176 Erster Theil. Fünfter Titel.
5. 32. Der bloße Mangel der Wissenschaft von der Unfähigkeit des einen Theils
soll also dem Andern niemals zu Statten kommen.
§. 33. Wer aber, nach gehörig angestellter Erkundigung, dennoch von einem
Unfähigen 70) zur Schließung eines Vertrages verleitet worden :1), kann aus dem
Vermögen desselben Schadloshaltung 32) fordem.
§. 34. Wer mit einer Person unter achtzehn? ) Jahren Verträge schließt, kann
sich mit der Unwissenheit ihres minderjährigen Alters niemals entschuldigen 21).
§. 35. Ein Gleiches gilt gegen den, welcher einen Unfähigen * auf dessen
Versicherung, auch wenn dieselbe eidlich bestärkt würde 32), für fähig angenommen hat.
H. 36. Wer, seiner Unfähigkeit sich bewußt, einen Andern zur Schließung eines
Vertrages verleitet hat, soll als ein Betrüger gestraft werden. (Str. G. B. Th. II, Tit.
21, 23.)
8. 37. Ein Vertrag, welcher wegen der Unfähigkeit des einen Theils 36) unver-
30) Auch auf Schreibunsähige, welche einen Auderen verleiten, sie für Schreibkundige zu halten
und mit ihnen zu kontrahiren, finden diese Grundsätze Anwendung. Cntsch, des Obertr. XII, 167.
31) Die Anwendung dieses §. bedingt, daß, neben der Thatsache der Kontraktsschließung, dem
unfähigen Schuldner solche, wenn auch nicht eben betrügglche Handlungen nachgewiesen werden können,
welche den Entschluß des Anderen, sich mit ihm in ein Geschäft einzulassen, destimmt haben. Pr. 683,
v. 10. Juni 1839. Wirklich betrügliche Handlungen haben nur auf die Bestrafung Einfluß. §s. 36. —
Bei dem Dolns des Unfähigen ist es auch unerhebich: ob der Irrthum vermeidlich war, ob nicht;
denn der Dolus des Einen absorbirt das Versehen des Anderen. I, 4, §F. 84 und 1, 6, §. 10. Nicht
entgegen ist II, 2, §. 35, denn dort wird gerade auf die §§. 33—36 und I, 6, §. 10 Bezug genom-
men, wonach nicht Dolus und keine Ausnahme von der Regel vorhanden sein muß. Zwei Ausnah=
men machen aber gerade die beiden S§. 34 u. 35.
32) Nur die actio doli ist gegeben, das Geschäft wird nie gültig durch den Dolus des Unsähigen.
Der Rechtsstand ist nach L.N. ein anderer als nach R. N. Nach R. R. war das von cinem Minder-
jährigen eingegangene Geschäft gültig, und man kam ihm nur zur Hülfe mit der restitutio in inte-
grum. Die Rest#ution wurde ihm aber versagt, wenn er dolose gehandelt hatte, mithin blieb es bei
dem Rechtsgeschäfte. L. 2 und 3 C. sl minor se majorem dixerit (II. 43). Das L. R. erkläm das
Geschäft geradezu für ungültig wegen Mangels der Handlungefähigkeit, der Dolus des Unsähigen kann
ihm die schlende Eigenschaft nicht verschaffen, folglich kann das Geschäft durch den Dolus nicht gültig
werden.
38) Wenn der Dolus des Unfähigen die Berbindlichkeit zur Schadloshaltung begründen soll, so
muß der andere Kontrahent selbst nicht in dolo sein; er mas sich in der That irren und dieser Irr-
thum muß verzeihlich sein, d. h. ex adspectu corporis nicht berichtigt werden können. L. 32 D. de
minor. (IV, 4); L. 3 C. sl minor se majorem dizerit (II, 43). Wer eine unreif aussehende Person
für wehäteg hält, versieht sich gröblich, und ein grobes Versehen steht dem Dolus gleich. Dann
trin Kompensation des Dolus ein, mithin hat der angeblich Hintergangene von dem dolose handelnden
Unsähigen nichts zu fordern. Sehr verständig setzt das L. R. hier ein gewisses Alter sest, unter wel-
ches immer fingirt wird, der Andere sei selbst in dolo oder culpa lata gewesen.
34) Entschuldigen. Der Ausdruck ist unpassend. Die Lage ist die, daß die actio doli durch den
Dolus des Unfähigen begründet ist. Dieser Klage sleht die e#xceptio doli eutgegen, und gegen diese
soll nicht die Ensschuldigung des Irrkhums gelten, wenn der Unsähige noch nicht 18 Jahre alt ist.
35) In diesem Falle versagtr die L. 3 C. ai minor se majorem (II, 43) unbedingt die Restitu-
tion. Nach unserem §. kommt auf einen solchen Eid gar nichts an; der Fähige muß, wenn er den
Vorwurf des Dolus oder der groben gpeharet (Anm. 33) von sich abwenden will, anderen Nach-
weisplordern und sich nicht mit der bloßen Versicherung des Unsähigen und dem adspectus corporis
begnügen.
36) Es gilt kein Unterschied zwischen einer gänzlichen Willensunfähigkeit, wie sic den Kindern
und Wahnsinnigen eigen ist, und der relativen Handlungsunfähigkeit der Unmündigen, Minderjahri-
gen, Blödsinnigen und Verschwender; denn auch deren lästige Verträge sind ganz ungültig, wenn sie
nicht von dem Vorgesetzten geuchmigt werden. Ann#. 11. Die Praxie bezieht den Satz auch gleich-
sörmig auf Verträge der Lettrren, so daß solche Verträge nicht ctwa durch jedes selbst stillschweigende
Anerkenntniß (das wäre nämlich die praktische Folge), fondern nur durch ein nach dieser Vorschrift be-
schaffenes Anerkenntniß zur Wirksamkeit gelangen konnen. S. die folgende Anm. Außerdem erzeugen
sie nicht einmal eine natürliche Verbindlichkeit. L. 41 D. de cond. ind. (XII, 6); §. 3 J. qoib.
mod. obl. tollit.