Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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Recht und gegen das Recht gehandelt habe. 
Jetzt werde das als eine feindselige Handlung 
gegen England bezeichnet, wofür eine ausdrück- 
liche schriftliche Billigung des britischen Premier= 
ministers vorliege. Wenn England jetzt behaupte, 
daß der Kongostaat besser daran tue, seine Mittel 
und Kräfte gegen die aufrührerische Bewegung 
im Tanganjikagebiet als im Norden zu verwenden, 
so sei darauf hinzuweisen, daß der Kongostaat 
seine Bemühungen gegen alle diejenigen Punkte 
richte, wo die Barbarei drohe. Um aber die 
Gefahr in Manjema zu bekämpfen, sei es er- 
forderlich gewesen, die dortigen Sklavenjäger um 
jeden Preis von einer Verbindung mit den Mah- 
disten abzuschneiden, eine Möglichkeit, auf die be- 
reits im Jahre 1888 die deutsche Regierung 
hingewiesen habe. Diese Gefahr einer Vereini- 
gung der arabischen Sklavenjäger im Süden mit 
den mahdistischen Horden im Norden beseitigt zu 
haben, sei ein Schritt, zu dem alle Freunde der 
Zivilisation sich beglückwünschen müßten. Unrichtig 
sei auch die englische Behauptung, daß der Kongo- 
staat die Wohltaten der Bestimmungen des § 12 
der Kongoakte verwirkt habe, weil er durch die 
Entsendung der van K · 
„appel aux armes: unternommen habe. 
Expedition habe keineswegs das Ziel, den be- 
bestehenden Konflikt mit Gewalt zu lösen. Sie 
sei vor Entstehung des Streitfalles, zur Zeit, als 
man versicherte, daß keine Einwendungen von 
seiten Englands zu erheben seien, entsandt und 
es könnten ihr keinerlei feindliche Schritte gegen 
englische Untertanen nachgewiesen werden. Die 
Bestimmungen des § 12 der Kongoakte seien vom 
Kongostaat nicht verletzt und er sei nach wie vor 
zu Verhandlungen bereit. 
Denn schon gleich bei Beginn des Streitfalles 
hatte sich der Kongostaat am 23. April 1892 
bereit erklärt, über eine anderweitige Regelung 
der Grenze zu verhandeln. Er hatte vorgeschlagen, 
die Grenze vom Schnittpunkt der deutsch-englischen 
Grenze mit dem 30. Meridian diesem Meridian 
bis zum Zusammentreffen mit dem Semliki folgen 
Au lassen. Dann solle die Grenze längs dieses 
Flusses bis zu seiner Mündung in den Albert- 
See verlaufen, von da längs des Süd= und 
Westufers des Sees bis nach Nsabe führen, dann 
dem Parallel dieses Punktes bis zu dessen Zu- 
sammentreffen mit der Wasserscheide des Kongo- 
Nil folgen und solle diese Wasserscheide weiterhin 
nach Westen die Grenze zwischen der Interessen- 
sphäre des Kongostaates und England bilden. 
England hatte aber alle Verhandlungen über eine 
Grenzregulierung abgelehnt und die bedingungs- 
lose Zurückziehung der van Kerckhovenschen Expe- 
dition gefordert. Eine Teilung des Besitzstandes 
am Albert-See sei nach den in Uganda gemachten 
Diese 
  
Erfahrungen mit schweren Unzuträglichkeiten und 
nicht geringen Gefahren verbunden. Die See- 
bevölkerung müßte in einheitlicher fester Hand 
gehalten werden, und dürfe ihr nicht Gelegenheit 
geboten werden, sich durch Flucht auf neutrales 
Gebiet der Verfolgung zu entziehen, falls Un- 
ordnungen ausbrächen. 
Bei der Kontroverse mit dem Kongostaat 
bildete auf seiten Englands die immer wieder- 
holte Behauptung den Hauptstützpunkt, daß Lord 
Salisbury in seinem Schreiben an den 
König vom 21. Mai 1890 nur seine Privat- 
ansicht ausgesprochen habe und daß zur Be- 
tätigung eines solchen, die großbritannischen Inter- 
essen stark berührenden Vertrages eine Konvention 
zwischen H. M.'s Government und dem Kongo- 
staat erforderlich gewesen sein würde, ein solcher 
bestehe aber nicht. Die B. E. A. Co. als eine 
Handelsgesellschaft sei nicht berechtigt gewesen 
politische Rechte auf den Kongostaat zu übertragen, 
dazu würde eine direkte Handlung der Britischen 
Regierung erforderlich gewesen sein. Der Ver- 
trag mit Sir W. Mackinnon sei über sein Anfangs- 
stadium nicht hinausgekommen und unvollständig 
geblieben, die Britische Gesellschaft habe weder 
einen Hafen am Tanganjika, noch einen Weg von 
diesem zum Edward-See, noch ein Gebiet außer- 
halb der britischen Interessensphäre erlangt. Durch 
das deutsch-englische Abkommen vom 1. Juli 1890 
sei die westliche Wasserscheide des Nil in britische 
Interessensphäre übergegangen und kein fremder 
Staat könne dort ohne Zustimmung der englischen 
Regierung Besitzergreifungen vornehmen. Im 
übrigen ergeben sich die Einwendungen der eng- 
lischen Regierung leicht aus den oben angeführten 
Gegenausführungen des Kongostaates. 
Es mochte ja stimmen, daß die Sache nach 
englischen Regierungsgrundsätzen nicht geschäfts- 
ordnungsmäßig behandelt war und daß kein 
schriftliches Votum des Unterstaatssekretärs des 
Foreign Office sowie des betreffenden Abteilungs- 
leiters vorlag, so daß Lord Salisbury staatsrecht- 
lich nicht bevollmächtigt war, seine Briefe vom 
21. Mai und vom 9. Juni 1890 an den König 
zu schreiben. Aber wen traf dann die Schuld 
und wer hatte den Nutzen aus dieser Unterlassung? 
Jedenfalls ist der Vorgang für die Beurteilung 
der Aufrichtigkeit der englischen Politik sehr 
lehrreich. Erbaulich ist es zu sehen, wie die 
Regierung Lord Salisburys seine frühere Mei- 
nungsäußerung nun selbst desavouierte und als 
ein privates, gänzlich unverbindliches Gutachten 
des Premierministers und Leiters des Foreign 
Okkioe hinstellte. Augenscheinlich war nach dem 
Grundsatz verfahren worden, daß auf einen 
Schelm anderthalb gehören. 
Offenbar hat aber die britische Regierung,
	        
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