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Nachrichten aus den deutschen Schutzgebieten.
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nu#r mit Quellenangabe gestattet.)
Kamerun.
Berichte dreier Dallotiner Datres über dlie Erelg-
mnisse auf den Missionsstationen Ihasa, Kridi und
Groß-Batanga.“)
J.
Die Vertreibung und Gefangensetzung
der Missionare von Ikasa.
Es war anfangs August, als die Kriegsnachricht
nach Ikasa gelangte. Wir glaubten den kommen-
den Dingen mit aller Ruhe entgegensehen zu
können, weil nach Ansicht aller die Entscheidung
zu Hause ausgefochten würde und deshalb Kämpfe
in den Kolonien zwecklos wären.
Am 16. August — ich war gerade auf einer
Buschreise — bekam ich die Nachricht, daß in der
Ndian= und Mokofaktorei (und, wie ich später
hörte, in ganz Kamerun) sämtliche Eingeborenen-
Getränke (Rum usw.) auf Befehl der Regierung
vernichtet worden wären. Diese Nachricht löste
allerdings gemischte Gefühle bei mir aus: einer-
seits die Hoffnung, daß es mit dem Fusel hier
in Kamerun ein für allemal wohl fertig sei;
anderseits jedoch sprach sie eine zu deutliche
Sprache für den Ernst der Sachlage.
Am 20. August kam auch schon eine Abteilung
von 17 Polizeisoldaten unter Führung eines Re-
serveleutnants nach Bekoko (½ Stunde flußab-
wärts von Ikasa), um die Westgrenze von Rio bis
Ekundukundu zu sichern. Bald darauf, Ende
August, kam das Gerücht, daß Unteroffizier Hirsch
und tags darauf Reserveleutnant Lyhme zwischen
Rio und Calabar durch Verrat gefallen, sodann
auch, daß die Engländer im Anmarsch seien. Die
Folge davon war, daß zunächst sämtliche Farm-
arbeiter der D. W. H.-Farm (1½ Stunde flußab-
wärts, rechts, Bekoko gegenüber) davonliefen.
Jedoch der Umstand, daß die Schüler hier alle
beisammenblieben und auch den Leuten gegenüber
nicht die geringste Unruhe zeigten, wirkte vorder-
hand noch beruhigend auf die Bevölkerung, be-
sonders die hinteren Stämme: Bima, Batanga
und Ngolo, wo auch die meisten Schüler her
waren.
Anfang September kam ein Schwarzer, der
Steward in Rio war, zerrissen und zerfetzt hier
an mit der Meldung, die Engländer hätten Rio
*) Wal. den Bericht des Pallotiner Paters Fürber
aus Duala („D. Kol. Bl.- 1915, Nr. 12,13. S. 270 ff.).
genommen. Der allzu geringen Besatzung war es
nicht möglich, standzuhalten, eine Viertelstunde
vor Ankunft eines englischen Kriegsschiffes räumte
sie den Platz. Es war ein wüstes Bild, das sich
mir darbot, als ich Ende Januar das erstemal
wieder nach Rio kam: Türen und Fenster waren
zertrümmert, der Boden in der Schreibstube der
D. W. H.-Faktorei fußhoch mit vernichteten Ge-
schäftsbüchern usw. bedeckt. Noch, grauenhafter
sah es im Store aus. Zwei große Kassenschränke
waren vollständig demoliert. Zuerst sollen die
Engländer selbst, dann dem schönen Beispiele
folgend, die Schwarzen darin gehaust haben.
Nichts war mehr ganz. Alles war unbrauchbar.
Nicht Habgier allein hat da gearbeitet, weit mehr
die Rachgier und aufgestachelte Wut gegen das
Deutschtum. Denn dasselbe Bild bot auch die
Regierungsstation dar, während die englische
Faktorei (Woodin & Co.) vollständig verschont
blieb. Zu meiner Genugtuung konnte später fest-
gestellt werden, daß kein einziger der Christen
dabei beteiligt war.
Einmal, es war kurz nach der Einnahme von
Rio, kam auch die Nachricht, wilde Horden von
Calabar her seien im Anzug. So etwas war
schon eher geeignet, einen nervös zu machen.
Doch wir blieben auf dem Posten. Die Schule
ging ruhig weiter, Gott sei Dank ließ sich niemand
blicken. Der ganze September verlief ohne be-
sondere Aufregung. Da, mit einem Male — es
war am 1. Oktober — hörten wir, daß sämtliche
Bewohner, sowohl der Dörfer, die flußabwärts
liegen, als auch der nach der englischen Grenze
gelegenen, geflohen seien. Sämtliche Häuptlinge
der Umgegend waren zu einer Besprechung nach
Bekoko gerufen. Dabei sollten (und das war
Geheimbefehl) die Häuptlinge von Musunguseli
und Elibanyanga festgenommen werden, weil
Leute von dort den Engländern Verräterdienste
geleistet haben sollen. Die Eingeborenen bekamen
jedoch von jenem Geheimbefehl, freilich in ganz
entstellter Weise, Wind, und da auch gleichzeitig
Nachrichten einliefen, daß Duala von den Eng-
ländern genommen wurde, auch daß viele Schwarze
dort gehängt und die dortigen Missionare alle
fortgeschickt wurden, da floh alles bei Nacht und
Nebel in den Busch. Ich habe alles aufgeboten,
die Leute, wenigstens die Ikasaleute, die noch am