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Am 7. Oktober wurden in Duala unsere sechs
Kamvagnien mit einem Bataillon der W. A. F. F.
(#est African Frontier Force) und zwei kleinen Feld-
geschützen in Barkassen und Leichtern verladen, um
gegen den 65 km aufwärts am Wuri liegenden Ort
Jabassi zu fahren. Dort waren stärkere Abteilungen
des Feindes in festen Stellungen gemeldet. Wir ver-
brachten etwa zwölf langweilige Stunden in unsern
unbequemen Barkassen und stießen dann auf einen
vorgeschobenen feindlichen Posten; diesen vertrieben
wir mit zwei Schüssen aus einem 15 cm-Geschütz auf
unserer Barkasse. Unsere Kompagnie landete dort und
blieb die ganze Nacht auf Wache. Am andern Morgen
um 6 Uhr gingen wir, etwas weiter oben, am rechten
Ufer an Land, etwa 5 bis 7 km unterhalb Jabassi,
wo der Feind stand. Unweit seiner Stellung, etwa
t) m davon, befand sich eine kleine Gruppe von
Wellblechhäusern; von dort erhielten wir die ersten
Schusse. Meine Kompagnie war die dritte im Vor-
marsch. Wir stießen so weit vor, wie wir konnten, um
zu sehen, woher das Feuer kam. Es war recht un-
angenehmes Maschinengewehrfeuer. Wir mußten, etwa
50 um den HLäusern gegenüber. Deckung hinter einem
niedrigen Zaun suchen und ließen etwa 10 Minuten
lang einen Hagel von Geschossen über uns ergehen,
die kaum einen oder zwei Fuß über unseren Köpsen
durch den Zaun schlugen. Wir fanden uns bald damit
ab. daß wir das feindliche Feuer nicht niederkämpfen
würden. Daher beschloß unser Kompagnieführer, auf
cigene Faust einen Flankenangriff zu versuchen. Hierbei
kamen wir mit drei anderen Kompagnien zusammen,
die nun mit uns vorgingen. Unser Angriffsplan ging
dabin, zwei halbe Kompagnien in der Feuerlinie zu
balten, zwei weitere zur Unterstützung bereitzuhalten
und zwei weitere als Reserve zurückzuhalten. Ich
befand mich mit meiner Halbkompagnie in der Feuer-
linie. Als alles bereit war, stießen wir etwa 400 m
entschlossen vor. erhielten aber von dem Gegner einen
recht unzgiemlichen Empfang, und zwar von rechis und
links sowie in der Front. Wir warteten ab, bis das
Feuer etwas nachließ, und gingen dann zurück; denn
cs war unmöglich, ohne Unterstützung der Geschütze
vorzudringen; diese konnten aber nicht nach vorn
gebracht werden. Bald darauf erhielt die ganze
Nolonne Befehl zum Rückzug, den wir in guter
Orduung vollzgogen. Unsere Leute, Eingeborene, hatten
sich trefflich gehalten;: obwohl sie 48 Stunden nichts
zu essen gehabt hatten, kämpften sie den ganzen Tag
obne Murren. Und was ist das für ein Tag ge-
wesen! Die Sonnenstrahlen drangen einem regel-
recht durch den Leib. Unsere Wasserflaschen waren
bald geleert. An Verlusten hatten wir unter unsern
16 Weißen: 1 Offizier tot, 1 verwundet, 2 Unter-
offziere tot. Am 10. kam der General in einer Barkasse
an und befahl uns allen, nach Duala zurück zugehen, wo
wir uns gegenwärtig befinden.“
Eine zweite Expedition konnte Mitte Oktober
Jabassi besetzen, nachdem sich unsere Abteilung
vor den überlegenen Kräften zurückgezogen hatte.
Anfang November kam es hierauf zwischen Jabassi
und Njamtam, wo sich eine Station der Bap-
tisten -Mission befand, fortgesetzt zu Patrouillen=
gefechten, die für die Engländer verlustreich ver-
liefen.
Am 6. November suchten die Engländer den
Platz Njamtam heim; auch bei diesem Zug
haben sie sich nicht mit Ruhm bedeckt. Nach
Schilderungen von Missionaren der Baptisten-
Mission haben sie sich in Njamtam in der rück-
sichtslosesten Weise über die Freiheit von fried-
lichen Bewohnern, über den in der Kongoakte
besonders geregelten Schutz von Missionaren und
die Sicherheit des Privateigentums hinweggesetzt
und selbst die Neutralität amerikanischer Bürger
nicht geschont“).
Die Verteidigung der Nordbahn war einer
etwa 150 Mann starken Abteilung unter Haupt-
mann von Engelbrechten zugefallen; ihr waren
an Offizieren noch zugeteilt: Leutnant Abra-
mowski, Leutnant d. R. Gouvernementssekretär
Losch, Leutnant d. R. Regierungslandmesser
Gröpke, Leutnant d. R. Forstassessor Pfitzen-
mayer und Stabsarzt Stechele; an Unteroffi-
zieren: Vizefeldwebel d. R. Warnicke und Feldwebel
Schwab, und zwei Förster der Oberförsterei Mujuka.
Außerdem waren aus dem Gebiet der Nordbahn
noch weitere 12 Europäer, meist Pflanzer, zur
Verstärkung herangezogen. Später kam noch als
weitere Verstärkung aus dem Ossidinge-Bezirk
eine Abteilung von 50 schwarzen Soldaten unter
Leutnant d. R. Stationsassistent Klimowitz
hinzu. Diesen Kräften stand ein Feind mit 500
bis 1000 Mann gegenüber.
Hauptmann von Engelbrechten war mit
seiner Abteilung Ende September vom Gebiet
des Kamerunberges zur Verstärkung der Be-
satzung von Duala befohlen worden; er mußte
an der Nordbahn haltmachen, da es ihm nicht
mehr gelungen war, vor der Einnahme TDualas
dieses zu erreichen. ·
Als erste Basis für seine Verteidigungsmaß—
nahmen an der Nordbahn wählte von Engel-
brechten den Ort Susa bei km 25. Die Ver-
teidigung war im Verhältnis zu der kleinen Zahl
der Verteidiger eine besonders schwierige Auf-
gabe; vor allem mußte das Augenmerk darauf
gerichtet werden, zu verhindern, durch den über-
mächtigen Feind umgangen und abgeschnitten zu
werden. Daher war es nötig, nicht nur die Bahnlinie
als solche zu sichern, sondern auch den Mungofluß,
die zwischen Susa und der Bomono-Brücke vorhan-
denen zahlreichen Wasserläufe und die in diesem
sehr bevölkerten Gebiet vorhandenen zahlreichen
Zubringerstraßen nach der Bahnlinie. Diese
Maßnahmen wurden sehr erschwert durch das ver-
räterische Verhalten der Duala und der ihnen
nahestehenden Eingeborenen, die in dem Ver-
teidigungsabschnitt Bomono—Maka—Susa— Mu-
juka Mbanga des Nordbahngebietes wohnen.
Nur mit deren Hilfe konnten sich die Engländer
vor Uberraschungen sichern und auf Schleichwegen
*) Agl. dazu die eingehenden Berichte von An-
gehörigen der Baptisten-Mission im Deutsch. Rol.
Blatt Nr. 4 vom 15. Februar 1915.