forscher, 
insbesondere D. Bruce, das Vorkommnis nicht 
nur als Möglichkeit, sondern beinahe als Regel 
bezeichnen zu können; sie nahmen im Anschluß 
an ihre Untersuchungen an, daß das Wild für 
den Erreger der Schlafkrankheit ein in jeder Hin- 
sicht vorzügliches Reservoir darstelle, von dem 
aus die Trypanosomen auch nach langer Zeit 
noch mit großer Leichtigkeit durch Glossinen wieder 
weiter übertragen werden können. 
So stand die Angelegenheit, als infolge des 
Auftretens von menschlicher Trypanosomiasis in 
Rhodesia und Nyassaland erneute Untersuchungen 
auf diesem Gebiete unternommen wurden. King- 
horn und Vorke, aber auch Bruce glaubten 
dort einen klaren und einwandfreien Beweis 
dafür gefunden zu haben, daß das Wild nicht 
nur in Experimenten, sondern auch in der Natur 
eine ganz außerordentliche Rolle als Träger der 
Trypanosomiasis des Menschen spiele. Hatte man 
früher gegen Befunde von angeblichem Trypano- 
soma gambiense in natürlich infiziertem Wild 
und Haustieren einwenden können, daß es sich 
in Wirklichkeit gar nicht um diesen Erreger, sondern 
um ein nur morphologisch gleich aussehendes, 
aber nicht menschenpathogenes Trypanosoma 
handle, so lag die Sache bei dem Erreger der 
Schlafkrankheit in Rhodesia und Nyassaland, dem 
Trypanosoma rhodesiense, anscheinend viel ein- 
facher. Diesem Parasiten waren ja bekauntlich 
morphologische Eigentümlichkeiten zugeschrieben 
worden, durch die er sich von allen anderen 
Trypanosomen ohne weiteres unterscheiden lassen 
sollte; in der Tat galten noch bis vor kurzem 
die Verlagerungen des Kerns nach dem Hinter- 
ende des Parasiten, die sogenannten Kernhinter- 
endformen, die merkwürdigerweise früher nie be- 
achtet worden waren, als absolut charakteristisch 
für das Trypanosoma rhodesiense. 
Kinghorn und Vorke stellten nun in ihrem 
Arbeitsgebiet fest, daß unter dem dortigen Wild 
die sehr beträchtliche Zahl von 16 v. H. infiziert 
waren mit Trypanosomen, die bei der Verimpfung 
auf Versuchstiere typische Kernhinterendformen 
zeigten und sich auch in ihrer Virulenz gegenüber 
Tieren vollkommen wie das Trypanosoma 
rhodesiense verhielten. Damit war nach ihrer 
Ansicht bewiesen, daß in der dortigen Gegend 
16 v. H. des Wildes Träger der menschlichen 
Schlafkrankheit seien. Diese Feststellung ver- 
breitete sich rasch und gewann dadurch auch nach 
außen hin an Bedeutung, daß sie mit den schon 
früher von D. Bruce vertretenen Ansichten über- 
einstimmte. Und so ist es zu verstehen, daß sich 
um diese Zeit nicht nur aus wissenschaftlichen 
Kreisen, sondern auch aus der von der Schlaf- 
krankheit bedrohten europäischen Bevölkerung
	        
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