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Anlaß bieten könne. Der König werde mit ihm
dahin übereinstimmen, daß unter allen Umständen
ein solcher Einspruch vermieden werden müsse.
Das sei durch eine geringe Anderung des Textes
oder durch ein Zusatzabkommen zu erreichen, das
ausdrücklich feststelle, daß die in dem Abkommen
übertragenen Souveränitätsrechte nur solche seien,
die der Kongostaat ohne Verstoß gegen den mit
Frankreich 1884 abgeschlossenen Vorrechtsverkaufs=
vertrag und an eine öffentliche Gesellschaft über-
haupt gewähren könne)
Zugleich wies Salisbury in diesem vertrau-
lichen Schreiben darauf hin, daß er diese ein-
schränkende Maßnahme auch schon deshalb ernst-
lich empfehlen müsse, weil, abgesehen von den
seitens Frankreichs zu erwartenden Schwierigkeiten,
die Verhandlungen, die mit der deutschen Regie-
rung kürzlich gepflogen worden seien, ihm den
Eindruck hinterlassen hätten, daß diese would
view with considerable objection the concession
*) Diese Warnung ist um so interessanter, als
Lord Kimberley kaum vier Jahre später trot# derselben
sich nicht abhalten ließ, in dem longolzsischenglischen
Vertrag vom 24. Mai 1894 im Artikel III sich jenen
bekannten 25 km breiten Pachtstreifen Ian Nordende
des Tanganjika= bis zum Edward-See vom Kongostaat
abtreten zu lassen, welcher Artikel dann auf den leb-
haften Protest Deutschlands hin am 22. Juni 1894 von
den beiden Komparenten zurückgezogen werden mußte!
In dieser Beziehung sei noch folgendes erwähnt:
Bei den Vorverhandlungen zui dem deutsch-englischen
Abkommen vom I1. Juli 1 dem Zanzibar—Helgo-
land-Vertrag) war England daln bemüht gewesen, sich
längs der ganzen Westgrenze von Deutsch-Ostafrika
zwischen diesem Schutzgebiet und der Ostgrenze des
Kongostaates einzuschieben. Es war aber dabei auf
den energischen Widerstand der demsschen Regierung
gestoßen.
Am 25. Mai 1890 berichtet der deutsche Botschafter
Graf Hatzfeldt über eine Besprechung, die er mit Lord
Salisbury nach dieser Richtung gehabt hatte. Nachdem
er zunächst erwähnt, daß dieser mit Rücksicht auf die
Interessen der englischen Missionen nicht geneigt sei,
in dem Gebiet zwischen Nyassa und Tanganjika weitere
Konzessionen, als schon geschehen, zu machen, fährt
er fort:
Da sich hier vorläufig nichts weiter erreichen
ließ, wurde nunmehr die streitige Linie westlich vom
Victoria Nyansa nochmals zwischen uns erörtert.
Ew. Exzellenz wollen hochgeneigtest bemerken, daß als
Ausgangspunkt dieser Grenglinie nach Osten und Westen
der Alexandra-See angenommen ist. Von hier aus
geht die Linie, in nordöstlicher Richtung dem Kagera-
sluß folgend, bis zu dem Victoria-See, nach Westen
in gerader Linie bis zu der Kongogrenze. Es ergibt
sich daraus, daß wir nach diesem Vorschlag von dem
Punkt aus, wo jene Linie die Kongogrenze berührt,
bis zum nördlichsten Punkt des Tanganjika ohne Unter-
brechung den Kongostaat berühren würden.
Nachdem ich Lord Salisbury bis dahin gebracht
hatte, machte ich ihn selbst darauf anzmerisem daß
durch diese von ihm als annehmbar bezeichnete Linie
znsere direkte Verbindung mit dem Kongostaat, auf die
wir nicht verzichten könnten, an diesem Punkt her-
#f territory at the back of their own sphere
without their knowledge and consent“.
Am Schluß seines Schreibens brachte er den
Entwurf einer Zusatzerklärung in Vorschlag, die
dazu dienen sollte, die vorauszusehenden Schwierig-=
keiten zu beheben, und in der ausdrücklich auf
die vom Herrscher des Kongostaates im Jahre
1884 Frankreich gegenüber übernommenen inter-
nationalen Verpflichtungen Bezug genommen
wurde.
Der König dankte unter dem 22. Juni 1890
Lord Salisbury für das freundschaftliche Interesse,
das sein Brief für den Kongostaat erkennen lasse,
und dem er einen hohen Wert beimesse.
Er erkannte an, daß, wenn eine der vertrag-
schließenden Parteien von der anderen eine ge-
nauere Definition der Konzession, die sie erhalten
habe, verlange, die andere hierin einwilligen
müsse, vorausgesetzt, daß mit einer solchen Defi-
mition die Konzession der Partei, die sie gegeben
gestellt sei, die Verbindung der englischen Interessen-
sphäre im Süden und Norden durch die Seern aber,
wenn wir nicht die Freiheit des englischen Handels
dort selbst gewährten, bsotut. aufgehoben sein würde.
Ich knüpfte daran die e, wie er mir denn, nach-
dem er vorhin die Noinen hotet der freien Verbindung
durch die Seen seinerseits betont, den Widerspruch er-
klären könne, daß er im Norden des Tanganjika dem
englischen Handel selbst die Tür verschließe, während
er im Süden dieses Sees hartnäckig ein anderes
Prinzip aufstelle und uns so große und unerwünschte
Schwierigkeiten mache. Zu meinem Erstaunen erwiderte
mir Lord Salisburhy gang offen, daß er selbst diesen
Widerspruch nicht erklären könne. Im Süden sei eben
der empfindliche Punkt für die hiesige öffentliche
Meinung, wie er mir oft gesagt, und er müsse dort
ganz außerordentlich vorsichtig sein, wenn er der Re-
gierung nicht ernste Verlegenheiten bereiten wolle.
Ich knüpfte daran im Scherz die Frage, ob er viel-
leicht einen kleinen Hintergedanken habe, indem er uns
nördlich vom Tanganjika ein Stück gemeinschaftlicher
Grenze mit dem Kongostaat zugestehe, einen Hinter-
gedanken, durch welchen der mögliche Nachteil für Eng-
land ausgeglichen werden solle. Dies wurde von Lord
Salisbury in Abrede gestellt. Mir schwebt dabei, wie
ich gehorsamst bemerken darf, der Gedanke vor, ob
England nicht eventuell Mittel finden würde, vom König
der Belgier — Höchstwelcher sich jetzt einige Zeit hier
aufgehalten hat — in seiner Eigenschaft als Sonverän
des K Kongostaates und gegen entsprechende andere
Vorteile die Zusicherung zu erwirken, daß dem eng-
lischen Handel im Westen unserer eventuellen gemein-
samen Grenzen in irgendeiner Form freier Transit
durch den Kongostaat bewilligt werden solle. Ob und
inwieweit ein solcher Gedanke ausführbar wärc, ent-
Flhn ich, meiner Beurteilung.“
sieht, wie der kluge und scharfblickende
bentchin #bsschafter zwischen der Nachgiebigkeit des
Lord Salisbury und dem Besuch König Leopolds in
London einen Zusammenhang der Dinge ahnte, der
durch das Abkommen zwischen dem König und der
British East Africa Company einen Tag vorher in
aller Stille unter dem Segensspruch Lord Salisburys
bereits zur Tatsache geworden war.
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