8 Patent wegen Publilation
sorgfältig erwogen; die Erheblichkeit und Nutzbarkeit derselben, nach den F. 6 vorge-
schriebenen Grundsätzen genau geprüft, und diejenigen, deren Beibehaltung nothwen-
dig 1½) gefunden wird, in das Provinzialgesetzbuch gehörgen Orts eingerückt werden.
Nach Ablauf des F. 4 bestimmten Zeitraums 70) aber soll auf dergleichen unge-
schriebene Rechte, oder vermeintliche Obserwanzen, welche von den Vorschriften des all-
gemeinen Landrechts abweichen, nur in so fern Rücksicht genommen werden, als sie
entweder den Provinzialgesetzbüchern einverleibt sind, oder das allgemeine Landrecht
selbst darauf, wie bei verschiedenen Materien geschehen ist, ausdrücklich in der Art ver-
wiesen hat, daß die gesetzlichen Bestimmungen nur für den Fall gegeben worden, wenn
über den Gegenstand durch wohlhergebrachte Gewohnheiten eines Orts oder Distrikts
nicht ein anderes eingeführt wäre. Außer diesen beiden vorstehend bestimmten Aus-
nahmen aber sind Wir die Berufung auf Obsewwanzen, welche dem Gesetze widerspre-
chen, und die gemeinschädliche Ungewißheit der Rechte verewigen, nach dem Ablaufe
des vorgedachten Zeitraumes ferner zu dulden nicht gesonnen. Was hingegen diejeni-
gen Observanzen betrifft, welche nicht wider die Gesetze sind, sondern nur etwas be-
stimmen, was in den Gesetzen unentschieden gelassen worden; so mag es dabei, nach
Maßgabe des §. 4 der Einleitung zu diesem allgemeinen Landrechte, bis zum Erfolge
einer gesetzlichen Bestimmung, auch noch ferner sein Bewenden haben ?1).
Wir auch vernehmen, daß in einigen einzelnen Provinzen über die im allge-
meinen Landrechte vorkommenden Abweichungen von den Vorschriften der bisherigen
subsidiarischen Gesetze, besonders in Ansehung der Familien= und Suceessionsrechte,
annoch Bedenklichkeiten obwalten sollen: so erklären Wir hierdurch:
daß Wir in Ansehung dieser in den drei ersten Titeln des zweiten Theils dieses
allgemeinen Landrechts vorkommenden Abweichungen von gewissen einzelnen Vor-
schriften des Römischen, oder gemeinen Sachsenrechts, den Ständen solcher Pro-
vinzen noch gestatten wollen, sothane Bedenklichkeiten, bei den Konferenzen über
ihre Provinzialgesetzbücher, anderweit vonutragen; und daß daher diejenigen
Stellen dieser drei ersten Titel des zweiten Theils, welche dergleichen Abweichun-
gen enthalten, vor der Hand, und während des obbestimmten zweijährigen Zeit-
einer Gewohnheit in kirchlichen Genossenschaften sei ein wenigstens zehnjähriges Herkommen erforderlich.
(Archiv f. Rechtef. Bd. XV. S. 21.) Diese alte längst vergessene Idee von verlährungemäßigem Zeit-
verlaufe als Erforderniß einer Gewohnheit ist schon von dem Herausgeber des Archivs a. a. O. S. 26
in der Nete bekämpft. — Das Nähere: Privat -Recht §. 28. Vergl. unten II, 11, §. 710 und die
Anm. 37 dazu.
18) Oder eines gültigen Gewohnheitsrechts; denn es wird hier von beiden Arten des ungeschriebe-
nen Rechts gehandelt, wie der Anfang dieses Paragraphen ausdrückt.
19) Oder nüßlich. Denn T hätte die unmittelbar vorher gehende Vorschrift, daß auch die
„Nutzbarkeit“ geprüft werden solle, kemen Zweck. Uebrigens kommt darauf nichts an, da die Vor-
schrift bloße Justruktion ist, und die letzte Entscheidung von purer Willkür abhängt.
20) Insoweit nämlich bis dahin die Provinzialgesetzbücher fertig geworden. Der Scheidepunkt is
nunmehr für jede Groving die Einführung ihres Provinzialgesetzbuchs. Vergl. Entsch. des Obertr.
Bd. II, S. 238 u. Erk. des Obertir. vom 16. Novbr. 1852 (Arch. f. Rechtef. W. VIII, S. 40), auch
Erk. dess. vom 18. Juni 1868 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXXI, S. 249).
21) Wo das Provinzialgesetzbuch eingeführt ist, da gilt die Regel, daß kein ungeschriebenes Pro-
vinzial= oder Statutarr miehr Kraft hat, ausgenommen: a) dasjenige, auf welches das A. L. R.
selbst an einzelnen Stellen verweist, und welches sich auch noch nach der Einführung des A. L.R. aus-
dilden kann (Note 15), und b) dasjenige, welches etwas bestimmt, was das geschriebene allgemeine
oder Provinzialrecht uneutschieden gelassen hat (Observanzen praeter legem). Die zweite Ausnahme
bezieht sich jedoch, nach dem Wortlaute, nur auf Observanzen, so daß, wo diese sehlen, nach §. 4
der Einleitung, der Rechtsfall nach Analogie oder nach deim früheren G. N. entschieden werden müßte.
Doch muß wohl auch bei dieser zweiten Ausnahme angenommen werden, daß sich dergleichen Obser-
vanzen noch nach Einführung des A. L.N. ansbilden können. Pr. des Obertrib. v. 19. Juni 1848,
Nr. 1II (Ensch. Bd. XVII S. 366) u. vom 18. Juni 1868 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXXI. S. 249).
Die Entstehung eincs neuen (allgemeinen) Gewohnheiterechte ist nicht zugelassen. Einl. §8. 3. u. 4.