Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

148 Erster Theil. Bierter Titel. 
genstande 81) der Willenserklärung macht dieselbe ungültig 819). · 
§. 76. Ein Gleiches gilt von einem Irrthume in der Person desjenigen, für 
welchen aus der Willenserklärung ein Recht entstehen soll, sobald aus den Umstän- 
den erhellet, daß ohne diesen Irrthum die Erklärung solchergestalt nicht erfolgt sein 
würde 82). 
  
ich immer nur auf die allgemeine Vorschrift im §. 12 der Einleitung, und nur um solche Gesetze 
andelte es sich in jenen Urteln und Rechtssällen. Dieser Grundsatz findet daher auf den Irrihum 
Über ein Erbrecht nach einem Gewohnheitsrechte und über eine darüber abgegebene irrthümliche Wil- 
lenserklärung keine Anwendung, ein solcher Irrthum ist ein faktischer. Erk. des Obertr. v. 19. Febr. 
1864 (Entsch. Bd. L1, S. 41). 
80) Der Gedanke, welcher mit dem „Wesentlichen des Geschäfts“ ausgedrilckt werden soll, ist 
nicht klar. Man versteht unter dem wesentlichen Irrthume im Geschäfte den Irrthum, welcher sich 
auf die Natur des Rechtsgeschäfts bezieht. Dieser Irrthum kann auf zweierlei Weise vorfallen. Ein- 
mal so, daß der Eine ein in Wahrheit gemeintes Geschäft anbietet, und der Andere, in Folge eines 
zweidcutigen oder mißverstandenen Ausdruckes, ein anderes anzunehmen glaubt, z. B. wenn Einer 
eine Sache zum Kauf anbietet, der Andere aber Miethe versteht und annimmt. Hier irrt Keiner im 
Wesentlichen des Geschäfts, aber Jeder irrt in Beziehung auf die Erklärung des Anderen, und des- 
halb sehlt der Konsens, folglich entsteht keine Verbindlichkeit. Dann kann der Irrthum auch so er- 
scheinen, daß der Eine einen Kauf antragen will, aber dieses, aus Unbeholfenheit, in solchen Aus- 
drücken erklärt, unter welchen man eine Miethe abschließt. Dieser Fall steht jenem gleich. Ohne 
Zweisel werden diese Fälle unter dem „Wesentlichen des Geschäftes“ verstanden. 
81) Der einfachste Fall ist der, wo Jeder eine andere Sache meint. Der Eine verkauft in sei- 
nem Sinue seine schwarze Stute, und der Andere meint dessen schwarzen Hengst. (4. A. Ebenso 
der Irrthum der Parteien bei Abschluß eines Kaufvertrages, daß das dem Lehnsverhälmisse unter- 
worfene Grundstück im freien Eigenthume des Verläufers stehe: in beiden Fällen betrifft der Irr- 
thum nicht einen bloßen gehle in den Eigenschaften der Sache, sondern den Hauptgegenstand der 
Willenserklärung. Vergl. Erk. des Obertr. v. 9. Mai 1853 (Archid s. Rechtsf. Bd. IX, S. 154). 
(KError in corpore.) Daraus entsteht kein Rechtsverhältniß, Das gilt auch von einem Theile eines 
Segriffssamgen. Bei Sachen, die nach Gattung und Quantität bestimun werden, gestalten sich die 
Fälle verwickelter und deshalb oft zweifelbaft. Wird über die Ganung geirrt, so ist der Fall dem 
vorigen gang gleich; stimmt maon jedoch in der Summe aus Mißverständniß nicht Überein (was beim 
Briefwechsel in undeutlicher Schrift öfter vorkommt), so ist, je nach der Natur des Geschäftes, die 
Erklärung bald gültig, bald ungültig. Sie ist gültig auf den Betrag der Summe, über welche beide 
Erklärungen zusammentreffen (auf die geringste von beiden verschiedenen Summen), wenn die Quon- 
tität für •c allein, ohue Beziehung auf eine Gegenleistung, Gegenstand der Erklärung ist, da, wer 
20 zum Geschenke anbietet, wovon der Andere aus Mißverständniß nur 10 angenommen, auch diese 
Zehn angeboten hat. L. 1, §. 4 D. de verb. obl. (XIV, 1). In dem zweiten Falle gilt die Er- 
klärung dann, wenn der, von welchem die Summe gefordert wird, mehr zusagt, auf den Betrag 
der geringeren Summe, denun diese wollen Beide (consensus); sie gilt gar nicht, wenn er weniger 
verspricht. L. 52 D. loc. (XIX, 1). 
Die Behauptung, daß eine schriftliche Erklärung mit dem wahren Willen des Erklärenden im 
Widerspruche stehe, d. h. anders niedergeschrieben worden sei (was bei der Abfassung durch Andere, 
namentlich bei Aufnahme von Protokollen über die Erklärungen einsältiger Landleute gar oft vorkommt), 
enthält die Behauptung eines Irrthums, keinesweges die einer mündlichen Nebenabrede. Pr. des Obertr. 
ohne Dat. im Schlef. Arch. Bd. UI, S. 283 ff. Ist für sich klar. 
81 8) (#. A.) Dieser Grundsatz gilt von Willenserklärungen jeder Arnt, also auch von Verglei= 
chen. Daher kanu ein Erb= oder Schichtungsrezeß, wenn er als Privattheilung nach den Regeln von 
Vergleichen zu beurtheilen ist, gemäß §. 417, Tit. 16 wegen eines Irrrhums in dem Wesentlichen 
des Geschäftes oder in dem Hauptgegenstande desselben, nicht aber nach 8. 418 ebend. hargen eines vor- 
gesallenen Irrthums über die Beschaffenheit des streitigen Rechts selbst, d. h. über die Beschaffenheit der 
der Schichtung unterworfenen gemeinschaftlichen Maße, z. B. ob gewisse streitige Grundstücke ihrer 
Substanz nach mit zur Schichtung zu zieben waren, oder nicht, — angefochten werden. Erk. des 
Lbertr. d. 11. Febr. 1861 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XI , S. 263). Vergl. unten Anm. 11 zu §. 418, 
it. 16. 
82) Also wenn nicht die Person des Anderen gleichglültig ist, wie z. B. bei Käufen auf Märkten. 
Soll aber gerade mit einer bestimmten Person, die man vielleicht nicht kennt, kontrahirt werden, und 
es tritt eine andere auf, so kommt keine gültige Willenserklärung zu Stande. So, wenn Jemand 
einen bestimmten geschickten Werkführer in seinen Dienst nehmen will und den Kontrakt mit einer 
anderen gleichnamigen Person abschließt. Freilich muß diese abweichende Richtung des Willens „aus 
den Umständen erhellen“. VBergl. oben die Anm. 62, u. unten Anm. 9 zu §. 417, Tit. 16.
	        
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