Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

190 Erster Theil. Fünfter Titel. 
#S#101. Geschieht der Antrag einer Korporation oder Gemeine, so muß der 
Antragende auf die Erklärung derselben so lange Zeit warten, als erforderlich ist, daß 
über den Antrag ein verfassungsmäßiger Entschluß genommen und ihm bekannt ge- 
macht werden könne 2). 
§. 102. In allen Fällen, wo nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, wird 
dafür gehalten "), daß die Annahme in dem Zeitpunkte geschehen sei 3 5°), wo der 
Annehmende alles gethan hatte, was von seiner Seite zur Bekanntmachung seiner 
Erklämug an den Antragenden erforderlich war. 
§. 103. Sobald aber die vorstehend §. 90 sad. bestimmten Fristen zur Erklä- 
rung über den Antrag fruchtlos verlaufen sind 5 5), kann der Antragende zurücktre- 
ten 5). 
S. 104. Er muß jedoch demjenigen, welchem der Antrag geschehen ist, unter 
Gegenwärtigen sofort, unter Abwesenden aber mit der nächsten Post Nachricht geben, 
daß er den Antrag zurücknehme. 
§. 105. Hat er dieses untertassen, und es findet sich in der Folge, daß der An- 
dere seine Annahme wirklich zu rechter Zeit erklärt habe "7), so muß er demselben für 
den Schaden, welcher aus den zur Erfüllung des Vertrages gemachten Anstalten in der 
Zwischenzeit erwachsen ist, gerecht werden. 
§. 106. Wenn nach geschehenem Antrage, und vor dem Ablaufe der vorstehend 
bestimmten Fristen, der eine oder der andere Theil verstirbt, so wird durch diesen Tod 
in den Rechten und Pflichten wegen der Annahme nichts") geändert. 
84) Dieser §. bezieht sich nur auf die Zeit der Annahme eines Antrages, nicht auf den Fall, 
weun ein nicht gehörig legitimirter Bevollmächtigter einer Korporation Namens derselben einen Ver- 
trag wirklich abgeschlossen und darin ausbedungen hat, dab der Vertrag für nicht geschlossen angese- 
hen werden solle, wenn die Genehmigung versagt werden sollte. Alsdann ist der Grundsatz der §§. 230 
und 13 bestimmend. Ang. vom III. S. des Obertr. am 6. Februar 1849, in Sachen Castringius 
wider Ruhr = Kanal = Aktien -Verein. 219 332 II, 48. 
85) Es wird fingirt, vorausgesetzt, daß die Annahme dem Antragenden noch vor Ablauf der ge- 
hörigen Frist bekannt geworden ist; außerdem ist der Vertrag nicht zu Stande gekommen. 8. 103. 
85 8) (3. A.) „Der Offerent, der die Annahme der ihm von dem anderen Theile zugesandten, 
dessen Acceptation enthaltenden schriftlichen Erklärung verweigert hat, kann Feerauf allein mit Ersolg 
nicht den Einwand gründeu, daß ein schriftlicher Vertrag nch zu Stande gekommen sei.“ Pr. 2571, 
vom 14. Nov. 1854 (Entsch. Bd. XXIX, S. 154). Unter der „Annahme der — schriftlichen Erklä- 
rung“ ist hier die Empfangnahme des Schriftstückes (Briefes 2c.) gemeint, nicht eine Annahme in der 
Bedentung der Acceptation; denn eine Acceptation der Acceptation ist zur Persektion eines Vertrages 
unter Abwesenden nicht erforderlich. F. 82. 
85b) (3. A.) Oder sobald der Antrag abgelehnt ist. Die Ablehnung ersordert in keinem Falle 
eine schristliche Form, welche das Natiborer abbriationsgerich für nothwendig erklärt hat, indem ihm 
die Zurückweisung der Offerte als die Entsagung eincs Rechts, nämlich des Rechts zur Acceptation, 
vorgekommen ist, wozu nach §. 134 d. T. die riftliche Form erforderlich sei. Das Obertr. hat die 
durch solche „unpassende Anwendung des §. 134“ motivirte Entscheidung durch Erk. vom 14. April 
1856 vernichtet (Entsch. Bd. XXXIII, S. 30). 
86) S. Anm. 77. Dieser Grundsatz gilt auch bei nothweudigen Subhastationen in dem Falle, 
wenn die Subhastationsinteresseuten über eine Frist einverstanden 14 dinnen welcher sie sich über 
den Zuschlag (Aunahme des Meistgebots) erklären wollen. Geht die Erklärung vor Ablauf der Frist 
nicht ein, 4. ist der Meistbietende an sein Gebot nicht mehr gebunden. Entsch. des Obertr. dom 
22. Oktober 1836 (Bd. I, S. 275). 
87) In diesem Falle ist nämlich die Meinung des Annehmenden, daß der Vertrag wirklich zu 
Stande gekommen sei, gerechtsertigt, denn er kann nicht wissen, daß Zwischenfälle das Eintreffen seiner 
Erllärung in der gehörigen Zeit verritelt haben. Hat der Antragende dann seinen Willen geändert, 
so soll er den Irrthum des Anderen berichtigen, um Schaden abzuwenden. Ist aber die Erklärung 
schon nicht mehr zu rechter Zeit abgegeben, 64 hat der Erklärende keinen Grund zu seiner Meinung 
und keine Veranlassung, Austalten zur Erfüllung eines Vertrages zu treffen, von welchem er weiß 
oder wissen muß, daß er nicht zu Stande gekommen; in diesem Falle hat der Andere nicht nöthig, 
von seiner Willensänderung Nochric zu geben. 
88) Also auch nichts in Ansehung der Zeit, mithin ist der Antragende nicht verpflichtet, noch die 
 
	        
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