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letzterer indessen aus den Worten des britischen
Kommandeurs den Eindruck gewonnen, daß den
gefangenen Europäern eine würdige Behandlung
zuteil werden würde.
Am folgenden Tage, 26. August, erließ der
Kommandeur der feindlichen Truppen einen Be-
fehl, wonach Togo unter Kriegsgesetz gestellt wurde.
Des weiteren enthielt der Befehl u. a. fol-
gende Punkte: Die Kriegsgefangenen verbleiben
zunächst in Atakrvame und dürfen ohne schriftliche
Erlaubnis ihre Quartiere nicht verlassen. Alle
Gefangenen werden bewacht. Sie haben sich
darauf vorzubereiten, daß vom 28. August an
ihre Überführung nach Lome stattfinden wird. Die
Gefangenen dürfen ihr persönliches Gepäck mit
sich nehmen und zum Zwecke des Packens ihre
Behausungen — unter Eskorte — aufsuchen. Den
Angehörigen der Katholischen Mission wird ge-
stattet, in Atakpame zu bleiben und ihre Tätigkeit
fortzusetzen..) Je einem, noch zu bestimmenden
Angestellten jeder kaufmännischen Firma in Togo
wird erlaubt, nach Abgabe ehrenwörtlicher Ver-
pflichtung, in Atakrame zu bleiben und — unter
Oberaufsicht des Chef-Transportoffiziers — im In-
teresse seiner Firma weiterhin tätig zu sein. Be-
züglich der gefangenen Pflanzungsangestellten wird
einem besonderen Kommissar die Entscheidung
darüber überlassen, ob sie auf Ehrenwort zur
Fortführung der Pflanzungsarbeiten zurückbleiben
dürfen. Bis auf weiteres werden alle Läden
geschlossen, und nichts darf verkauft werden.
Wegen dringender Requisitionen ist ein besonderes
Ansuchen an den Chef-Transportoffizier im Haupt-
quartier zu richten. Fälle von Plünderung sind
zu melden. Der älteste Sanitätsoffizier hat seiner-
seits Anordnungen betreffend das Sanitätswesen
und die Hospitäler zu erlassen, denen Folge zu
leisten ist.
Aus den seinerzeit hierher gelangten Tele-
grammen des Majors v. Doering war bereits
ersichtlich gewesen, daß sowohl Engländer wie
auch Franzosen von Norden her gegen Kamina
vorrückten. Die Erklärung für diese, im Hinblick
auf die Gesamtlage nicht ohne weiteres verständ-
lichen Maßnahmen lieferte erst die oben erwähnte
Zuschrift an den „Temps“. Hierin heißt es
u. a., daß die Verbündeten beabsichtigt hätten,
gemeinsam nach Sansanne — Mangu im
Norden der Kolonie zu marschieren, wo man
den Befehlshaber der deutschen Truppen mit
170 weißen und 1080 (1) schwarzen Sol-
*) Im Gegensatz dazu hatten die Franzosen am
9. August die Mitglieder der Ratholischen Mission in
Anecho als Gefangene nach Dahomey mitgeführt (vgl.
Fölnische Volkszeitung Nr. 827 vom 21. September
1914).
daten vermutete. Eine kleine französische Kolonne
habe indessen im genannten Ort festgestellt, daß
dem nicht so war. Der britische Kommandant
Bryant — der nach der gleichen Quelle eine
gemischte Abteilung von 440 englischen") und
160 eingeborenen Soldaten befehligte — und
der französische Befehlshaber Marofx beschlossen
alsdann, auf Kamina zu marschieren.
Wir lassen nunmehr im Auszuge eine Schil-
derung der Vorgänge in Togo folgen, die dem
Reichs-Kolonialamt erst vor wenigen Tagen von
einem, seit langen Jahren in Togo tätigen Pflanzer
zugegangen ist. Der Verfasser, dem wir auch die
vorstehenden näheren Angaben, betreffend die
Übergabe-Verhandlungen, verdanken, befindet sich
noch im neutralen Auslande.
Am 5. August war der Kriegszustand über
Togo erklärt, und sämtliche Mannschaften des
Beurlaubtenstandes hatten sich zu melden. Aus
diesen Leuten — Reserve bis Landsturm —
wurde eine Europäerkompagnie gegründet, der
sich noch verschiedene Kriegsfreiwillige anschlossen.
Das Kommando über die Europäerkompagnie
hatte zunächst Rittmeister v. Roebern, dann
Leutnant Fräuelin.
Nachdem Geheimrat v. Doering es den Ver-
heirateten anheimgestellt hatte, in Lome zu bleiben,
machten davon etwa 25 Familien""“) Gebrauch.
Ferner verblieben zur Übergabe in Lome Be-
zirksamtmann Clausnitzer und zwei Sekretäre.
Von diesen Personen wurden nun am 9. und
10. August mehrere Ehepaare und einzelne zurück-
gebliebene Kaufleute in englische Gefangenschaft
gebracht, und zwar nach Accra, Secondi- bzw.
Kumassi; einzelne davon unter der Beschuldigung,
unseren Truppen Nachrichten permittelt zu haben.
Inzwischen waren folgende Vorkehrungen ge-
troffen worden:
Die Polizeitruppe blieb in Kamina und die
Europäerkompagnie kam nach Atakpame.
Inzwischen hatte der Feind Lome besetzt, und
wir hörten, daß er im Anmarsch auf Kamina sei.
Damit nun die Funkenstation Togblekofe nicht
unversehrt in die Hände des Feindes fiel — ob-
wohl schon die ötigsten Sachen abmontiertwaren —,
fuhr eines Tages der Reg. Baumeister und Leut-
nant d. R. Laverenz nach Tsewie. Es gelang
ihm, bis nach Togblekofe durchzukommen, den Turm
umzulegen und die übrigen Maschinen unbrauchbar
zu machen. Auf der Rückfahrt wurde noch die
Shio-Brücke gesprengt.
PFVermutlich Besatzungsmannschaften von Kriegs-
schiffen.
*)) Namen werden nach Möglichkeit in einer späteren
Veröffentlichung mitgeteilt werden.