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nant, der an Venenemzündung schwer krank darnieder-
lag. Daher wurde hier auch das Genfer Rote Kreug
gebißt. Die Eingeborenen von Dschang hatten große-
Furcht, und wir befürchteten. daß die noch treu ge-
bliebenen Schüler und die Knechte der Landwirtschaft
davonlaufen würden. Am selben Nachmittag kamen
auch schon die deutschen Truppen zurück. Alles, was
irgendwie wertvoll für den Feind hätte sein können,
wurde in Sicherheit gebracht oder vernichtet. Am 30.
und 31. Dezember machte die berittene Enuropäer=
abteilung Streifzüge nach Fongo-RNdeng, um die Eng-
länder zu beobachten. Am Sylvesterabend schlief die
Nachhut auf der Mission. Alles war so ruhig, als ob
ganz Dschang ausgestorben wäre. Endlich am 2. Ja-
nuar kam die Nachricht, daß die Engländer mit drei
Ranonen und 800 Mann im Anmarsch seien. Zeld-
webel Schneider, der einen Zug von 38 Mann be-
jehligte, bekam noch in letzter Stunde den Austrag, den
Feinden bei Dschang ein Gefecht zu liefern. Nach-
minags um 2 Uhr 10 Minnten erschienen die Engländer
an der Mennabrücke, die das Missionsgrundstück mit
dem Hauptkarawanenweg verbindet. Anßer etwa 800
Soldaten folgte noch ein unübersehbarer Troß von
Trägern, die die Geschütze und die Munition herbei-
schleppten. Sosort wurden die Kanonen und Ma-
schinengewehre aufmontiert, und es wurde in Stellung
gegangen. Es dauerte nur wenige Minnten, und schon
plauten die Granaten in den Gebänden des Bezirksamts.
Unsere Soldaten gaben darauf mehrere Salven auf
den Fcind ab. Dann wurde auf der Regierungsstation
die weiße Flagge gebistt. Leider fielen nachher noch
cinige Schüsse von einigen versprengten schwar zen Sol-
daten, die von ihren Fübrern getrennt waren. Die
Engländer feuerten nach Erscheinen der weißen Flagge
cbonfalls noch seche Ranonenschlsse nach den Regierungs-
gebäuden ab. Die feindlichen Truppen schwärmten
nun aus in der Richtung der Mission und der Re-
gierungsstation. Die ersten, welche zur Paterstation
tamen, umzingelten diese und drangen dann durch
Fenfter und Türen ein. Schaden haben sie nicht au-
gorichtet. Ein Soldat glaubte einen Deutschen zu
schen und gab auf ihn drei Schüsse ab. Wahrschein-
lich war der vermeintliche „Deutsche“ unser Pserde-
sjunge., der um dieselbe Zeit Reißaus genommen hatte.
Golt sei Dank ist er noch mit heiler Oaum davon-
gekommen. Bald kamen einige englische Unteroffiziere,
die sich bei Kaffee und Wein etwas erfrischen wollten.
Cndlich kamen der Chef der Rompagnie, die unsern
Ougel besenzt hatte, Captain Antiwood, sowie ein
Geniecaptain, namens Clemens, ein Jrländer, und
Zwei Leumants. Die Offiziere waren alle nett und
taten nach Ansicht aller ihr möglichstes, um die berben
Befehle ihres Obersten mit Schonung auszuführen.
Dienompaguie Antiwood wurde teils bei den Schwestern,
teils auf der Paterstation einqguartiert. Captain Anuti-
lwvod bat mich, ihm jede Ungebörigkeit seiner Soldaten
mitteilen zu wollen. Captain Clemens bezog ein
Nachtlager in dem Schulraum der Schwesternstation,
um Aueschreitungen der Soldaten zu verhüten. Natür-
lich konnte auch dieser nicht verhuten, daß dennoch
manches Huhn in den Töpfen der Soldaten verschwand,
und manch schönes Breit aus der Schreinerei zum
Feuern verwendet wurde.
Sonntag, den 3. Jannar, war um 157 Uhr stille
beilige Messe. Um 9 Uhr wurden sämtliche Herren von
Captain Clemens und mehreren Soldaten zum Stabs-
offi zier geführt, der unsere Personalien aufnahm. Als
wir auf dem Heimwege waren, sahen wir schon, wie
unsere sümtlichen Milchkühe, Zugochsen, Ziegen,. Schafe
und Schweine abgetrieben wurden. Auch wurden in-
zwischen zu Hause das Lager und der Speicher auige-
brochen und ihres Inhalts beraubt.
fanden sich auch viele Nachlaßsachen von ge-
fallenen deutschen Offizieren, die für deren
Angehörige bestimmt waren. Besonders wurde nach
Flinten, Wertsachen, Hacken, Schaufeln und Busch=
messern gefahndet. Selbstverständlich mußten wir auch
unsern gesamten Proviant abliefern.
Verzeichnis der von den Engländern uns abge-
nommenen Sachen: 60 Schafe. 19 ziegen, 25 Schweine.
10 Milchkübe, 8 Kälber, 6 Zugochsen, 4 Rinder,
24 dentsche Hühner, 12 einheimische Hühner, 3 Pferde
(1 Stute, 2 Fohlen!, 2 Sättel mit Filgzsatteldecke,
3000 kgE deutsche Kartoffeln, 12 000 kg süße Kartoffeln,
etwa 1500 kr Makabo, 75 ku Weizenmehl, 50 kg
Roggenmehl, 1 Kiste Zucker, 120 Buschmesser, je 6 Hacken
und Schaufeln bzw. Spaten, endlich medizinische Gegen-
stände im Werte von 100 ..
Am 4. Januar 1915 wurde uns eröffuet. daß
sämtliche Deutschen die Mission zu verlassen
hätten. Gch sandte sofot ein Protestschreiben an den
Oberst, worin ich als einziger katholischer Priester am
Orte Beschwerde gegen die Abbernfung cinlegte. Doch
umsonst. Es wurden für sämtliche in Dschang ge-
machten Kriegsgefangenen (es waren zusammen 21 Per-
sonen, 8 Kinder miteingerechnet) 150 Träger bewilligt.
Da die Frauen und Rinder getragen werden mußien
wegen des weiten und schlechten Weges (er ist von den
sich zurückziehenden Deutschen zerstört worden), so
blieben nur noch wenige Träger übrig, um unsere
notwendigsten Sachen zu befördern. Das übrige zum
Leben Notwendige sowie den Hausrat schafften wir in
die Kirche, da sämtliche Gebände der Mission nieder-
gelegt werden sollten. Als Grund wurde angegeben:
Die englischen Truppen zögen sich jetzt zurück, und den
Deutschen wolle man in der Regenzeit keine Wohnungen
überlassen.
Am 6. Jannar 1915, morgens 6 Uhr, mußten wir
zur Abreise fertig sein. Die bestellten Träger sowie
30 Schwarze mit geladenen Gewehren traten an, und
alles mußte von daunen ziehen. JIch verließ als letzter
die Station. Ich übergab noch dem Captain Antiwood
einen Schlüssel für die Kirche, da er sich bereit erklärte,
die besseren Möbel des Hauses in Sicherheit zu bringen.
Inzwischen waren die Regierungsgebäude schon dem
Erdboden gleichgemacht worden.
Die Franen, Kinder und der kranke Leutnant d. R.
Ried wurden auf Stühlen getragen. da man keine
Hängematten hatte. Die übrigen Herren gingen zu
Fuß. Nach einem sechsstündigen Marsch kamen wir in
einem englischen Kriegslager bei Fong-Donera an.
Man gab uns dort frisches Fleisch zum Abendbror,
eine improvisierte Hüttc als Nachtquartier. Am
zweiten und dritten Tag danerte die Reise etwa
ebensolange. Am vierten Tage endlich erreichten wir
die Endstation der Kamerun-Nordbahn. Bei einer
Revision unserer wenigen Habseligkeiten mußten wir
dort die traurige Tatsache konstatieren, daß unsere
sauberen Nigeriaträger viele Sachen ge-
stohlen hatten, so besonders Bostecke, Schüsseln,
Feldstühle: auch ganze LKisten mit Inhalt sind ab-
handen gekommen. Der verantwortliche Führer
der Karawane hatte dazu bloß das bekannute -I m
verr sorry##. Nach einer zwölfstündigen Eisenbahnfahrt
kamen wir am 10. Jannar 1915, abends 9 Uhr, in
Bonaberi an. Sofort wurden wir in eine Pinasse
gebracht und fuhren, ständig beleuchtet von dem Schein-
werfer eines Rriegeschiffes, nach Dualn. Dort inter-
nierte man uns einen Tag lang bei ärmlicher Nost im
Gebäude der Basler Missionshandlung. Wir mußten
eine Erklärung abgeben, daß wir nichts unternähmen,
was irgendwie den verbündeten Feinden Deutschlande
nachteilig sein könnte. Nachdem wir dags Schrifiptuck
Darunter be= ! unter zeichnet hatten, führte man uns am 12. Jannar
* o ß