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Oistorisch mag es von Interesse sein, daß vor
30 Jahren, ebenfalls am 7. August, die deutsche Flagge
in Anecho gehißt wurde: 30 Jahre schwerer Kultur-
arbeit mit allen ihren Freuden und Leiden lagen hinter
uns, und jeder wird mit uns fühlen, daß wir und be-
sonders die alten Togodeutschen nur feuchten Auges
von dem Errungenen schieden, um der Ubermacht zu
weichen.
Herr Rittmeister v. Roebern sprach kurz vor
unserer Abfahrt, auf dem Trittbrett des Zuges stehend,
der uns aus Anecho bringen sollte, vor dem ver-
sammelten Togovolk und vor der Front der Europäer
einige packende Worte.
Am selben Tage, am 7. mittags, fuhr dann unsere
gesamte weiße und schwarze Streitmacht von Lome
per Eisenbahn nach Kamina ab, was die vollzogene
Räumung Lomes bedeutete. Abends 8 Uhr kamen wir,
nachdem an den verschiedenen Stationen noch die dor-
tigen Europêäer hinzugekommen waren, in Agbonu,
der Kamina nächstgelegenen Eisenbahnstation, an.
Die kleine, uur einen Turm fassende Funkenstation
Togblekovbe, die aber immerhin z. B. mit Südwest-
afrika in Verbindung kommen konnte, war inzwischen
unbrauchbar gemacht worden. Die schwarze Truppe
wurde noch nach Kamina geführt, während die Euro-
päer mangels geeigneter Luartiere die Nacht im Zuge
verbringen mußten. — Am 8. morgens marschierten
wir nach Kamina, wo der Kommandeur nochmals eine
kurze Ansprache hielt, und bald ging es wieder zurück
nach Agbonu und dann per Eisenbahn zur nächsten
Station Atakpvame, wo wir in den Faktoreien unsere
Quarnere bezogen. «
Vom 9. ab begannen für die Europäerkompagnie
Tage barter militärischer Ubungen. Hatten doch die
Reserveoffiziere zusammen mit den Feldwebeln und
Unteroffizieren der Reserve die schwierige Aufgabe, in
kurzer Zeit den Nichtgedienten das Notwendigste bei-
zubringen und aus ihnen zusammen mit den früheren
Militärs eine brauchbare Einbeit zu formen. Leicht
war der Dienst unter tropischer Sonne nicht, und
Krankheiten kamen häufig genug vor. Die dauernd
glänzenden Erfolge der Unsrigen zu Hause. die uns
jeden Tag durch das Reichs-Kolonialamt über Nauen—
Kamina gemeldet wurden, ließen aber die Strapazen
vergessen, und großer Jubel herrschte bei den besonders
großen Ereignissen.
Zur selben Zeit waren die erfahrenen Militärs
mit Hilfe unserer schwarzen Soldaten eifrig tätig,
Kamina in einen Verteidigungszustand zu setzen. Die
6 km lange Ausdehnung der gesamten Anlage ließ es
aber später unmöglich erscheinen, dort eine wirksame
Verteidigung mit dem Häuflein brauchbarer Soldaten
durch zufuhren, weshalb man auf die Taktik des An-
greisens zurückging. und die ersten Abteilungen dem
von der Richtung Lome aus anrückenden Feind ent-
gegenschickte, um ihn so lange als möglich aufzuhalten.
Oauptmann Pfaehler, der einzige aktive Infan-
tericoffizier, der erst vor kurzer Zeit nach Togo versetzt
war. wurde mit der Leimng dieser Expedition betraut.
Abgehetzt kam er am 11. eiwa nach tage= und nächte-
langem Ritt aus dem tiefsten Innern im Bezirksamt
Atakpame an, übernachtete dort, meldete sich nächsten
Morgen beim Kommandeur und fuhr sofort der vor-
ausgesandten ersten Enropäerabteilung per Bahn
mit einer schwarzen Truppe nach Agbelupboe nach.
Leider mißglückte dieses Unternehmen; während die
Unfrigen die Bahnlinie berunterfuhren. zogen zur
gleichen Zeit die Verbündeten die parallel laufende
Landstraße hinauf. Das Resultat war, daß die eine
Europäerabteilung unter der Führung des Ober-
leutnants der Reserve Schlettwein abogeschnitten
und gefangengenommen, eine kleine Patrouille aus
drei Europäern und einigen schwarzen Soldaten seit-
lich abgetrennt, und davon zwei Europcer, der Leut-
nant der Res. Dr. Sengmüller und UAizefeldwebel
der Res. Dr. Kolsdorf verwundet und gefangenge-
nommen wurden. Hauptmann Pfaehler hatte sich
abends mit dem Rest unserer Leute in Agbeluvphoe ge-
sammelt, wo die Verbündeten das Stationsgebäude
besetzt hielten und ihre Hauptmacht erwarteten. Abends
1 10 Uhr beendete dieser schneidige Offizier durch den
Heldentod seine kurze militärische Laufbahn. Eine
jedenfalls ziellos abgeschossene RKugel traf die Hals-
schlagader, und ohne Schmerzen ging Pfaehler ins
bessere Fenseits hinüber.
Für die kommenden Operationen gegen die von
Lome anrückenden Verbündeten erhielt nunmehr Ar-
tillerieoberleutnant Mans, der zweite und letzte aktive
Offizier der Kolonie, den Oberbefehl. Gegen die von
Osten, von Dahbomey, anrückende franzosische Macht
leiterte Rittmeister von Roebern den Vorpostendienst
von Njamassilä aus, und die von Westen über Mi-
saböhe—Palime anrückende englische Truppe sollte Be-
zirksamtmann Regierungsrat Dr. Gruner mit den
wenigen dortigen Deutschen und seiner Polizeitruppe
aufhalten.
Für alle Fälle wurden am 19. August 29 Mann
der Europäerkompagnie nach Kamina zum Spreng-
kommando befohlen, und der Rest dieser Abteilung in
Atakpame zur ständigen Wache und zu Patronillen=
diensten verwandt.
Am 20. und 21. bereiteten wir ein größeres Ge-
secht an der Chra vor. wo am 22. auch der Kampf
stanfand, bei dem unsere braven Landslente mit Hilfe
ibrer drei Maschinengewehre den Verbündeten. die
zehnfach überlegen waren und neben ihren Maschinen-
gewehren zwei Kanonen mitführten, den größten pro-
zentualen Verlust beibrachten, den die Engländer —
wie Offiziere mir später sagten — seit 30 Jahren ge-
habt haben! 17 v. H. ibrer gesamten Soldaten fielen
dort, hauptsächlich dank der meisterhaften Bedienung
der Maschinengewehre. Klemp, der beim Wechseln
der Maschinengewehrstellung leider den Heldentod starb,
und Brauer waren die Schrecken von den Maschinen-
gewehren für die Verbundeten., und neben Oberleumant
Mans war es dem erfahrenen Chinakrieger und alten
Togodeutschen Rebstein als Führer in erster Linie
zu verdanken, daß wir für Agbeluphoe eine derart
glänzende Revanche nehmen konnten. Aber auch unseren
anderen Brüdern, die im Kugel-= und Granatenregen
treu unter den schwersten Bedingungen in den Schützen-
gräben aushielten und ihre Schuldigkeit taten, sei
Dank und Ehre ge zollt. So mancher hatte öfter als
einmal im Geiste mit diesem Leben abgeschlossen, doch
ein glücklicher Stern schien über unseren Braven zu
stehen, so daß wir neben dem oben erwähnten Verlust
nur einen verwundeten Europäcr. Leutnant der Res.
Ir. von Raven, hatten. Waren schon nach dem
Agbeluvhoer Gefecht eine große Anzahl unserer
schwarzen Feiglinge im Dunkel der Nächte geflohen.
so überkam diese sonst großmäulige Gesellschaft ein
panikartiger Schrecken, als die englischen Kanonen in
sprechen anfingen. Nicht mit dem Kolben waren sie
zu bewegen, anzugreifen, und wir mußten erwarten.
daß auch der Rest in der Nacht das Weite suchen
würde. So war es leider eine dringende Notwendig-
keit, unsere vorzüglichen Stellungen in der Nacht auf-
zugeben und zurück per Bahn zum Amuzu-Fluß zu
fahren. Erwähnt sei hbier noch. daß wir die großen
eisernen Hängebrücken über die Flüsse Ehra und Amnzu
gesprengt hatten, um den Feind möglichst lange auf-
zuhalten.