zwungen ist, denn dann würde das englische
Kriegsamt nicht gezögert haben, laut und
vernehmlich in die Siegestrompete zu
stoßen. Eher ist anzunehmen, daß deutscher-
seits der von der englischen Heeresleitung ge-
plante und von Smuts bei seinem Eintreffen
in London seinerzeit so pomphaft verkündete
Versuch einer Einkreisung, die nach Smuts dem
deutschen Widerstand ein jähes Ende machen sollte,
rechtzeitig erkannt und durch die Einnahme der
neuen Stellung vereitelt worden ist. Trifft das
zu, so bedeutet das für die Engländer zum min-
desten einen neuen, recht unangenehmen Verlust
an Zeit und Kosten in diesem schon so lang-
wierigen und unverhältnismäßig kostspieligen ost-
afrikanischen Abenteuer. Die Tatsache, daß der
englische Heeresbericht zugeben muß, daß die
deutschen Streitkräfte nicht nur am Matandu-
slusse, sondern auch gegen die von den Eng-
ländern besetzten Küstenplätze, wie Lindi und
S# di (bekannt als Anlaufhafen der „Marie“),
angriffsweise vorgingen, wobei es anugenscheinlich
zu größeren Gefechten mindestens unentschiedenen
Erfolges gekommen ist, beweist jedenfalls, daß die
deutschen Verteidiger auch nach Aufgabe des Ru-
sidjiabschnittes in dem Küstengebiet nach wie vor
auf ihrem Posten sind und ihre Widerstandskraft
noch ungebrochen ist. Demgegenüber scheinen
dahingegen Englands Söldner im Süden, die
Portugiesen, vorläufig gar nicht mehr mitzuzählen,
sei es nun, daß sie sich von ihren schweren Nieder-
lagen bei Newala und Nangadi im November
bis Dezember 1916 noch immer nicht erholt haben,
oder daß die Verstärkungen, die sie hinausgeschickt
haben, mehr mit der Niederwerfung eines großen
Eingeborenenaufstandes im eigenen Lande als
mit der „Eroberung“ Deutsch-Ostafrikas zu tun
haben. Gibt doch der englische Bericht offen zu,
daß die deutschen Schutztruppenabteilungen sich,
ohne Widerstand zu finden, aus dem fruchtbaren
vortugiesischen Gebiet bis nahe an die englische
Ayassagrenze hin verproviantieren können. Auf
den Vorwurf des angeblichen Sengens und
Brennens sowie des Terrorisierens der Einge-
borenen, Dinge, ohne die nun mal ein amtlicher
englischer Bericht, zumal wenn er für England
Unersreuliches, d. h. also deutsche Erfolge, wieder-
zugeben hat, anscheinend nicht auskommen kann,
braucht man sich nicht weiter einzulassen. Auch
diesmal trägt die englische Berichterstattung den
Stempel der Unwahrheit an der Stirn. Schon
vor dem Kriege waren die Eingeborenen auf dem
#üdlichen, d. h. portugiesischen Ufer des Rovuma
enrig bestrebt, gute Fühlung mit der deutschen
Eeite zu halten. Diese freundliche Stellungnahme
macht ja auch nur die weiten Fouragierungszüge
der sicher nicht großen deutschen Schutztruppen-
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abteilungen erklärlich. Würden diese durch ein
Vorgehen, wie es die Engländer behaupten, die
ganze Bevölkerung gegen sich aufbringen, so würde
auch ohne das Eingreifen portugiesischer Truppen
die guten Verproviantierungsmöglichkei südlich
des Rovuma bald aufhören. Daran hätten aber
höchstens die Engländer und Portugiesen ein
Interesse, niemals aber die Deutschen. Daß zur
Zeit in Portugiesisch-Ostafrika gesengt und ge-
brannt wird sowie Eingeborene terrorisiert werden,
ist trotzdem zu glauben; sprechen doch portugiesische
Berichte von einer „erfolgreichen“ Niederwerfung
des gegen die Mißherrschaft in Portugiesisch-Ost-
afrika ausgebrochenen Aufstandes.
Wie der englische Bericht über die Lage an
der ostafrikanischen Südküste, allerdings wohl
ungewollt, manches zwischen den Zeilen lesen
läßt, so ergibt sich auch bei aufmerksamem Durch-
lesen des Berichtes über die Zentralgebiete ein
anderes Bild, als das englische Kriegsamt sich
gedacht hat. Zunächst bleiben da allerdings
einige Unklarheiten bestehen. Angeblich sollen die
deutschen Kolonnen den Mahengebezirk geräumt
haben und auf Songea und Gumbiro los-
gegangen sein. Was ist dann aus den englischen
Abteilungen geworden, die im Dezember 1916
bis Januar 1917 angeblich nach siegreichen
Kämpfen Songea erobert hatten? Ist die eine
deutsche Kolonne, die nach der Besetzung von
Songea nach dem portugiesischen Gebiet weiter-
gezogen ist, noch dort, und ist auch Songea wie
Mahenge geräumt? Warum meldet dann der
englische Bericht nicht die Besetzung dieser zweifel-
los für die ganze Lage wichtigen Plätze? Da
stimmt also schon etwas nicht und die Lage wird
wahrscheinlich für die deutschen Truppen dort er-
heblich besser sein, als es der amtliche englische
Bericht wahrhaben möchte.
Weniger rätselhaft ist der Bericht bei der
Schilderung des Schicksals der Kolonne Wint-
gens. Nach der Besetzung von Songea und
Gumbiro, das nordwestlich von Songea liegt,
soll Wintgens nach Norden aufgebrochen und
dabei den englischen Truppen des Generals
Northey zwischen Iringa und Nyassasee
pentkommen“ sein? Das erinnert an den Durch-
bruch, den die deutschen Taboratruppen unter
dem sächsischen Generalleutnant z. D. Wahle im
Oktober November 1916 auf ihrem Marsch zur
Vereinigung mit der deutschen Hauptmacht in
Mahenge sich gegen belgische und englische
Streitkräfte siegreich erkämpften. Damals sprach
der englische Bericht von einem „Zurücktreiben
des Feindes nach Osten“ und suchte damit zu
verschleiern, daß die englischen Linien dem deutschen
Ansturm nicht hatten standhalter können. Nun
ist Wintgens, der damals die allzu eifrig nach-