Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

3. Bon 
Punktatio-- 
nen. 
196 Erster Theil. Fünfter Titel. 
§. 120. Eine von beiden Theilen unterschriebene Punktation, aus welcher die 
gegenseitige Einwilligung derselben in alle wesentliche ) Bedingungen des Geschäftes 
erhellet, ist mit einem förmlichen Kontrakte von gleicher Gültigkeit 2). 
§. 121. Es kann also auf Erfüllung derselben geklagt werden #). 
§. 122. Ist zur gerichtlichen Verlautbarung, Bestätigung oder Eintragung eine 
förmliche Ausfertigung des Vertrages nothwendig, so kann diese nach dem Inhalte der 
Punktation von dem Richter verfügt werden?). 
behauptet, daß auf Schiefer, Holz und dergl. mit Kreide, Röthel, Schieferstift, ingleichen auf Pa- 
pier zwar, aber mit Blei-, Roth= und dergl. Stift aufgetragene Schriften keinen Anspruch haben 
auf den Charakter einer Urkunde. Merkel, willkürliche Gerichtsbarkeit; in Weiske's Rechtslexi- 
kon, Bd. XIV, S. 696 (besonders abgedruckt untrr dem Titel: das Notariat und die willkürliche 
Gerichtsbarkeit, Leipzig 1860). Vergl. Gatterer, Abriß der Diplomatie, §. 9, S. 7. Doch giedt 
es dafür keinen haltbaren Grund. Nach mosaischem Rechte ist die Frage vielsach behandelt. Nach 
den Rabbinen der Mischnah, VI. Kap. 2, M. 8 darf man Scheidebriefe fkreiben mit Tinte, Kreide, 
Röthel, Gummi, Bitriol, kurz mit Allem, wovon eine leserliche Schrift sichtbar bleibt, und man 
kann sie auch schreiben auf Alles, was die Schrift annimmt, z. B. auf ein Baumblatt, auf das 
Horn einer Kuh, die man der Fran giebt, auf die Hand eines Sklaven, den man gleichfalls der 
Frau giebt; weil nach 5. Mos. 24, 1 das Schreiben und das Geben der Schrift das Wesemtliche ißt, 
ganz so wie heutzutage. Nun versteht sich freilich ungesagt, daß das mosaische und talmudische Recht 
keine unmittelbare Anwendung findet, aber es beweiset, daß schon vor alten Zeiten gelehrte und den- 
kende Männer den Stoff als Nebensache behandelt haben. Der entscheidende Grund für das heutige 
Recht ist, daß kein Gesetz das Gegentheil vorschreibt, und die Natur der Sache nicht hindert, jeden 
Stoff, der eine Schrift aufnimmt und dem, welchem solcher gegeben wird, lesbar überliesert, dazu 
zu verwenden. 
1 a) (4. Aa.) Dies ist der Hauptgegenstand der Bestimmung des §. 119. Denn die ältere Sitte, 
den Urkunden, namentlich den Privakurkunden, durch Untersiegelung Kraft und Gülrigkeit zu geben, 
war schon vor der landrechtlichen Gesetzgebung in sofern wieder verschwunden, als man die Unter- 
siegelung nicht mehr zur Gülrigkeit der Urkunde verlaugte. Vergl. Instruktion für die Notarien, vom 
11. Juli 1771, §. 9 (N. C. C. Tom. V, Abth. 1, p. 271) und A. G.O. 1, 3, §. 30, Nr. 6. a. E. 
In Frage konnte nur noch kommen, ob und welche Bedeutuug und Wirkung der Erwähnung der 
Besiegelung in dem Schriftstücke beizulegen sei, wenn gleichwohl die Beidrückung des Siegels unter. 
blieben war. Dieses entscheidet der 8. 119. 
2) Ob Über alle Essentialien Bestiimmung getrofsen ist, muß in jedem einzelnen Falle nach der 
Natur des Rechtsgeschäfts befunden werden. 1 B. ein Kauf in Pausch und Bogen nach einem An- 
schlage, der nicht vorhanden, ermangelt der Bestimmung des Gegenstandes (Simon, Rechtsspr. II. 
102), denn Pausch und Bogen, und Anschlag oder Inventarium schließen sich aus. Sind aber die 
Essentialien bestimmt, so darf doch kein Vorbehalt über Nebenabreden gemacht sein, denn dadurch 
wird der endgültige Konsens eben fuspendirt. §. 125. 
3) Diese Bestimmung ist nur für die Fälle gegeben, wenn die schriftliche Form zur Rechts- 
beständigkeit des Vertrages genügt, gilt aber keinesweges, wenn die gerichtliche oder notarielle Abfas. 
sung des Vertrages vorgeschrieben ist. Pr. d. Obertr. v. 1. Oktbr. 1838 (Entsch. Bd. IV, S. 123). 
Aber sie gilt für die Falle des 8. 126. 
4) Diese Klage kann vor der aus dem solg. §. 122 verb. mit 1, 10, H. 17 zustebenden Klage 
angebracht, sie kann auch mit derselben kumulirt werden, nach Gutfinden, weil sie beide nebeneinan- 
der zustehen und keinesweges sich ausschließen, auch eine die andere nicht konsumirt. Der J. M. 
auch spricht in einem R. vom 11. Mai 1836 (Erg. ad h. H.) die vorgängige Zulässigkeit dieser Klage 
vor der des §. 122 aus, doch ohne einen juristischen Grund zu geben. Die Abweisung der Crfüllungs- 
klage ist der anderen auch nur dann präjudicirlich, wenn das Geschäft materiell fütr ungültig erklärt 
und deshalb der Kläger lediglich abgewiesen wird. 
5) Aus die Errichtung eines förmlichen Instruments, als einen Theil der Erfüllung des Kon- 
trakts, muß ordentlich geklagt werden, wenn der Richter heifen soll. 1, 10, §. 17; und Hyp.-Ordn. 
Tit. 11, §. 62. Dieser Klage kann nicht der Einwand entgegengesetzt werden, daß der Andere min 
der Erfüllung des Vertrages ganz oder theilweise im Rückstande sei. Pr. d. Obertr. 2069, v. 3. Oklbr. 
1848, und Erk. v. 9. Septbr. 1850 (Arch. f. Rechtsf. Bd. I. S. 750. Dagegen siud alle gegen die 
Gültigkeit des Rechtsgeschäfts zulässigen peremtorischen Einreden auch gegen diese Klage zuläsfig (Pr. 
des Obertr. v. 1. Juli 1836, Jur. Wochenschr. 1837, S. 217), weil sich soiche eben nur auf dieses 
Rechtsgeschäft gründet, folglich mit demselben zugleich hinfällt; namemtich berechtigt die für den einen 
Theil vorhandene Unmöglichkeit der Erfüllung des durch die Punktation abgeschlossenen Geschäfts den 
anderen Theil, den Abschluß eines förmlichen Vertrages auf dem Grunde der Privatpunktation zu ver- 
weigern. Erk. des Obertr. v. 12. Juli 1852 (Archiv für Rechtsf. Bd. VI, S. 259). Das kann #in-
	        
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