Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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war bis zu ihrer Gefangennahme in Duala durch- 
aus gesund, begann aber in dem Gefangenenlager 
in Christiansborg infolge der Entbehrungen zu 
kränkeln. Sie kam darauf 5 Tage ins Re- 
gierungshospital nach Accra. Dort bestand die 
Fürsorge durch eine weiße Krankenschwester darin, 
daß sie ihr abwechselnd flüssiges Chinin und 
Rizinus gab und sie, obwohl jedesmal Erbrechen 
erfolgte, so lange damit quälte, bis sie ganz er- 
schöpft war. Frau Märtens wurde gleichwohl 
in das Gefangenenlager zurückgebracht, um nach 
8 Tagen, während deren sie nur einmal einen 
flüchtigen Besuch eines Arztes erhielt, wieder in 
das Hospital zurückbefördert zu werden. Trotz= 
dem sich ihr Zustand in kritischer Weise ver- 
schlimmerte, wurde ihrem Ehemann erst am Tage 
vor ihrem Tode gestattet, sie zu besuchen, als sie 
bereits so schwach war, daß sie nur noch flüstern 
konnte und eine Verständigung kaum noch möglich 
war. Keine der drei englischen Hospitalschwestern 
kümmerte sich um sie, vielmehr war sie ganz Ein- 
geborenen überlassen. Trotzdem mußte der Ehe- 
mann des Abends wieder in das Gefangenen- 
lager zurückkehren. Am folgenden Tage starb 
Frau Märtens, ohne daß sich selbst in den 
letzten Stunden ein weißer Arzt oder eine weiße 
Krankenschwester um sie gekümmert hätte. Erst 
nach dem Tode wurde dem Ehemann von dem 
Lagerkommandanten die Erlaubnis zum Ausgehen 
erteilt, um die er andauernd gebeten hatte, um 
seine todkranke Frau besuchen und pflegen zu 
können. 
J. England. 
Auch in England waren die Gefangenen aus 
Kamerun vor Schmähungen und Erniedrigungen 
nicht geschützt. In Liverpool wurden sie von 
Gassenjungen mit Kot beworfen. In London 
wurden die abfahrenden Deutschen, in der Mehr- 
zahl Frauen, vom Pöbel durch Johlen und 
Steinwürfe belästigt. Auch wurde einem Teil 
der nach Deutschland entlassenen Frauen ein 
Abschied von ihren in England in Gefangenschaft 
verbleibenden Männern nicht gestattet, teils un- 
nötig erschwert. 
Für die Männer, die mitten im Winter aus 
den Tropen in England eintrafen, war in den 
Lagern in Qucensferry und Handforth weder für 
gehörige Unterbringung noch in sonstiger Weise 
genügend gesorgt. 
Die Gefangenen, die nur dünne Tropen- 
kleider trugen, litten auf der Fahrt von Liver- 
pool nach der Station Queensferry im unge- 
heizten Zuge und von der Station zum Ge- 
sangenenlager empfindlich unter der Kälte. Im 
Lager in Queensferry wurden die etwa 250 Ge- 
fangenen in einer 60 bis 80 m langen und 20 m 
breiten Fabrikhalle aus Stein untergebracht. Ein 
  
auf den kalten Steinboden gelegter schmaler Stroh- 
sack mit Strohkissen und zwei gebrauchten nichr 
wärmenden „Zuchthausdecken“ diente zum Schlafen. 
Trotz der zwei Heizkörper war es in der Halle 
empfindlich kalt und wegen Staub und Zugluft für 
aus den Tropen kommende Menschen sehr ungesund. 
In Handforth war die Unterkunft besonders 
mangelhaft. Die Gefangenen wurden in Fabrik- 
schuppen untergebracht, die wegen des feuchten 
Fußbodens unbenutzt waren und deren Wände 
im oberen Teil aus Glas in Eisenrahmen be- 
standen. Die Heizung genügte für die kalten 
Räume in keiner Weise. 
Der für etwa 1000 Gefangene bestimmte 
einzige Waschraum in Queensferry lag 2 Minuten 
von der Unterkunftshalle getrennt, er war zudem 
sehr kalt. 
Auch in Handforth waren die an die Hite 
der Tropen gewöhnten Deutschen beim Waschen 
empfindlicher Kälte ausgesetzt, sie mußten sich im 
Hofe an einer Rohrleitung waschen, deren Kräne 
häufig zugefroren waren. Die vorhandenen sechs 
Badeduschen waren für etwa 2000 Gefangene 
ganz ungenügend. 
Die ärztliche Bersorgung in Queensferry und 
Handforth genügte den Anforderungen in keiner 
eise. 
Infolge dieser Unterbringung stellten sich bei 
den Gefangenen, die in der schlechtesten Jahres- 
zeit aus den Tropen an rauhe Orte der West- 
küste Englands gebracht worden waren, Krank- 
heiten, besonders Malaria und Darmstörungen, 
in Menge ein. 
Auch auf den Dampfern „Askania“ und 
„Tunisian“, auf denen später ein Teil der aus 
Kamerun weggeführten Dentschen untergebracht 
wurde, und im Lager von Wakefield hatten die 
Gefangenen unter den gleichen mangelhaften und 
gesundheitswidrigen Verhältnissen wie in den 
Lagern in Queensferry und Handforth zu leiden. 
** * 
England und Frankreich haben dem Intereise 
aller in Afrika kolonisierenden Nationen zuwider 
den Krieg in die afrrikanischen Gebiete hinein- 
getragen. Hierdurch und durch die Art und 
Weise des Auftretens ihrer schwarzen und weißen 
Truppen, ihrer Offiziere und Beamten ist der 
Glaube an die weiße Rasse als Trägerin euro- 
päischer Gesittung und Kultur bei den Eingebo- 
renen auf das Tiefste erschüttert worden. 
Dieses Vorgehen spricht allem Rassegefühl 
wie aller Menschlichkeit Hohn und fordert den 
schärfsten Protest heraus. 
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