Full text: Die vaterländische und militärische Erziehung der Jugend

Ill. Das hygienische Gleichgewicht in der Erziehung. 63 
die physiologische Reaktion auf jede maximale körperliche und 
geistige Arbeit, sie ist aber auch gleichzeitig eine Art Sicher- 
heitsventil. Wofür wir besonders bei der Schuljugend Sorge 
zu tragen haben, ist, daß der angestrengten Arbeit eine ent- 
sprechend langwährende Ruhe folgt und daß namentlich die 
Schlafdauer der Schüler nicht zu sehr gekürzt wird. Nur die 
dauernde Übermüdung ist gesundheitsschädigend!). Wir ver- 
mögen ihm aber nicht mehr zu folgen, wenn er nun weiter 
schreibt, wir müßten Maximalleistungen in der Schule an- 
streben und aus den gesunden Kindern herausholen, was aus 
ihnen herauszuholen ist, wir müßten ihre körperliche und 
geistige Leistungsfähigkeit durch ein vernünftiges Training zu 
möglichster Höhe steigern. Es sollen für das eigentliche Stu- 
dium nur die wirklich Tauglichen ausgewählt und eine Aus- 
lese getroffen werden. ALTSCHUL will darin keine Grausam- 
keit erblicken, sondern ein physiologisch und psychologisch 
vollauf begründetes Vorgehen, eine kulturelle, aber auch eine 
hygienische Forderung. 
Wir vermögen uns diesen Standpunkt nicht zu eigen zu 
machen. Denn das Selektionsprinzip wird niemals in der bürger- 
lıchen Erziehung zur unumschränkten Anerkennung gelangen, 
mag es auch bei gesteigerter Konkurrenz auf Gebieten staat- 
lichen und kulturellen Lebens gesetzmäßige Geltung auf- 
weisen. Herausholen wollen wir aus dem Jugendlichen seine 
sämtlichen Fähigkeiten im PESTALozZzIschen Sinne und sie 
methodisch zur Entfaltung .bringen. Das Selektionsprinzip 
unterschätzt die Wirkungen der psychologisch aufbauenden 
Erziehung, die wie ein göttlicher Segen die schwächsten Keime 
und Anlagen erfaßt und zur Blüte bringt. Es gilt gerade, die 
schwachen Kräfte der herankommenden Generation mit er- 
zieherischer Liebe zu entwickeln, jedem das Seine zu geben 
und keinen aufzugeben. 
Wir wollen und müssen in der Entwicklung der Volkskräfte 
allen feindlichen Staaten voranstehen. Aber im völligen Gegen- 
satz zu dem aristokratisch anmutenden Selektionsprinzip nehmen 
wir bei den nationalen, sozialen und pädagogischen Aufgaben 
unsern Ausgang von der Frage: Wie befähigen wir die 
breiten Massen zur brauchbaren Durchschnittsarbeit 
1) ALTSCHUL, Die Frage der geistigen Ermüdung der Schulkinder. 
Zischr. für Schulgesundheitspflege. 1914, Nr. 5.
	        
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