Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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Oistorisch mag es von Interesse sein, daß vor 
30 Jahren, ebenfalls am 7. August, die deutsche Flagge 
in Anecho gehißt wurde: 30 Jahre schwerer Kultur- 
arbeit mit allen ihren Freuden und Leiden lagen hinter 
uns, und jeder wird mit uns fühlen, daß wir und be- 
sonders die alten Togodeutschen nur feuchten Auges 
von dem Errungenen schieden, um der Ubermacht zu 
weichen. 
Herr Rittmeister v. Roebern sprach kurz vor 
unserer Abfahrt, auf dem Trittbrett des Zuges stehend, 
der uns aus Anecho bringen sollte, vor dem ver- 
sammelten Togovolk und vor der Front der Europäer 
einige packende Worte. 
Am selben Tage, am 7. mittags, fuhr dann unsere 
gesamte weiße und schwarze Streitmacht von Lome 
per Eisenbahn nach Kamina ab, was die vollzogene 
Räumung Lomes bedeutete. Abends 8 Uhr kamen wir, 
nachdem an den verschiedenen Stationen noch die dor- 
tigen Europêäer hinzugekommen waren, in Agbonu, 
der Kamina nächstgelegenen Eisenbahnstation, an. 
Die kleine, uur einen Turm fassende Funkenstation 
Togblekovbe, die aber immerhin z. B. mit Südwest- 
afrika in Verbindung kommen konnte, war inzwischen 
unbrauchbar gemacht worden. Die schwarze Truppe 
wurde noch nach Kamina geführt, während die Euro- 
päer mangels geeigneter Luartiere die Nacht im Zuge 
verbringen mußten. — Am 8. morgens marschierten 
wir nach Kamina, wo der Kommandeur nochmals eine 
kurze Ansprache hielt, und bald ging es wieder zurück 
nach Agbonu und dann per Eisenbahn zur nächsten 
Station Atakpvame, wo wir in den Faktoreien unsere 
Quarnere bezogen. « 
Vom 9. ab begannen für die Europäerkompagnie 
Tage barter militärischer Ubungen. Hatten doch die 
Reserveoffiziere zusammen mit den Feldwebeln und 
Unteroffizieren der Reserve die schwierige Aufgabe, in 
kurzer Zeit den Nichtgedienten das Notwendigste bei- 
zubringen und aus ihnen zusammen mit den früheren 
Militärs eine brauchbare Einbeit zu formen. Leicht 
war der Dienst unter tropischer Sonne nicht, und 
Krankheiten kamen häufig genug vor. Die dauernd 
glänzenden Erfolge der Unsrigen zu Hause. die uns 
jeden Tag durch das Reichs-Kolonialamt über Nauen— 
Kamina gemeldet wurden, ließen aber die Strapazen 
vergessen, und großer Jubel herrschte bei den besonders 
großen Ereignissen. 
Zur selben Zeit waren die erfahrenen Militärs 
mit Hilfe unserer schwarzen Soldaten eifrig tätig, 
Kamina in einen Verteidigungszustand zu setzen. Die 
6 km lange Ausdehnung der gesamten Anlage ließ es 
aber später unmöglich erscheinen, dort eine wirksame 
Verteidigung mit dem Häuflein brauchbarer Soldaten 
durch zufuhren, weshalb man auf die Taktik des An- 
greisens zurückging. und die ersten Abteilungen dem 
von der Richtung Lome aus anrückenden Feind ent- 
gegenschickte, um ihn so lange als möglich aufzuhalten. 
Oauptmann Pfaehler, der einzige aktive Infan- 
tericoffizier, der erst vor kurzer Zeit nach Togo versetzt 
war. wurde mit der Leimng dieser Expedition betraut. 
Abgehetzt kam er am 11. eiwa nach tage= und nächte- 
langem Ritt aus dem tiefsten Innern im Bezirksamt 
Atakpame an, übernachtete dort, meldete sich nächsten 
Morgen beim Kommandeur und fuhr sofort der vor- 
ausgesandten ersten Enropäerabteilung per Bahn 
mit einer schwarzen Truppe nach Agbelupboe nach. 
Leider mißglückte dieses Unternehmen; während die 
Unfrigen die Bahnlinie berunterfuhren. zogen zur 
gleichen Zeit die Verbündeten die parallel laufende 
Landstraße hinauf. Das Resultat war, daß die eine 
Europäerabteilung unter der Führung des Ober- 
leutnants der Reserve Schlettwein abogeschnitten 
  
und gefangengenommen, eine kleine Patrouille aus 
drei Europäern und einigen schwarzen Soldaten seit- 
lich abgetrennt, und davon zwei Europcer, der Leut- 
nant der Res. Dr. Sengmüller und UAizefeldwebel 
der Res. Dr. Kolsdorf verwundet und gefangenge- 
nommen wurden. Hauptmann Pfaehler hatte sich 
abends mit dem Rest unserer Leute in Agbeluvphoe ge- 
sammelt, wo die Verbündeten das Stationsgebäude 
besetzt hielten und ihre Hauptmacht erwarteten. Abends 
1 10 Uhr beendete dieser schneidige Offizier durch den 
Heldentod seine kurze militärische Laufbahn. Eine 
jedenfalls ziellos abgeschossene RKugel traf die Hals- 
schlagader, und ohne Schmerzen ging Pfaehler ins 
bessere Fenseits hinüber. 
Für die kommenden Operationen gegen die von 
Lome anrückenden Verbündeten erhielt nunmehr Ar- 
tillerieoberleutnant Mans, der zweite und letzte aktive 
Offizier der Kolonie, den Oberbefehl. Gegen die von 
Osten, von Dahbomey, anrückende franzosische Macht 
leiterte Rittmeister von Roebern den Vorpostendienst 
von Njamassilä aus, und die von Westen über Mi- 
saböhe—Palime anrückende englische Truppe sollte Be- 
zirksamtmann Regierungsrat Dr. Gruner mit den 
wenigen dortigen Deutschen und seiner Polizeitruppe 
aufhalten. 
Für alle Fälle wurden am 19. August 29 Mann 
der Europäerkompagnie nach Kamina zum Spreng- 
kommando befohlen, und der Rest dieser Abteilung in 
Atakpame zur ständigen Wache und zu Patronillen= 
diensten verwandt. 
Am 20. und 21. bereiteten wir ein größeres Ge- 
secht an der Chra vor. wo am 22. auch der Kampf 
stanfand, bei dem unsere braven Landslente mit Hilfe 
ibrer drei Maschinengewehre den Verbündeten. die 
zehnfach überlegen waren und neben ihren Maschinen- 
gewehren zwei Kanonen mitführten, den größten pro- 
zentualen Verlust beibrachten, den die Engländer — 
wie Offiziere mir später sagten — seit 30 Jahren ge- 
habt haben! 17 v. H. ibrer gesamten Soldaten fielen 
dort, hauptsächlich dank der meisterhaften Bedienung 
der Maschinengewehre. Klemp, der beim Wechseln 
der Maschinengewehrstellung leider den Heldentod starb, 
und Brauer waren die Schrecken von den Maschinen- 
gewehren für die Verbundeten., und neben Oberleumant 
Mans war es dem erfahrenen Chinakrieger und alten 
Togodeutschen Rebstein als Führer in erster Linie 
zu verdanken, daß wir für Agbeluphoe eine derart 
glänzende Revanche nehmen konnten. Aber auch unseren 
anderen Brüdern, die im Kugel-= und Granatenregen 
treu unter den schwersten Bedingungen in den Schützen- 
gräben aushielten und ihre Schuldigkeit taten, sei 
Dank und Ehre ge zollt. So mancher hatte öfter als 
einmal im Geiste mit diesem Leben abgeschlossen, doch 
ein glücklicher Stern schien über unseren Braven zu 
stehen, so daß wir neben dem oben erwähnten Verlust 
nur einen verwundeten Europäcr. Leutnant der Res. 
Ir. von Raven, hatten. Waren schon nach dem 
Agbeluvhoer Gefecht eine große Anzahl unserer 
schwarzen Feiglinge im Dunkel der Nächte geflohen. 
so überkam diese sonst großmäulige Gesellschaft ein 
panikartiger Schrecken, als die englischen Kanonen in 
sprechen anfingen. Nicht mit dem Kolben waren sie 
zu bewegen, anzugreifen, und wir mußten erwarten. 
daß auch der Rest in der Nacht das Weite suchen 
würde. So war es leider eine dringende Notwendig- 
keit, unsere vorzüglichen Stellungen in der Nacht auf- 
zugeben und zurück per Bahn zum Amuzu-Fluß zu 
fahren. Erwähnt sei hbier noch. daß wir die großen 
eisernen Hängebrücken über die Flüsse Ehra und Amnzu 
gesprengt hatten, um den Feind möglichst lange auf- 
zuhalten.
	        
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