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genen in einem Hause der Basler Missionshand-
lung interniert. Später verbrachte man uns in
ein besonderes Haus, wo wir nicht direkt von
Soldaten bewacht waren und auch auf einer
kurzen, genau abgegrenzten Wegestrecke spazieren
durften. Wenn wir nun auch als frei erklärt
wurden, waren wir deswegen noch lange nicht
frei. War ja doch die Bewegungsfreiheit sehr
eingeschränkt, auch durften wir mit den andern
Gefangenen und mit den freien Eingeborenen
nicht sprechen. Von Herrn Paul, der im
Auftrage des Generals mit den Zivilgefangenen
zu unterhandeln hatte, wurden wir gefragt, wohin
wir gehen möchten. Man hätte uns gerne auf
die spanische Insel Fernando Po abgeschoben,
von wo aus wir mit einem spanischen Dampfer
nach Europa hätten fahren können. Dieser Weg
war für uns aber schon deswegen verschlossen,
weil wir das nötige Geld zur Bezahlung der
Passage nicht hatten. Wie den deutschen Gefan-
genen wurde auch uns Schweizern das Geld bis
auf 100 ./ pro Person abgenommen. Allerdings
bekamen wir Neutrale das Geld wieder zurück,
bevor wir Kamerun verließen. Wir baten Herrn
Paul, uns auf unsere Station zurückzubringen,
was rundweg abgeschlagen wurde. Somit blieb
nur noch der Weg offen, in die Heimat zurück-
zukehren, da man uns ja doch aus der Kolonie
hinaus haben wollte. Um nach Europa zu
kommen, bot man uns auf einem englischen
Passagierdampfer Fahrgelegenheit an, aber unter
der Bedingung, daß wir die Reisekosten selbst
bezahlten, was wir ja nicht konnten und auch
nicht wollten. Da sie uns von unseren Posten
weggenommen hatten, so daß wir alle unserer
Habe verlustig gingen, sollten sie uns auch auf
ihre Kosten nach Hause bringen. Das sollte aber
nur auf dem Wege möglich sein, daß wir mit
den deutschen Internierten auf einem Hilfskreuzer
nach Europa fuhren, wo wir unter den gleichen
harten Bedingungen und Gefahren zu reisen
hätten, wie jene. Als es sich darum handelte,
mit dem armierten Schiffe „Laurentic“ abzufahren,
weigerte sich Herr Dr. Häberlin, mit Frau und
Kind diese Reise nach Europa auf einem Kriegs-
schiffe anzutreten. Ich hörte es selbst, wie nach
einigen Unterhandlungen Dr. Häberlin von
Herrn Paul den ausdrücklichen Befehl erhielt,
auf diesem Schiffe mitzureisen. Somit wußten
wir, daß eine Weigerung nichts nützte. Man
wollte uns eben hinaus haben, damit sie uns
nicht mehr füttern müßten, wie Herr Paul auch
ganz offen sagte.
Nachdem wir drei Wochen in Duala zuge-
bracht hatten, kamen wir am 5. Januar aufs
Schiff. Die Gefangenen wurden in zwei Abtei-
lungen geteilt. Die obere Abteilung war etwas
besser einlogiert und hatte sich sonst noch anderer
Vergünstigungen zu erfreuen. Als Dr. Häberlin
vor dem Obersten der Schiffsbesatzung der Ver-
wunderung Ausdruck gab, daß wir Neutralen gleich
behandelt würden wie die Deutschen, bekam er
zur Antwort, er dürfe es als eine Ehre ansehen,
mit diesem Schiffe fahren zu können, und wir
Schweizer würden zu den kirst class prisoners-
gezählt! Als solche hatten wir das Vergnügen,
im Speisesaal dritter Klasse zu essen, wir Männer
in Kabinen zweiter Klasse und unsere Frauen in
solchen dritter Klasse zu schlafen, eine Einrichtung,
die wir Männer zugunsten unserer Frauen gerne
geändert hätten nach dem Worte: Ladies first!
Recht satt essen konnte man sich selten. Die Be-
dienung am Tische war sehr mangelhaft und
unfreundlich. In den Kabinen war man selber
Kammermädchen. Drückend war für manche Ehe-
männer, daß es sehr erschwert war, selbst bei
schweren Krankheitsfällen in die Kabinen ihrer
Frauen und Kinder zu gehen, um sie zu pflegen.
Ich habe meine Frau während zwei Tagen, da
sie infolge schwerer Erkältung das Bett hüten
mußte, nicht sehen dürfen, konnte auch das Kind
nicht zu seiner Mutter begleiten oder es dort
abholen.
Die Reise mitten im Winter aus dem heißen
Afrika in das nordische Klima mit ungeeigneter
Bekleidung hat meiner Frau schlimm zugesetzt,
indem sie schon auf dem Schiffe krank wurde
und, in Bern angekommen, eine Lungen-
entzündung zu überstehen hatte.
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Nachtrag: Aussage eines Holländers.
Im Anschluß hieran seien noch die proto-
kollarischen Aussagen eines weiteren Neutralen,
eines Pflanzers und holländischen Staats-
angehörigen aus Kamerun, wiedergegeben:
Am 11. Dezember 1914 wurde Bare von
den Engländern besetzt. Alle an der Nordbahn
in Gefangenschaft geratenen Europäer, einschließlich
von uns Holländern, wurden fortgeschafft und
trafen nach mehrtägigem Aufenthalt in Nkong-
samba am 18. in Duala ein. Mein Antrag,
auf meiner Pflanzung verbleiben zu dürfen, war
abgelehnt worden, ohne daß ein militärischer
Grund erkennbar gewesen wäre. Ich und ein
Landsmann von mir sowie drei deutsche Ange-
hörige des Roten Kreuzes sind auf unseren Wunsch
nach Santa Isabel gebracht, alle anderen
Deutschen aber, einschließlich Frauen und Kinder,
dagegen ausschließlich einer Wöchnerin und einer
Schwangeren, sind auf dem Transportschiff „Lau-
rentic“ eingeschifft worden und sollen, soviel uns
gesagt wurde, nach England geschafft werden.