22 Einleitung.
8. 3. Gewohnheitsrechte und Observanzen), welche in den Provinzen und
einzelnen Gemeinheiten gesetzliche Kraft haben sollen, müssen den Provinzial = Landrech-
ten einverleibt sein 7).
§. 4. In sofern aber durch Observanzen 7 ) etwas bestimmt wird, was die Ge-
setze unentschieden gelassen haben, hat es, bis zum Erfolge einer gesetzlichen Bestim-
mung, dabei sein Bewendens).
§. 5. Die von dem Landeshermn in einzelnen Fällen, oder in Ansehung eimzel-
ner Gegenstände, getroffenen Verordnungen können in andern Fällen, oder bei anderm
Gegenständen, als Gesetze nicht angesehen werden?).
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Obertr. später, bezüglich auf eine Aktiengesellschaft, ausdrücklich dahin anerkannt, daß die landesherr-
liche Bestätiguug nur Bedingung für die Existenz und das Inslebentreten der Gesellschaft sei, aber nicht
den privatrechtlichen Charakter der Gesellschaft ändere und nicht den die Vertragsbestimmungen enthal-
denden Statuten die Eigenschaft eines Gesetzes gebe. Erk. v. 31. März 1868 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXXN,
S. 277). In dem späteren Erk. vom 14. Mai 1868 erklärt das Obertr., es lasse sich als allgemeine
Negel nicht anerkennen, daß Statuten eines Vereins oder einer Gesellschaft durch die landesherrliche
Bestätigung in allen ihren Theilen gleiche Wirksamkeit mit Gesetzen erhalten. (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXXI,
S. 176.) Damit ist nichts anzufangen. In einem oder dem anderen Theile sollen sie also doch Ge-
setze sein. Welche Theile sind dies?
6) Ueber das Verhältniß beider Spezien des ungeschriebenen Rechts s. ob. Note 14 zum Publ.=
Patente; über den Beweis und die Erfordernisse s. Note 16 und 17 ebd.
7) Damit hören sice auf, Gewohnheitsrechte und Observanzen zu sein; sie sind dann geschrie-
benes Recht. Vergl. 8. 60. In wiefern sich dergleichen ungeschriebene Nechtenormen noch nach Ein-
führung des A. L.R. bilden können, darüber s. m. oben Note 15 zum Publ.-Patente. (4. A.) Uebri.
geus ist von der Negel der §§. 3 und 4 eine Ansnahme für Kirchenbesserungen vorgeschrieben im §. 710,
Th. II, Tit. 11. Vergl. Erk. d. Obertr. v. 16. Juli 1860 (Entsch. Bd. XLIII, S. 14).
7 8) (1. A.) Der Charakter einer gültigen Observanz wird nirgend näher bestimmt. Obser-
vanz ist die Gewohndeit. welche in der gleichmäßigen Ausführung und Erfüllun
vertragsmäßiger Rechte und Pfichten zwischen bestimmten Peaoen (also an
in Gesellschaften) besteht. Ucber diese Begriffsbestimmung s. m. meine Abh. im Schil Arch.,
Bd. V. S. 10 ff. Durch Observanzen werden bestehende gesellschaftliche (Gemeinde) Verhältnisse lokal-
rechtlich ausgebildet, es wird dadurch für einen nicht ansdrücklich entschiedenen Punkt dieses Verhält-
nisses eine herkommliche Norm gebildet. Vergl. Emsch, des Oben#r. Bd. XIL, S. 259.
8) S. Note 7. Nur Observanzen (Note 14 zum Publ.-Patent), keine anderen Spezien des
ungeschriebenen Rechts, sollen in dem, in dem §. 4 voransgesetzten, 8 berücksichtigt werden. Kann
nach Beschaffenheit des Falles eine Observanz Überhaupt nicht entscheiden, oder fehlt es für den an
sich geeigneten Fall an einer Observanz, so kommt die Regel des §. 49 der Einleitung zur Anwendung.
Uebrigens kann zwischen zwei bestimmten Parreien ein Rechtsverhältmiß durch Observanz zwar niemals
begründet, wohl aber ein gehörig begründetes erklärt, d. h. durch Usual = Interpretation oder aus-
fübrende Handlungen der Parteien ausgelegt werden. Hiernach ist das, was in den Gründen der Re-
vfstomrnn cheidung, welche in Simon's Rechtspr. Bd. 1. Nr. 94 mitgetheilt ist, unter Ziffer 4, S. 375
gesagt wird, aufzunehmen.
9) Welche bestimmte Beziehung diese Berordnung hat, ist unklar. Gemeinrechtlich unterschied man,
nach dem can. R., Gnaden= und Justizreskripte des Landesherrn, je nachdem dadurch Etwas in
Hoheitssachen bewilligt, oder in einer streitigen Rechtssache bestimmt wurde. Justinian hat allen
kais. Erlassen eine allgemeine Gesetzeskraft beigelegt, wenn sie auch in einer Spezialsache ergangen wa-
ren. L. 12 C. de lek. (I. 14.) Der Eitwurf des G.B. deutete auf beide Arten hin; denn der §. 5
der Einleitung erwähnte, wie der jetzige §. 5, der Verordnungen in einzelnen Fällen, und der folgende
§. 6 gedachte der Machtsprüche, die zu den Justizreskripten zählen. Der §. 6 wurde bekanntlich bei der
Schlußrevision des G. B. gestrichen. Der §. 5 wurde schon bei der Nevision für überflüssig gehalten, weil
man meinte, daß die darin erwähnten Verordnungen alle Mal zu den Machtsprüchen gehörten, welche der
solgende §. 6 nicht zulassen wolle. Das erklärte Suarez für ein Mißverständniß, denn es lasse sich denken,
daß der Landesherr in einzelnen Fällen etwas verordnen könne, ohne noch gleich einen Machtspruch zu
thun, z. B. er erkläre in casu individo, es solle erlanbt sein, daß Jemand seine Stiestochter heirathe K.;
es solle von einem gewissen Mincral, so unstreitig ad regalia gehört, kein Zehent gegeben werden. Die
Meinung des §. sei also eigeutlich die: wenngleich der Landesherr bei Entscheidung eines einzelnen Falles
einen allgemeinen Grund gebraucht habe, so solle dennoch die Eutscheidung auf andere Fälle nicht ampli-
sicirt werden, wenngleich dabei derselbe Grund auch Anwendung finde. (Mat. Bd. 80 Abschr. Bd. I.
Fol. 9, nach den Mot, der Ges.-Revis. zu §. 3 des Emw. S. 97.) Die Beispiele sind Fälle der Gnade und
der Verwaltung. Darnach wäre der §. 5 nicht auf Justizreskripte zu bezieben. Um so mehr scheint er