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Kus den Kochiven des belgischen Kolonialministeriums.
Dreizehnte Veröffentlichung.
Zur Entstehungsgeschichte des Kongostaates.
In Nr. III und IV dieser Artikelserie (Aus den
Archiven des Belgischen Kolonialministeriums, Berlin
1916, Bd. 1, S. 52—53, 78—79) sind bereits einige
aktenmäßige Mitteilungen über die Anbahnung der
ersten politischen Beziehungen zwischen dem Kongo-
staat bzw. seiner Vorgängerin, der Asscciation
Internationale du Congo und der Deutschen Reichs-
regierung veröffentlicht worden. Zu ihrer Vervoll-
ständigung sei hier im historischen Interesse noch
folgendes nachgetragen.
In den maßgebenden amtlichen Berliner Kreisen
hatte man sich mit den Vorgängen am Kongo, be-
sonders aber mit den von Brüssel ausgehenden Be-
strebungen bis ins Jahr 1883 nicht eingehender be-
schäftigt, da sie den unmittelbaren politischen und
Handelsinteressen des Reiches bis dahin ferngelegen
hatten"). Erst die seit November 1882 zwischen
Porlugal und England eingeleiteten langwierigen
und sich hinschleppenden Verhandlungen über die
Anerkennung der portugiesischen Ansprüche auf das
westafrikanische Küstengebict zwischen 8°“ und 5° 12“
*) Der einzige Fall, in dem sich die amtlichen
deutschen Kreise bis dahin mit der Frage der territorialen
Zugehörigkeit der Kongomündung zu beschäftigen
gehabt, hatten, betraf das norddeutsche Scgelschiff
„Hero“. Dieses war, von der Rotterdamer Handels-
gesellschaft gechartert, im September 1870, in der
Kongomündung vor Banana liegend, von einem fran-
zösischen Kriegsschiff dort aufgebracht und nach Gabun
überführt worden. Als die N Nachricht von der Auf-
bringung des Schiffes im November in Berlin einlief,
glaubte man hier, es handele sich um eine Verletzung
holländischen Gebictes, und wurde daher zunächst die
Regierung im Haag ersucht, ihre Neutralität zu wahren.
Diese wies darauf hin, daß die Beschlagnahme auf
portugiesischem Gebiet stattgefunden habe. ierauf
erhielt die Gesandtschaft in Lissabon im Dezember
entiprechende Weisung. Die dortige Regierung ant-
wortete, daß sie Informationen einziehen und für
strikte Aufrechterhaltung der vortugiesischen Neutralität
Sorge tragen werde. Inzwischen war aber die „Hero“
bereits Ende Oktober 1870 von den französischen Be-
hörden in Gabun wieder freigegeben worden. Als
die Kongofrage akut wurde, suchte die portugiesische
Regierung diese Angelegenheit dahin auszunutzen,
daß hier ein Präzedenzfall der Anerkennung der An-
sprüche Portugals auf die Kongomündung durch Deutsch-
land vorliege. Dies wurde aber deutscherseits mit dem
dinwein darauf bestritten, daß damals während des
ieges der Deutschen Regierung die Zeit und die
dii gefehlt hätten, die Frage der Souveränitätsrechte
auf die Gebiete der Kongomündung eingehend zu
prüfen.
südl. Br. und insbesondere auf die Kongomündung,
die Großbritannien seit 1846, in welchem Jahr sie
Portugal in neuerer Zeit zum erstenmal wieder geltend
machte, stets kategorisch abgelehnt hatte und die es
nun zur allgemeinen Aberraschung unter gewissen,
für seine dortigen Handelsinteressen sowie für seine
ostafrikanischen kolonialen Plänc vorteilhaften Be-
dingungen anzuerkennen bereit war, brachten auch
hier einen Wandel.
Die deutschen Vertreter in London und Lissabon
berichteten forllaufend nach Berlin, was sie über den
Gang der Verhandlungen in Erfahrung bringen
konnten. Der deutsche Wahlkonsul Niemann in
Loanda warnte als erster bereits am 12. April 1883
vor den nachteiligen Folgen eines portugiesisch-
englischen Abkommens für die deutschen Export= und
Schiffahrtsinteressen am Kongo“). Der Afrika-
reisende G. Rohlfs sprach sich in einem Artikel in der
Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 22. April 1883
für eine Verständigung mit England behufs der Neu-
tralisierung des K Kongo sowie Herbeiführung ähnlicher
Maßnahmen, wie sic für die internationale Regelung
der Schiffahrt auf der Donau bereits vorhanden scien,
aus. Ihm folgte der boelgische Rechtsgelehrte
E. de Laveleyc am 1. Juni 1883 mit einer Arbeit
in der „Reruc de droit international“ unter dem
Titel „La neutralité du Congo“. In dieser wurde
ausgeführt, daß eine strikte Neutralisierung des Kongo
vielleicht nicht leicht zu erreichen sein werde, wohl
aber würde einc Lösung der aufgestiegenen Kongo-
frage im Sinne aller Interessenten durch Verein-
barung eines Reglements zu erreichen sein, das alle
Angelegenheiten des großen Stromes betreffe und
dessen Ausführung einer internationalen K sommission
mit ähnlichen Funktionen, wie sie die Donau-
Kommission ausübe, zu übertragen sei. G. Moynier,
der Begründer und Präsident der Gesellschaft des
Roten Kreuzes, befürwortete in einer Denkschrift, die er
dem Institut de droit international unterbreitetc,
die Vorschläge von Rohlfs und Laveleye aufs wärmste.
Diese Gesellschaft beschloß ihrerseits, der ihr ge-
wordenen Anregung folgend, in ihrer Sitzung in
*) Amtlich wurde ihm daraufhin von Berlin aus
— wohl mit Rücksi cht auf damals begonnene Erwä-
gungen hinlichtich einer aktiven deutschen Kolonial-
politik — vollständige Zurückhaltung in diesen Fragen
empfohlen.