Von Gewahrsam und Besitz. 337
§. 82. Soll jedoch durch dergleichen Handlung der Besitz eines negativen Rechts 5%)
wirklich erlangt werden, so muß aus der Erklärung des Handelnden, oder aus den
Umständen, die Meinung desselben, daß ihm ein solches fortdauerndes 5°5) Recht wirk-
lich zustehe, deutlich erhellen ?#).
Ummwegen zu den hinter dem Zaune belegenen Waldstrecken gelangen konnte. Er klagte in possesso-
rio auf Wegnahme des Zaunes. Das Gericht erster Instanz erkannte nach dem Antrage. Das Ober-
tribunal vernichtete das Urtel und wies den Kläger ab, weil sonst der Eigenthümer zu jeder Hand-
lung die möglicherweise den Berechtigten irgendwie belästige oder den Zustand des Grundstücks ändere,
die Erlaubniß des Berechtigten einholen oder ge Recht in petitorio erstreiten müßte und also insoweit
anfhören würde, Besitzer des Grundstücks zu sein, vielmehr der Hütungsberechtigte ganz an seine Sielle
treten würde. Eine solche Wirkung habe der Besitz des Hütungsrechts nicht; solcher erstrecke sich eben
nur auf die Ausübung des Hütungsrechts, ohne den Besitz des Eigenthümers im Uebrigen aufzuheben
oder zu verändern. (J.M. Bl. 1851 S. 383.) Die Sache läßt sich jedoch auch von einer anderen Seite
ansehen. Man kann ebenso gut sagen, der Rechtsbefitz reicht gerade foweit wie das Recht; soweit das
Recht selbst mit der Lritoriculiage versolgt werden kann, muß auch für den Besitz des Rechtes Schutz
gefordert werden können. Die Worte des Obertr. drücken kein Prinzip aus. Dasselbe scheint sagen
zu wollen, daß es ungewiß sei: ob das Hütungsrecht soweit gehe, daß es den Eigenthümer an der
freien Handlung hindere; daß folglich dieses erst in petitorio erstritten werden müsse, daß folglich der
Rechtebesitz in der streitigen Ausdehnung nicht dargethan sei. Das ist richtig. Der Streit berührt
nicht den Besitz des Hütungsrechtes, auch nicht dessen räumliche (körperliche) Ausdehnung, sordern
den innerlichen (qualitativen) Umfang des Rechtes. Und darüber kann, außer dem Falle eines Unter-
sagungsrechtes, bezüglich auf delinnite Handlungen, in possessorio nicht gestritten werden. Zu vergl.
unten, Anm. 92 zu 8. 150 d. T.
502) (a. A.) Zur Besitzergreifung eines negativen Rechts ist nur die freie und öffentliche Vor-
nahme der Sesihhandtung erforderlich, ohne daß es eines besonderen Beweises bedarf, daß der Han-
delnde in der Meinung eines ihm zustehenden fortdauernden Rechtes gewesen sei. Aum. 48. Aber
die Meinung des Handelnden, daß er als Mitglied des Publikums dazu berechtigt sei, genügt nicht
zum Erwerbe des Besitzes eines negativen Rechtes; vielmehr ist dazu die Meinung ersorderli daß
ihm selbst das Recht als ein sortdauerndes zustehe. Erk. des Obertr. vom 12. Januar 1852 (Archiv
f. Rechtsf. Bd. IV. S. 244). Vergl. Anm. 483. — Daher ist zur Ersitzung einer Servitut seitens
eines Mitgliedes der Dorsgemeind an den Nutzungen, welche allen Gemeindemitgliedern als solchen
zustehen, der vollständige Beweis erforderlich, daß dasselbe die Berechtigung nicht aus dem Rechte der
Gemeinde-Mitgliedschaft, sondern aus einem besonderen Rechte in Besitz genommen habe. Erk. vom
15. Februar 1853 (Arch. f. Rechtsf. Bd. IX, S. 7). — Hiermit und mit dem vorhergehenden Satze
harmonirt auch die Emtsch. des Obertr. v. 7. März 1851 (Arch. f. Rechtsf. Bd. I, S. 295), wonach
wegen des entzogenen Gebrauchs eines Kommunikations = oder Gemeindeweges eine Entschädigungs-
sorderung eingelner Gemeindeglieder an die Eisenbahngesellschaft nicht begründet ist. Dagegen sagt das-
selbe in dem Erk. v. 8. Januar 1856 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XIX, S. 225), daß jedes einzelne Mit-
glied einer Gemeinde, welches in der Benutzung eines Kommunalweges von einem Dritten wider-
rechtlich gestört und hierdurch in seinem Vermögen verletzt wird, felbstständig zur Geltendmachung sei-
ner Entschädigungsansprüche befugt sei. Das stimn# mit jenem Ausspr. v. 7. März 1851 nicht.
505) (4. A.) Was unter der Eigenschaft des „fortdauernden“ zu verstehen sei, um das Recht
zum possessorischen Schutze für geeiguet zu halten, ist in Frage gekommen. Ein Kaufmann hatte
eine Remise und Wasserausladestelle auf 5 Jahre gemiethet und konnte dazu nur durch das Haus des
Bermiethers gelangen. Er haite sich dazu der Durchfahrt durch das Haus und dessen Thorweg be-
dient und dazu auch die Thorwegsschlüssel in Besitz erhalten. Der Nachfolger im Besitze des Ver-
miethers ließ plötzlich den einen Flügel des Thorwegs schließen und hinderte dadurch den Miether
an der bisher benutzten Durchfahrt, wovon im Miethskontrakte nichts stand. Als der Miether im
possessorio klagte, wies ihn der Richter ab, weil — da er nur auf 5 Jahre die Remise gemiethet
dabe —. von ihm kein fortdauerndes Recht der Durchfahrt besessen sei. Das Obertr., welches
diesen Ausfpruch kasstrie, hebt zutreffend hervor, daß damit nicht immerwährendes Recht ge-
meint sei — was auch dem Wortlaute des §. 131 d. T. widersprochen haben würde —, sondern
nur der Gegensatz einer in der Handlung gar nicht beabsichtigten Ausübung eines Rechtes, also nur
die ohne opinio jaris gelegentlich für diesmal unternommene äußere Handlung einer Rechtsbesitzaus-
übung ausgedrückt werden sollen. Hiervon ist der §. 14, Tit. 22 eine Parallelstelle. Erk. v. 23. Ja-
nuar 1857 (Entsch. Bd. XXXV., S. 14). .
51)Betgl.Anm.49.(5.A.)AusderbloßfaktischenBenuyungallein,ohnejeneEtklätung
undohneiolcheUmstönde,aberfolgtnicht,daßeinederartigeMemungbeiihmobgewaltethabr.
Erk. des Obertr. v. 23. März 1865 (Archiv f. Rechtsf. Bd. LVIII. S. 228). Es muß aber auch
binzukommen, daß derjenige, gegen welchen das Recht in Sesib, genemmen werden soll, etwas thue
oder dulde, was ihm lastig in (s. 107); er muß also die beeinträchtigende Handlung erfahren. —
Bergl. auch die Anm. 14, Abs. 2 zu §. 14, Tit. 22.
Koch, Allgzemeines Landrecht 1. 5. Aufl. 22