64 III. Das hygienische Gleichgewicht in der Erziehung.
und Selbständigkeit des Wirkens? Nicht Gipfelleistungen
einer Minderheit, sondern Normalleistungen einer starken Mehr-
heit müssen angestrebt und die von Geburt nicht ausreichend
bedachten oder sichtlich vernachlässigten Jugendlichen durch
hygienische und psychologische Mittel und Metlioden körperlich-
geistig emporgehoben werden. Die bevorzugten Individuen be-
dürfen der Führung und Fürsorge in erheblich geringerem Maße,
sie gehen übrigens früher ihre eigenen \Wege.
Die von der Natur körperlich oder geistig vernachlässigten
Jugendlichen arbeiten bereits in der Schule im Schweiße ihres
Angesichts und werden täglich müde und werden leider zu-
weilen übermüdet. Darum sollen sie täglich hinaus in die
freie Natur, um Körper und Geist dort zu erfrischen. Unsere
Erfahrungen, schreibt BAcH?!), an den lebendigen Leibern der
Schüler lehren, daß diejenigen Schüler, welche während ihrer
ganzen Schulzeit von Sexta bis Prima, also 9—10 Jahre hin-
durch, wöchentlich 6—8Stunden gymnastischenZwecken
gewidmet haben, nicht nur während des Schulbesuches durch
körperliche und geistige Frische an Arbeitskraft sich hervor-
getan, sondern auch nachher auf der Hochschule, im Heer, im
Berufe durch richtige und tüchtige Haltung, ja zum Teil durch
rühmliche Leistungen auf verschiedenen Lebensgebieten sich
ausgezeichnet haben. Und Barra?) fordert in Übereinstim-
mung mit GRIESBACH und Bach, daß die Leibesübungen in dem
Lehrplan unserer Schulen kein sogenanntes Nebenfach bleiben,
nachdem über ihre Bedeutung nicht nur für die persönliche
Gesundheitspflege, sondern auch für die ganze geistige und sitt-
liche Erziehung kein Zweifel mehr ist und von allen Seiten die
Heranbildung eines körperlich gesunden, wehrkräftigen Ge-
schlechts immer lauter gefordert wird, nicht nur wehrfähig für
die Aufgaben des Dienstes im Heere und für den Krieg, sondern
auch wehrfähig für die Anforderungen des Lebens überhaupt.
Das hygienische Gleichgewicht in der Erziehung wird zur-
zeit aıı den höheren Schulen nicht ausreichend gewahrt. Fakul-
tative Gymnastik und Sport bilden einen ungenügenden Ersatz
für die fehlenden obligatorischen Leibesübungen. Denn sie
werden nicht von der Gesamtheit der Jugendlichen und nicht
!) EULENBERG und BACH, Schulgesundheitslehre.
2) E. BARTH, Die Tätigkeit des Schularztes an den höheren Lehr-
anstalten nach fünfjähriger Erfahrung. Ebenda.