Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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genau visitiert. Der sonst gutmütige Feldwebel 
kam bald zur Überzeugung, daß er es mit einem 
ganz harmlosen Gefangenen zu tun habe. Er er- 
kannte mich an meiner Kleidung als einen man 
for goodpalaver--(Gottesmann) und wurde sogar 
freundlich, nachdem er mich, in seiner Auffassung 
als Mohammedaner, bei Allah schwören ließ, daß 
ich nichts gegen die englischen Truppen im Schilde 
führe. Ich erklärte ihm, ich sei kein man kor 
fight-, sondern „man for goodpalaverz-. Als 
ich ihm kurz mein Schicksal erzählte, wurde er 
ganz mitleidig und schüttelte den Kopf über die 
Bosheit der Schwarzen in Bonendale und Bona- 
beri. Er konnte das nicht verstehen. Ich bat 
ihn um etwas Essen, und er gab mir gern einen 
Zwieback aus seinem Brotbeutel und bedauerte, 
daß er nicht mehr hätte. Was mir der weiße 
Offizier nicht gab, gab mir der schwarze 
Soldat. Diese Wahrnehmung konnte ich später 
noch ein paar Mal machen. Eine starke Wache 
führte mich die Stiege hinauf in die obere Woh- 
nung des Bahngebäudes. Dort sollte ich bleiben 
und ja nicht wagen, die Stiege herunterzukommen. 
Ich war nun offiziell englischer Kriegsgefangener, 
„Prisoner of warz. 
Zu meiner Überraschung fand ich oben im 
Stationsgebäude einen Leidensgefährten, einen 
deutschen Kaufmann aus Bonaberi, den man von 
seiner nicht weit entfernten Wohnung hier inter- 
niert hatte. Er war eben daran, ein Nachtlager 
herzurichten, und wunderte sich über den späten 
Besuch. Leider konnten wir nichts auftreiben im 
Gebäude; Schränke und alles waren leer. Ich 
war so müde und abgemattet, daß ich fast nicht 
mehr stehen und sitzen konnte. Der treue Leidens- 
genosse besorgte auch für mich ein dürftiges Lager. 
Bald streckte ich meine übermüdeten Glieder zur 
Ruhe. Ich fand eine Decke, in die ich mich ein- 
hüllte, da ich meine durchgeschwitzten Unterkleider 
ausziehen mußte, um sie zu trocknen. Vor lauter 
Müdigkeit konnte ich kaum schlafen. Bitter weh 
tat mir das Los unserer verwaisten Christen. Als 
ich in der Frühe hinabsah auf den Bahnplatz, 
mußte ich unwillkürlich lachen beim Anblick der 
scharfen Bewachung, die man uns angedeihen 
ließ; außer den vielen Mannschaften standen auch 
noch an mehreren Ecken Maschinengewehre. Von 
Zeit zu Zeit kamen ein paar scharf bewaffnete 
Soldaten und schauten nach, ob wir noch da seien 
und was wir trieben. Das Blut wallte einem 
in den Adern, als wir am Tage hinaus- 
schauten auf die Straßen. Scharenweise 
kamen die Verräter aus allen Richtungen 
herbei und gingen zu den herumstehenden 
englischen Offizieren, um ihnen Mel- 
dungen über die deutschen Truppen zu 
bringen. Diese notierten alles genau; es 
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handelte sich, wie wir aus den Gestikulationen 
merkten, um unsere Truppe bei Maka. Mein 
Leidensgenosse wollte gar nicht mehr hinaus- 
schauen, um sich den Arger zu ersparen, zumal 
die Verräter uns verhöhnten, sobald sie 
unserer ansichtig wurden. Auch hätte er 
mit ansehen müssen, wie aus seinem Hause 
gestohlen wurde, ohne daß es englischer- 
seits gehindert wurde. Da konnte man so 
recht sehen, welche Verräter Duala in sich 
hatte. Alle erhofften natürlich einen reichen 
Judaslohn; der willkommenste Lohn war selbst- 
verständlich, in den deutschen Stores mit- 
räubern zu dürfen. Die englischen Offi- 
ziere gingen dabei selbst mit gutem Beispiel 
voran. Wir mußten es ansehen, wie aus 
den deutschen Faktoreien eine Kiste nach 
der andern, mit Wein= und Champagner- 
flaschen gefüllt, hineinwanderte in das 
Haus des englischen Kommandanten, um 
dort von den Offizieren vertilgt zu werden. 
Die schwarzen Soldaten, die immer wieder neue 
Vorräte herbeischleppten, stahlen dabei wie die 
Elstern und tranken nach Herzenslust Wein, 
Bier und Champagner, wobei sie mangels eines 
Pfropfenziehers einfach der Flasche den Hals ab- 
schlugen. Es war schauerlich, zusehen zu müssen, 
ohne auch nur im geringsten etwas dagegen aus- 
richten zu können. Nicht geringen Arger bereitete 
es uns, als ein gewisser Hill, ein englischer 
Kaufmann, der sich vor dem Kriege schon lange 
in Duala aufgehalten und an deutscher Kultur 
bereichert hatte, auf dem Pferde eines Weißen 
stolz herumritt, um die Truppen zu führen und 
ihnen die Wege zu zeigen. Er war es, der sich 
bei der Internierung mit anderen englischen 
Kaufleuten auf dem Dampfer „Haus Woermann“, 
trotz der bestmöglichen Behandlung, schon immer 
beklagte. Ja, die gutmütigen Deutschen haben 
die Engländer stets gut und nobel behandelt, 
aber das Gegenteil und noch Schlimmeres als 
Gegengabe bekommen. Wie tat uns das Herz 
weh, als wir eine Menge Truppen mit Maschinen- 
gewehren und bis an die Zähne bewaffnet, ab- 
ziehen sahen nach Maka, um auf unsere teuren 
Freunde und Helden Tod und Vernichtung zu 
speien. « 
Ich wurde dann im Laufe des Tages noch 
einmal verhört von mehreren englischen Offizieren 
und gefragt nach all den Orten, wo ich gewesen 
war. Allzugerne wollten sie etwas wissen von 
unseren Truppen; natürlich erfuhren sie von mir 
kein Wort darüber. Im Laufe des Nachmittags 
wurden wir auf einen kleinen Transportdampfer 
im Kamerunfluß gebracht. Dort trafen wir noch 
andere Leidensgenossen. Wir mußten unten in 
der Lucke übernachten und durften nur unter
	        
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