Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Bon Willenserklärungen. 145 
zuf §. 59. Stillschweigende Willensäußerungen haben mit den ausdrücklichen gleiche 
raft 55). 
8. 60. Wo die Gesetze eine ausdrückliche Erklärung zu der rechtsgültigen Form 
des Geschäftes erfordern, ist eine stillschweigende Willenserklärung unkräftig. 
§. 61. Bloßes Stillschweigen wird nur alsdann für Einwilligung geachtet, weun 
der Schweigende sich erklären konnte, und vermöge der Gesetze?70) dazu verbunden war. 
8. 62. Wer also durch einen auf die Gesetze gegründeten 7° !) richterlichen Befehl 
zu einer Erklärung aufgefordert wird, und sie beharrlich verweigert, dessen Erklärung 
wird von dem Richter, der dem Befehl beigefügten Warnung gemäß, ergänzt. 
8. 63. Soll die Absicht des Handelnden aus den Umständen bloß vermuthet Lermittcte 
werden, so ist keine rechtsgültige Willenserklärung vorhanden. rungen. 
§. 64. Haben jedoch die G. eee selbst bestimmt, was aus solchen Handlungen 
geschlossen werden soll, so ist die Absicht des Handelnden 72) nach dieser geseglichen 
  
nahme des Schuldscheines über ein Darlehn, ohne den darin ausgesprochenen Modalitäten zu wider- 
sprechen. (Enrsch. des Obertr. Bd. XXIII S. 19.) Aledann ist sie ein Minel zur Erkennung des 
Willens, weun sie auch zunächst einen selbstständigen Zweck hat. „Die Annahme einer stillschweigen- 
den Ertlürun bernht also sters auf einer wirklichen Beurtheilung der einzelnen Handlung, mit Rück- 
sicht auf alle Umstände, von welchen sie begleitet ist, und diese Beurtheilung nimmt hier dieselbe Stelle 
ein, wic bei der ausdrücklichen die gebrauchten Worre. Nicht selten wird die Handlung für sich allein 
gar nicht als Willenserklärung gelten können, sondern es wird dazu der pofitiven Mitwirkung äußerer 
Umstände bedürfen; aber auch wo aus ihr allein ein Schluß auf den Willen in der Regel wohl be- 
gründet sein mag, kann derselbe dennoch durch entgegenwirkende Umstände entkräftet werden.“ v. Sa- 
vigny, System, III, 245. Böllig beseitigt wird die Wirksamkeit einer Handlung ale stillschweigen- 
der Erklärung durch Protestation und Reservation. 
((. A.) Beispiele sind: wenn dir Regulirung der Beitragspflicht einer Gemeinde zur Aulegung 
einer Kunststraße oder anderer öffentlicher und gemeinnütziger Anlagen unter Leitung und ausdrücklicher 
Genehmigung der Regierung als Landespolizeibehörde erfolgt, so ist hierin auch deren Genehmigung in 
ihrer Eigenschaft als Gemeinde- Aufsichtsbehörde enthalten. Erk. des Obertr. v. 12. Juni 1854 (Arch., 
f. Rechtsf. Bd. XIV, S. 52). Oder: wenn eine Ehefrau den Wiederverkauf des von ihrem Ehemanne 
ohne ihre Vollmacht für sie angekauften Grumstücks ausdrücklich genehmigt, so enthält diese Genehmi- 
gung zugleich eine rechtsgültige stillschweigende Genchmigung des früheren Kaufkontrakts. Erk. des 
Obertr. d. 27. Febr. 1854 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XIII, S. 28). — (5. A.) Dagegen begründet der 
Umstand allein, daß der Käufer die ihm mit einer Faktura übersendete Waare ohne Vorbehalt auge- 
nommen hat, obwohl in der Faktura nicht derjeuige, mit welchem er kontrahirte, sondern ein Dritter 
als Verkäufer bezeichnet ist, nicht die Verpflichtung des Käufers, diesen Drinen als seinen Verkäufer 
anzusehen. Erk. dess. vom 17. September 1863 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LI, S. 96). 
69) In den Fällen nämlich, wo einc sormlose Willenserklärung genügt. Die Eintheilung der 
Willenserklärungen in ausdrückliche und stillschweigende bezieht sich eben nur auf formlose im 
Gegensatze zu sormlichen. 
70) Eine Ausnahme von der Regel, daß das Stillschweigen zu Haudlungen oder auf Fragen 
eines Anderen nicht alt Zustimmung angesehen werden darf (L. 142 D. de reg. jur. L. 17; C. 44 
de reg. Jur. in 6. — das C. 43 ib. bezieht sich auf die Ausnahmen), kann nur durch die Pflicht, sich 
zu erklären, begründet werden. Solche Pflicht kann nicht etwa ein Anderer durch die Ankündigung: 
wie er das Stillschweigen auslegen werde, auflegen; denn er hat kein Recht, den Schweigenden zu 
einer Handlung zu nöthigen; nur eine Rechtsregel kann sie in gewissen Fällen auflegen, deren Aus- 
dehnung auf andere ähnliche Fälle unzäisg ist, eben weil es sich um Ausnahmen handelt. Der- 
gleichen Fälle der Ausnahmen sind §. 62 d. T.; I, 6, 5. 59; 1, 22, §5. 43; 1, 13, K§. 126, 127; 
1, 11, H. 336; II, 2, 56. 216. Bergl. Eutsch. Bd. II. S. 326. Der S. 349, I, 21 wird nicht für 
anwendbar auf den Fall gehalten, daß ohne rechtmäßigen Grund gekündigt wird. Pl.Beschl. (Pr. 1988) 
v. 6. Mai 1848 (Eutsch. Bd. XVI, S. 43). « « 
71) Befehle und Warnungen, welche für den vorliegenden Fall nicht vorgeschrieben sind, bleiben 
wirkungslos. V. v. 14. Dezbr. 1833, S. 5, Nr. 2. 
72) Der ensatz, auf welchen die beiden 88. 63 u. 64 sich beziehen, ist nicht richtig ausge- 
drückt. Die vorhergebenden §5. 57 bis 62 gehen auf Fälle, in welchen der Wille als thatsächlich 
wirklich vorhanden angenommen wird. Außerdem giebt es jedoch Fälle, wo kraft einer positiven 
Vorschrift eine Willenserklärung angenommen wird, ohne daß der Wille als Thatsache vorhanden ist, 
ja ohne daß eine Handlung, aus welcher auf den Willen geschlossen werden konnte, behauptet werden 
konn. Diese Willenserklärungen sind eigentlich fingirte, gewöhnlich präsumtive genannt. Auf 
Koch, Allgemeines Landrecht 1. 5. Auft. 10
	        
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