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Notwendigkeit im Sinne des öffentlichen Wohls
oder der Volkswirtschaft, so muß dies in einem
Akt des wirklichen öffentlichen Rechts (Staats-
hoheitsrechts) zum Ausdruck kommen, welches
dann seinerseits die bestehenden Privatrechte ein-
schränkt. Das ist dann aber kein Gemeinge-
brauch mehr.
Die vorerwähnte Unklarheit hat nun den
Entwurf auch dazu geführt, das durch die Wege-
ordnung den Reisenden an öffentlichen Wegen im
Verkehrsinteresse gegebene Weide= und Wasserrecht,
welches in Wahrheit ein öffentliches Recht im
Sinne der Staatsgewalt bedeutet, als ein
Beispiel des Gemeingebrauchs zu bezeichnen.“)
Interessant ist die Darstellung des Anlieger-
rechts an den öffentlichen Flußläufen quasi als
bevorzugter Gemeingebrauch (§ 20 des Entwurfs).
Wenn man das Bett der sogenannten öffentlichen
Wasserläufe nicht, wie das südafrikanische Gesetz,
grundsätzlich den Anliegern, sondern dem Landes-
fiskus zusprechen will, so bleibt diese Konstruktion
allerdings wohl als einziger Ausweg. Schwierig
ist dann jedoch die Frage einer Trennung von
Betteigentum und Ufereigentum (Anlieger ), die
das neue preußische Gesetz z. B. verwirft (das
Ufer gehört zum Bett). Ob es aber überhaupt
zweckmäßig und im Interesse der vielleicht vom
Staate einmal direkt auszuführenden wasserwirt-
schaftlichen Unternehmungen zwingend war, so
ausgedehnte — einen großen Teil des Jahres,
zum Teil sogar dauernd — oberflächlich trocken
stehende Wasserbetten (z. B. den ganzen Unterlauf
des Omuramba u Omatako) dem Eigentum
des anliegenden Farmers und seiner Benutzung
(Ackerbau, Aufstellung von Wasseranlagen usw.)
zu entziehen, möchte ich stark bezweifeln. Zur
Durchführung gemeinnütziger Interessen und Un-
ternehmungen würden in einer großen Anzahl
von Fällen die Bestimmungen über Wassergenossen-
schaften eine hinreichende Grundlage bieten können
(Staatliche Beihilfen). Deshalb sollten die Betten
der oberirdisch aussetzenden Wasserläufe in möglichst
weitem Umfang dem Privateigentum der Anlieger
überlassen werden.“)
Die dem Anlieger zugestandene Entnahme von
Sand, Schilf, Holz usw. aus dem fiskalischen
Flußbett dürfte anderseits in praxi die rechtliche
Unklarheit noch erhöhen.““)
*) Über Gemeingebrauch vgl. v. Eschstruth, Grund-
irV Sines sühwestafrikanichen Wasserrechts, Seite
½ Die Ausführungen des Farmers Prion über
das Bett des Omuramba u Omatako (K mlresoige
des im Bett befindlichen Schwemmlands) in den Ver-
handlungen des Landesrats (Sitzung vom ir Mai
d. J sind in dieser Hinsicht sehr beachtenswert.
***) Aus der Begründung zum 8 21 ist übrigens
leider zu ersehen, daß die ganz unzureichende Verord-
Das Recht des Gouverneurs, einen Fluß als
öffentlich ohne Enteignung in Anspruch nehmen
zu können (§ 8), läuft dem für die Flüsse kon-
struierten Eigentumsbegriff offenbar zuwider.
An sich ist natürlich der Gedanke der Inanspruch-
nahme eines Wasserlaufs niederer Ordnung für
eine höhere Ordnung durch die zuständigen In-
stanzen ohne Enteignung gemeinnützig und wirt-
schaftlich zweckmäßig.
Außerordentlich glücklich scheint mir die Fassung
des § 23 zu sein, insofern, als eine feste Rang-
ordnung zwischen dem Wassergebrauch für land-
wirtschaftliche Bewässerung und dem zur Kraft-
erzeugung, wie bisher in Englisch-Südafrika, nicht
festgesetzt wird, diese beiden Nutzungsarten viel-
mehr gleichgestellt werden. Eine wesentliche
Bedeutung liegt ferner in der Bestimmung, daß
gegenüber der neuen Benutzung durch einen
Eigentümer nur die tatsächlich bisher aus-
genutzten Wasserrechte der übrigen Eigentümer
geschützt werden, nicht aber die gleichen Nutzungs-
möglichkeiten oder latenten Rechte. Dieses Vor-
recht, welches der Priorität in der Nutzung ge-
geben wird, ist für ein unerschlossenes Neuland
zweifellos von großer Wichtigkeit und ein Ansporn
für den tüchtigen Farmer.
Die Beschränkungen im Gebrauch unter-
irdischen Wassers sind — mit Ausnahme des
Quellenschutzes — im allgemeinen zweckentsprechend
in Anlehnung an das neue preußische Wassergesetz
formuliert worden. Der im Genossenschaftsrecht
vorgesehene Beitrittszwang für Bergwerke (§ 89)
ist zweckmäßig. Dagegen erscheint das Bestehen-
lassen der wasserrechtlichen Befugnisse der Berg-
behörde nach der Bergverordnung vom 8. August
1905 (vgl. § 106 des Entwurfs) bedenklich. Ein
Zusammenwirken von Wasser= und Bergbehörde —
wie im preußischen Quellenschutzgesetz — hätte
für beide Ressorts angehende Fälle vorgesehen
werden sollen.
Inwieweit die verhältnismäßig umfangreiche
Fassung der einzelnen Bestimmungen über die
Verleihung und die Wassergenossenschaften dem
jetzigen wirtschaftlichen Bedürfnisse bereits ent-
spricht oder von diesem erfordert wird, kann,
wie eingangs hervorgehoben, von hier aus schwer
beurteilt werden.
Für die grundsätzliche Beurteilung berührt
es aber eigentümlich, wenn gegenüber dem für
die vorstehend erwähnten Rechtsinstitute vor-
gesehenen breiten Raum andere wichtige Ma-
terien, wie die Wasserbücher und der Quellen-
schutz, mit wenigen Zeilen abgetan werden. Die
nung zum Schutz der Holzbestände (namentlich an den
Wasserbetten) von 1900 noch immer nicht durch eine
brauchbarere ersetzt worden ist.