Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

1. Von den Gesetzen überhaupt. 23 
8. 6. Auf Meinungen der Rechtslehrer, oder ältere Ausspruüche der Richter, soll, 
bei kuͤnftigen Entscheidungen, keine Rücksicht genommen werden 10). 
88. 7 bis 9 sallen weg 105). bebesin 
1. Verf.-Urkunde vom 31. Januar 1850. 
Art. 62. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kam- 
mern ansgeübt. 
Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. 
Finanzgesetz--Entwürfe und Staatshaushalts-Etats werden zuerst der zweiten Kammer vorgelegt; 
letztere werden von der ersten Kammer im Ganzen angenommen oder abgelehnt. 
Art. 63. Nur in dem Falle, wenn die Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit, oder die Be- 
seitigung eines ungewöhnlichen Nothstandes es dringend erfordert, können, insosern die Kammern nicht 
versammelt sind, unter Verantwortlichkeit des gesammten Staatsministeriums, Verordnungen, die der 
überflüssig zu sein. Auf erschlichene N. bezieht sich die V. gar nicht; dergleichen auf einseitige Vor- 
stellung ergangene Erlasse gelten anch in der speziellen Sache nicht. Pr. O. Tit. 24, 65. 43, 44. 
Vergl. * Fr. March. Th. 1III., Tit. 1, §. 15 und die alte V. v. 16. Jannar 1706 (C. C. M. II, 4, 
. 115). 
10) Der Ausspruch von Gans (Beiträge, S. 15), daß Haß gegen die Wissenschaft die Onelle 
dieser Vorschrift sei, ist nicht zutreffend, wenngleich es an sich nicht iehreibar. ist, daß das Landrecht 
alle Wisseuschaftlichkeit verachtet, was zuletzt noch in dem Epilog des Publikations - Patents Anesdruck 
erhalten hat, wo bei höchster Ungnade und schwerer Ahndung verdoten ist, das neue Landrecht nach 
den früheren Rechten zu erklären oder auszudeuten, oder gar auf den Grund eines vermeintlichen philo- 
sophischen Naisonnemenes oder unter deim Vorwande einer aus dem Zwecke und der Absicht des Ge- 
letes abzuleitenden Anslegung von den Vorschristen der Gesetze abzuweichen, indem vielmehr die rich- 
tige Auslegung zweifelhafter Stellen der höchsten Antoritat vorbehalten wird. Mit größerer Nichtach- 
tung läßt sich die Bestrebung der Wisseuschaft doch wohl schwerlich zurückweisen. Allein die Vorschrift 
dieses §. 6 fließt nicht daher, sondern hat ihre bestimmte Beziehung. Unter den „Meinungen der Rechts. 
lehrer“ wird auf die s. g. communis doctorum opinio und die Responsa der Rechtsgelehrten gezielt, 
welche man dem geschriebenen Rechte an die Seite stellte. Gail, Pract. obs. L. 1. obs. 153. Nr. 5; 
Menoch, de pracesumt. L. II, c. 71, Nr. 2. Das wollte man in Pr. nicht zulassen. Schon die 
Verordunng vom 21. Juni 1713 c. 50 verbot die Einholung und Berücksichtigung von Responsen, und 
der §. 6 wiederholt das Verbot in allgemeineren Auedrücken: man soll sich auf Memungen der Rechts- 
lehrer nicht wie auf Gesetze berufen. Damit ist nicht der Einfluß der Wissenschaft auf die Ueberzeugung 
des Richters untersagt und kann auch nicht gehindert werden. — Mit den „älteren Auesprüchen der 
Richter"“ werden nicht Judikate, sondern Präjudize gemeint. In dem gedr. Eutw. F. 4 heißt cs: „Ent- 
scheidungen der Richter vertreten nur unter den Parteien, zwischen welchen sie ergangen sind, die Stelle 
eines Gesetzes“ Infolge der gegen die Fassung eingegangenen Erinnerungen faßte man in dem umge- 
arbeiteten Emw. die Stelle so: „Emscheidungen der Richter und Meinnugen der Rechtelehrer sollen 
niemale als Gesetz gelten.“ Woher daun die Bestimmung in ihrer jetzigen Fassung des §. 6 gekom- 
men, ist aus den Mat. nicht zu ersehen. (Gesetzrev. Motive zu 8. 4, S. 5%. Darnach ist verboten, 
daß man die in älteren Entscheidungen ausgesprochenen Rechtsfätze als bindende Rechtsnormen ansehe. 
Dadurch ist die Meinung beseuigt, daß die Nichter an ältere Aussprüche, weil dadurch eine Art Ge- 
wohnheiterecht (der Gerichtsgebrauch) entstehe, gebunden seien (Thibaut, Pand. §. 16). Die l.# 13 
C. de sent. et interluc. (VII. 45) enthält schon ein ahnliches Verbor. In neuerer Zeit ist eine Modi- 
fikanon des Verbots eingetreten, durch die K.O. v. 1. August 1836 (G. S. S. 218). Darnach soll 
auf die Einben der Rechtsgrundsätze in den richterlichen Eutscheidungen, nicht bloß bei dem Obertri- 
dunal, sondern auch vermöge des Einflusses der Autorität desselben bei den übrigen Gerichten, mög- 
lichst gedalten und ein willkürlicher Wechsel der Rechtsansichten vermieden werden. Es wird eine 
Kontrole darüber, und um Falle man Gründe zu haben glaubt, von einer älteren Meinung abzugehen, 
eine Plenarberathung und Entscheidung vorgeschricben. — Auf die Fälle, wo es sich um den Beweis 
eines Gewohnheitsrechts handelt und dem Zengnisse älterer Kichtersprüche Gewicht beigelegt wird, be- 
zieht sich der §. 6 gar nicht. Vergl. Pr. des Odertr. v. 18. Febr. 1837(Simon's ntsch. I1. 240); 
vom 16. März 1838 und 1. Dezbr. 1840 (Schles. Arch. Bd. II. S. 480, 185; B-Bd. IV. S. 295). 
(1. A.) Der é. 6 bezieht sich auch nicht auf ausländische NRechte und Gesehyze. Erk. des Obertr. vom 
25. Juni 1858 Garch s. Rechtssälle Bd. XXN, S. 140). 
10 à) (3. A.) Sie schreiben vor, daß jeder Entwurf einer neuen Verordnung, vor der Vollzie= 
hung, der Gesechkommission, welche schon lange ausgehoben ist, zur Prüfung vorgelegt, und daß die 
Gesetzkommission eine deutliche bestimmte Fassung des zu gebenden Gesetzes in Vorschlag bringen solle. 
(4. A.) Ueber die bußere Form der älteren Verordnungen s. m. Privatrecht §. 21 u. Erk. des Obertr. 
v. 21. Dez. 1854 (Archiv f. Rechrsfälle, Bd. XVI, S. 101).
	        
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