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übergaben Dr. Schultze-Jenas Brief, der durch
den Boten sogleich nach dem etwa 20 km ent-
fernten Humbe weiterbefördert wurde. Darauf
ritten Leutnant der Reserve Roeder und Jensen
sie den Nachbarn schon damals seiner Zufuhren
beraubte.
Folgender Bericht veranschaulicht die Vorgänge
in Südangola im Herbst 1914.
„Im September 1914 erkundete ein Lanu-
dungsoffizier der Woermann-Linie auf einer
Kutterfahrt nach Mossamedes, daß daselbst
Truppen in größerer Anzahl in feldgrauen
Uniformen gelandet wurden. Leider war es
nicht möglich, festzustellen, was die Truppen-
landungen bedeuteten. Man neigte zu der
Annahme, daß es englische Truppen seien —
denn Lüderitzbucht war bereits von den Eng-
ländern besetzt — die von Norden her in das
Schutzgebiet einfallen wollten.
Zum Zwecke genauer Erkundigung wurde
der Bezirksamtmann von Outio, Dr. Schulte-
Jena, vom Gouvernement beauftragt, sich
nach der Nordgrenze unseres Schutzgebietes zu
begeben, um an Ort und Stelle seine Nach-
forschungen anzustellen. Außerdem wollte
Dor. Schultze-Jena, wenn Portugal seine Neu-
tralität in dem gegenwärtigen Kriege bewahren
sollte, versuchen, bei der Angola-Regierung
durchzusetzen, daß die für Südwest bestimmte
Post über Angola geleitet würde, desgleichen
wollte man auch Proviant usw. entweder direkt
in Angola einkaufen oder von auswärts be-
schaffen und durch Angola leiten.
Ende September verließ Dr. Schultze-
Jena Outio; in seiner Begleitung befanden sich
Oberleutnant Lösch und Leutnant der Reserve
Roeder, ferner Polizeiwachtmeister Schaaps,
Polizeisergeant Braunsdorf, Reiter der Schutz-
truppe Kimmel, Pahlke und Kriegsfreiwilliger
Jensen als Dolmetscher sowie mehrere einge-
borene Polizeidiener, Bambusen (Europäer=
Diener) und Karrentreiber. Man erreichte am
16. Oktober die Eriksonsdrift am Kunene. Dort
herrschte völlige Ruhe, von Truppensammlungen
war nichts zu merken. Von hier aus beauf-
tragte Dr. Schultze-Jena den Leutnant der
Reserve Roeder, mit dem Dolmetscher Jensen
am nächsten Morgen, den 17. Oktober, nach
dem portugiesischen Fort „Donguena“ zu reiten
— 45 km nördlich der Drift gelegen —, um
festzustellen, ob sich Portugal im Kriege mit
Deutschland befinde, und verneinendenfalls einen
Brief an den Distriktchef von Humbe daselbst
abzugeben. In diesem Brief bat Dr. Schultze-
Jena den Chef von Humbe um eine Unter-
redung.
Als Leutnant der Reserve Roeder und
Reiter Jensen in Donguena ankamen, erfuhren
sic durch den dort stationierten portugiesischen
Oberlentnant, daß Portugal neutral sei; sie
zurück und kamen am 18. früh wieder an der
Lagerstelle Eriksonsdrift an.
Am Nachmittag desselben Tages erschien
eine portugiesische Patrouille in Stärke von
etwa 35 Mann, halb weiße, halb eingeborene
Soldaten. Der Führer der Patrouille war der
Leutnant Sereno. In der Nähe des deutschen
Lagers sattelten diese ab, und Leutnant Sereno
kam in das Lager, um sich nach dem Zwecke
der Anwesenheit der Deutschen zu erkundigen.
Dr. Schultze-Jena erklärte ihm, daß er eine
Unterredung mit dem Chef von Humbe wünsche
und sich bereits in Donguena anmelden ließ.
Sereno erwiderte, daß der Chef von Humbe
nicht zuständig sei, sondern der Kapitän Moort?),
letzterer besände sich zur Zeit in dem nahen
Fort Naulila — 15 km Entfernung ostnord-
östlich am Kunene gelegen —, und lud
Dr. Schultze-Jena zum Besuch des Forts
am nächsten Morgen ein. Dr. Schultze-Jena
sagte zu, lehnte jedoch Serenos Vorschlag, die
Karre mitzunehmen, ab. Dann bemerkte Sereno
noch, daß die deutsche Abteilung sich auf
portugiesischem Boden befände, doch wies
Dr. Schultze-Jena diese Annahme als irrig
zurück und holte eine Karte herbei, nach der
die Eriksonsdrift noch deutsches Gebiet war.
Dennoch blieb Sereno bei seiner Ansicht. In-
zwischen waren auch die portugiesischen Soldaten
in das deutsche Lager gekommen und wurden
mit Kaffee bewirtet. Die Nacht über blieb
Sereno mit seiner Patronille ebenfalls in un-
serer Nähe, dabei wurde das Lager von portu-
giesischen Soldaten umschlichen. Der deutsche
Posten rief sie an, woranf sie zur Antwort
gaben, zum Wasser zu wollen.
Wie vereinbart, ritten am nächsten Morgen
Dr. Schultze-Jena nebst den beiden anderen
Herren sowie Jensen und vier Bambusen in
Begleitung Serenos ab — die portugiesische
Patrouille war nach Naulila vorausgeschickt —.
Etwa 2 km diesseits Naulila erreichten sie den
Kunene wieder, wo Sereno beschloß, die Pferde
zu tränken. Er schickte von dieser Stelle einen
seiner Leute voraus ins Fort und bestellte
Frühstück für seine Gäste. Nach dem Tränken
saß man wieder auf und ritt weiter. Kurz
vor dem Eingang zum Fort kam der Bote
Serenos mit der Meldung zurück, daß Kapitän
Moor bereits nach Kuamati zurückgeritten sei,
jedoch schriftliche Anweisung hinterlassen habe.
Jensen verdolmetschte dies Dr. Schultze = Jena,
dieser wollte jedoch so nahe am Fort nicht